Hamburg. Zwei Freundinnen wünschen sich ein gemeinsames Domizil an der Alster. Bisher vergeblich. Was sie Skurriles bei der Suche erleben.

Die beiden haben sich kennengelernt, als sie noch Kinder waren. Mehrere Zufälle brachten die beiden Mädchen immer wieder zusammen. Heute, knapp 20 Jahre später, sind Philine Reckleben und Xenia von Schiller längst erwachsen – und suchen nun eine gemeinsame Wohnung in Hamburg.

Auf Flyern, die in Eppendorf, auf der Uhlenhorst, in Hohenfelde und Harvestehude hängen, beschreiben die beiden 29-Jährigen ihr Traumdomizil. „Eine Drei-Zimmer-Wohnung, Budget 1800 Euro warm. Wo? Alles, was die Alster küsst, sowie anliegende Bezirke“ – so lautet ihre Wunschvorstellung.

Wohnung Hamburg: Zwei Freundinnen suchen „Ort zum Erholen“ statt Party-WG

In wenigen Sätzen schildern die beiden Singles auf dem Zettel auch ihr Leben, ihre Gewohnheiten: „Wir kochen beide gerne und verbringen unsere Zeit mit unseren Familien, Nichten und Neffen.“ Sie suchten einen „Ort zum Erholen und Wohlfühlen“, seien am Wochenende oft „auf dem Land“. Klingt nicht gerade nach durchgemachten Nächten, Partys, Lärm und Chaos.

Und dennoch: Auf die 70 an Ampeln, in Cafés und Geschäften ausgehängten Flyer gab es keinerlei Reaktionen. „Null“, sagt Xenia von Schiller. Und auf die rund 100 E-Mails an Vermieter auf Portalen wie ImmoScout24 oder Immowelt haben die beiden ebenfalls nur eine Handvoll Rückmeldungen bekommen. Bisher hätten sie seit dem Sommer erst zehn Wohnungen überhaupt besichtigen können, beschreibt Philine Reckleben die frustrierende Suche.

Wohnungssuche in Hamburg schwierig – trotz eines geregelten Einkommens

Seit Juni geht das jetzt schon so. Neben den Flyern und Portalen, wo sie nicht selten auf unseriöse Lock-Angebote stoßen, nutzen die Frauen WhatsApp-Gruppen, Kleinanzeigen (früher eBay Kleinanzeigen) und ihre vielen Kontakte in Hamburg. Bisher alles vergeblich.

„Wir fallen ja noch nicht einmal durchs Raster, wenn es um ausländisch klingende Namen geht oder Studenten ohne Einkommen. Wie schwer muss es da jemand haben, der nicht so privilegiert ist wie wir?“

Philine Reckleben
Sozialarbeiterin auf Wohnungssuche in Hamburg

„Dabei haben wir doch beide Berufe, in denen wir gut verdienen“, sagt Reckleben, die als Sozialarbeiterin in einem Kinderheim in Bergedorf arbeitet. Und, wie sie vorsichtig formuliert, „wir fallen ja noch nicht einmal durchs Raster, wenn es um ausländisch klingende Namen geht oder Studenten ohne Einkommen“, sagt sie. „Wie schwer muss es da jemand haben, der nicht so privilegiert ist wie wir?“

Xenia von Schiller arbeitet als Kostümbildnerin-Assistentin, ist viel an Produktionsstandorten etwa von „Helen Dorn“-Krimis oder vom „Tatort“ unterwegs und muss sich die Zeit für die Wohnungsbesichtigungen immer freischaufeln. „Was machen Leute, die einen Bürojob haben und nicht kurzfristig ein Apartment anschauen können?“, sagt die gelernte Maßschneiderin. Im Internet müsse man minutenschnell reagieren, wenn eine Wohnung auf den Portalen auftaucht, um es unter die ersten Interessenten zu schaffen. Denn einen Augenblick später könne das Angebot gerade bei den günstigeren Objekten schon nicht mehr sichtbar sein.

Wohnung Hamburg: Bei der Suche müssen Bewerber viele Daten preisgeben

Bei den wenigen Wohnungsbesichtigungen, zu denen die beiden Frauen eingeladen wurden, gehe es dann total anonym zu. In Gruppen würden die oft mehr als 100 Interessenten durch die Räume geführt, eine Entscheidung müsse sofort fallen. „Da habe ich dann auch schon mal Xenia per FaceTime zugeschaltet, weil sie von der Arbeit nicht wegkam“, sagt Reckleben.

Bevor es überhaupt zu einem Termin vor Ort komme, sei ein ziemlicher Daten-Striptease gefordert. „Muss ich einem Menschen, den ich nicht kenne, meinen Arbeitsvertrag schicken?“, hinterfragt sie. „Brauche ich wirklich noch meine Eltern als Bürgen? Jetzt, wo ich als erwachsene Frau mit eigenem Einkommen doch selbstständig und stolz darauf bin?“

„Wenn du als Singles eine WG gründen willst, hast du in Hamburg keine Chance“

Die beiden Frauen sind inzwischen ziemlich verzweifelt, wohnen bei einer Bekannten in Winterhude, die gerade im Ausland ist. Möbel und Kleidung müssen sie in verschiedenen Kellern lagern. Zugleich haben sie bei all der erfolglosen Suche einen Verdacht, den Bekannte ihnen bestätigen. „Wenn du als Singles eine WG gründen willst, hast du in Hamburg keine Chance“, sagt Xenia von Schiller. Die Anbieter hätten dann Sorge vor nächtlicher Ruhestörung und anderen möglichen Auswüchsen.

Dabei kommt Philine Reckleben regelmäßig völlig geschafft von der Arbeit nach Hause. „Ich bin die müdeste Frau der Welt“, sagt die 29-Jährige, die dann am liebsten nur noch Kreuzworträtsel löst. Die Zeit der Partys ist für beide Frauen vorbei – „das ist Vergangenheit“. Die Jobs forderten sie so sehr, dass sie sicherlich keine Feier-WG aufmachen wollten.

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„Doch die Vermieter denken das. Wenn dort zwei Singles einziehen, glauben sie, dass aus dem Grüppchen schnell vier Leute werden können“, hat Xenia von Schiller erfahren. Die unter Wohnungssuchenden in Hamburg recht verbreitete „Lösung“ für dieses Klischee ist etwas skurril: „Viele geben sich als lesbisches Paar aus, wenn zwei Freundinnen zusammen eine Wohnung suchen“, sagt die Hobby-Fotografin. In diesem Fall würden Vermieter eher an ruhige Mieter und lauschige Pärchenabende denken.

Für die beiden Frauen geht die Suche jedenfalls weiter. Nach dem Gespräch mit dem Abendblatt haben sie eine Wohnungsbesichtigung. „Auf dem Hamburger Berg“, sagt Xenia von Schiller. Mitten in der Feier-Hochburg auf dem Kiez. Das laute St. Pauli steht zwar nicht gerade ganz oben auf der Wunschliste der beiden Freundinnen, aber inzwischen können und wollen sie ihre Ansprüche nicht mehr halten. „Wir können ja nicht ewig auf der Couch schlafen“, sagt Philine Reckleben.