Hamburg. Ein Asklepios-Experte über Ursachen und Symptome der schweren Persönlichkeitsstörung – und wie man die Krankheit therapieren kann.

Es ist eine der bekanntesten Persönlichkeitsstörungen: Borderline. „Die Betroffenen reagieren oft impulsiv, sind sehr instabil – in Beziehungen, ihren Affekten, und auch in ihrer Selbstwahrnehmung“, sagt der Hamburger Privatdozent Dr. Emanuel Severus, Chefarzt der Klinik für Persönlichkeits- und Traumafolgestörungen an der Asklepios Klinik Nord-Ochsenzoll.

Die Erkrankung, die sich in der Regel schon in der Jugend oder im frühen Erwachsenenalter zeige, gehe oft mit selbstverletzendem Verhalten einher. „Aber Vorsicht“, warnt der Experte, „nicht jeder, der sich in der Pubertät selbst verletzt, hat automatisch eine Borderline-Persönlichkeitsstörung.“ Da müsse man genau hinschauen, die Behandlung sei durchaus eine „therapeutische Herausforderung“. „Die Betroffenen haben häufig auch noch mit anderen Erkrankungen zu tun: Depressionen, Angststörungen, Suchtverhalten“, sagt der gebürtige Berliner.

Krankenhaus Hamburg: Von Borderline sind nicht nur junge Frauen betroffen

Doch wer hat ein erhöhtes Risiko, diese Störung zu entwickeln? Junge Frauen? „Den Eindruck kann man medial manchmal gewinnen, aber wir wissen mittlerweile, dass beide Geschlechter offenbar gleich häufig betroffen sind“, sagt der habilitierte Mediziner. Oft seien die Betroffenen mit dem Gefühl aufgewachsen, „falsch, verkehrt“ zu sein. „Manche haben in der Familie emotionale Vernachlässigung erlebt, viele leider auch sexuellen Missbrauch.“

Die Betroffenen leiden oft über Jahre enorm. „Sie haben eine panische Angst, verlassen zu werden, sozial ausgeschlossen zu werden. Sie spüren oftmals auch eine innere Leere, die – wenn sie länger andauert – kaum auszuhalten ist“, sagt der Experte. Das Risiko für Suizid sei erhöht. „Wobei man jetzt als Angehöriger, Partner oder auch Therapeut nicht permanent in Angst leben muss, dass der geliebte Mensch sich etwas antut. Aber eine Therapie ist wichtig.“

Dr. Emanuel Severus
Der Hamburger Privatdozent Dr. Emanuel Severus von der Asklepios Klinik Nord-Ochsenzoll behandelt Menschen mit Borderline. © FUNKE Foto Services | Thorsten Ahlf

Denn „heilbar“ ist Borderline nicht unbedingt, jedoch gut behandelbar. „Heilbar verspricht, dass am Ende alles gut ist, dass keine Narben zurückbleiben. Das ist jedoch selten so. Aber nach einer erfolgreichen Therapie können die Betroffenen ein weitgehend erfülltes Leben leben, ihr Potenzial entfalten“, sagt Dr. Emanuel Severus.

Krankenhaus Hamburg: Borderline ist nicht heilbar, aber gut behandelbar

Doch wie sieht eine gute Therapie aus? Helfen Medikamente? „Sie sind Krisenzeiten vorbehalten“, sagt der Asklepios-Chefarzt. „Wir setzen in erster Linie auf Psychotherapie, die empathisch validiert und konfrontiert. Heißt: Wir melden dem Patienten, dass sein Erleben vor dem Hintergrund seiner Erfahrungen nachvollziehbar ist, machen aber auch klar, dass dieses Verhalten für eine heilsame Freundschaft oder Partnerschaft schwierig bis zerstörerisch ist.“ Zwei bis drei Jahre brauche es oftmals für eine erfolgreiche Therapie.

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Sehr hilfreich sei hierbei eine teil-stationäre Intervall-Therapie, zu der Patienten sich jeweils über einen Zeitraum von mehreren Wochen in Behandlung befinden, sagt der Experte. Es motiviere ihn, wenn trotz der schwierigen Erfahrungen der Betroffenen ein Vertrauensverhältnis zwischen Patient und Behandler entstehe. „Und wenn der Betroffene erlebt: Ich kann aus meinem inneren Gefängnis ausbrechen – dann ist das ein großer Erfolg“, sagt der Chefarzt von der Asklepios Klinik Nord-Ochsenzoll, wo auch weitere psychische Erkrankungen behandelt werden.