Hamburg. Mieterverein zu Hamburg beklagt Gesetzeslücke. Grundeigentümerverband erklärt, warum Vermietern enge Grenzen gesetzt sind.
Wie kann es sein, dass, wie in Langenhorn geschehen, ein Balkon abbricht, und niemand vorher etwas bemerkt hat? Das fragen sich derzeit viele in Hamburg. Die Angst, so etwas könne auch am eigenen Wohnhaus passieren, schwingt mit. Zwei Tage nach dem Abbruch konnten nach Angaben der Polizei drei der sechs Verletzten das Krankenhaus verlassen, ein Schwerverletzter sei weiterhin in einem kritischen Zustand.
Am Mittwochabend war die Bodenplatte eines Balkons eines Mehrfamilienhauses plötzlich abgebrochen und vor das Fenster der darunterliegenden Wohnung gekracht. Sechs Menschen im Alter von 18 bis 27 Jahren stürzten aus dem dritten Stock in die Tiefe. Warum der Balkon um 90 Grad nach unten klappte, ist weiterhin unklar. „Die Prüfungen des Landeskriminalamts dauern weiter an“, sagte Polizeisprecherin Laura Wentzien dem Abendblatt.
Balkon-Unglück in Langenhorn: Warum der marode Balkon unbemerkt blieb
Rolf Bosse, Vorsitzender des Mietervereins zu Hamburg, sieht die Verantwortung für intakte Balkone eindeutig bei den Eigentümern. „Grundsätzlich ist es so, dass Mieter, wenn ihnen etwas auffällt, das melden müssen. Aber Vermieter tragen die Verantwortung für das ganze Haus.“ Allerdings gebe es bedauerlicherweise kein Gesetz, das regelt, dass Balkone regelmäßig überprüft werden müssen. „Wir fordern schon lange eine gesetzliche Regelung“, sagt der Mietervereins-Vorsitzende. Die Gesetze gingen davon aus, dass sich rechtschaffene Vermieter um den Erhalt ihrer Immobilien kümmerten.
Es gebe aber immer mehr institutionelle Geldanleger, denen es vorrangig um eine hohe Rendite gehe, kritisiert Bosse: „Da wird häufig alles auf Verschleiß gefahren, das ist ein Trend.“ Und wenn ein Gebäude dann wegen seines schlechten Zustands und fehlender Instandhaltung abgerissen werden müsse, habe man ein wertvolles Grundstück, das man teuer an einen Investor verkaufen könne.
Mieterverein zu Hamburg beklagt seit Jahren eine Gesetzeslücke
„Ich wäre dafür, dass man Balkone alle paar Jahre anguckt“, sagt Bosse. Und das könne nicht Aufgabe der Mieter sein, die ja nur auf ihrem Balkon, aber nicht darunter Schwachstellen entdecken könnten. Leider seien die Gesetze repressiv. Erst, wenn etwas passiert sei, könne man jemanden zur Verantwortung ziehen. „Das ist ein trauriger Befund, wir sagen das schon lange“, so Bosse.
Nina Kollar, Sprecherin des Grundeigentümer-Verbands Hamburg von 1832 e.V., bestätigt, dass es keine gesetzliche Regelung gibt, die Eigentümer dazu verpflichtet, ein vermietetes Bestandsgebäude ohne konkreten Grund in regelmäßigen Abständen etwa von einem Baustatiker untersuchen zu lassen. „Vielmehr wird Eigentümern die Verantwortung zugeschrieben, dafür zu sorgen, dass das Haus sicher ist und niemand gefährdet wird.“
Grundeigentümerverband Hamburg: „Es gibt kein allgemeines Zutrittsrecht“
Doch dabei gebe es gewisse Hürden, sagt sie: „Verantwortungsbewussten Eigentümern dürfte es in der Regel schwerfallen, vorsorglich eine Begutachtung ihres Mietwohngebäudes durchzuführen. So steht Eigentümern beispielsweise kein allgemeines Zutrittsrecht zu einer Mietwohnung zu. Vielmehr muss ein konkreter sachlicher Grund vorliegen, der das Betreten der Wohnung durch den Vermieter rechtfertigt.“
Ein konkreter sachlicher Grund wäre ihren Angaben zufolge beispielsweise gegeben, wenn die Hausfassade sichtbare Risse aufweist. Andernfalls könne der Mieter den Zutritt zu seiner Wohnung verweigern.
Balkon-Unfall in Langenhorn: Polizei Hamburg prüft strafrechtlich relevantes Verhalten
Wenn, wie jetzt in Langenhorn, einzelne Wohnungen vorübergehend nicht bewohnbar sind, müssten Eigentümer in der Regel auch die Unterbringungskosten nicht übernehmen, sofern ihnen kein pflichtwidriges Verhalten nachgewiesen werden könne, sagt Kollar. Ob bei dem Unglück in Langenhorn ein strafrechtlich relevantes Verhalten, das die Mieter gefährdet hat, vorliegt, ermittelt jetzt die Polizei.
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Den Mietern sei im Allgemeinen kein Vorwurf zu machen: „Mieter sind grundsätzlich nicht dazu verpflichtet zu überprüfen, ob Wohnung und Balkon intakt sind. Sichtbare Mängel müssen dem Vermieter jedoch angezeigt werden.“