Hamburg. Streit mit Ex-Vermietern ist für Hamburgerin „andauernder Albtraum“. An der Justiz verzweifelt sie – und geht nun einen anderen Weg.
Es sollte ein unbeschwertes Wochenende an der Ostsee werden. Doch seit diesem Kurztrip vor sieben Jahren lebt Katja B. (Name geändert) im Ausnahmezustand. Ein Streit mit ihren damaligen Vermietern um eine Wohnung in direkter Nähe der Alster an der Bellevue nimmt kein Ende. Mittlerweile fühlt die 44-Jährige sich zusätzlich von der Hamburger Justiz alleingelassen.
Denn insbesondere ein Strafverfahren, das Katja B. gegen ihre früheren Vermieter angestrengt hat, ist bis heute nicht abgeschlossen. Dabei gehe es um nicht weniger als den Verlust ihres damaligen Zuhauses, sagt die Hamburgerin. Zudem seien über Monate viele ihrer persönlichen Besitztümer für sie nicht auffindbar gewesen – ein Umstand, der sie sehr belastet habe. Jetzt hat die Hamburgerin sich mit Briefen an Justizsenatorin Anna Gallina (Grüne) sowie den Leitenden Oberstaatsanwalt Ralf Peter Anders gewandt.
Vermieter räumt Wohnung in Alstervilla leer – Mieterin: „Bin verzweifelt“
Sie tue dies „aus Verzweiflung“, schreibt Katja B. an Senatorin Gallina. Eine Strafanzeige, die sie vor sieben Jahren gestellt habe, weil ihre Wohnung von den Vermietern rechtswidrig leer geräumt worden sei, bleibe noch immer „ohne Ergebnis“. Zugleich drückt die Hamburgerin ihr Unverständnis darüber aus, dass das Verfahren über Jahre „nicht gefördert“ worden sei – also darüber nicht verhandelt wurde.
Im Gespräch mit dem Abendblatt nennt Katja B. ihre Erfahrungen einen „andauernden Albtraum“. Zudem sei ihr „Vertrauen in den Rechtsstaat komplett verloren gegangen, und ich fühle mich schutzlos ausgeliefert“.
Mittlerweile ist einer der Tatbestände, den Katja B. ihren damaligen Vermietern vorwirft, nämlich ein Hausfriedensbruch, sogar verjährt. Sprich: Ihnen kann deswegen nicht mehr der Prozess gemacht werden.
Nach dem Urlaub passte plötzlich der Wohnungsschlüssel nicht mehr
Darum geht es: Als Katja B. im September 2016 von einem Kurzurlaub zurückkam, passten der Schlüssel zu ihrer Wohnung und auch zur Hauseingangstür nicht mehr. Und abgesehen von dem wenigen, was sie für einen Segeltörn über das Wochenende mitgenommen hatte, war ihre gesamte Habe unauffindbar.
Offenbar hatten die Vermieter alles aus der Wohnung entfernen lassen, darunter laut Katja B.s Darstellung Schmuck, Dokumente, Kleidung und Bücher. Deshalb stellte die Hamburgerin Strafanzeige wegen Hausfriedensbruchs und Nötigung gegen ihren Vermieter Markus A. (Name geändert) und dessen Vater Manfred A. (79, Name geändert). Im Dezember 2017 wurde von der Staatsanwaltschaft Anklage erhoben. Aber erst im Oktober 2022 wurde der Fall erstmals vor dem Amtsgericht verhandelt.
Villa an der Bellevue – Mieterin gut ein Jahr ohne ihr Hab und Gut
Die Staatsanwaltschaft wirft Manfred A. und dessen Sohn Markus A. vor, sie hätten das Schloss zu der Wohnung von Katja B. in der Villa an der Bellevue sowie der Hauseingangstür austauschen lassen. Zuvor seien sie in die Wohnung der Mieterin eingedrungen und hätten deren Gegenstände mitgenommen und an einen zunächst unbekannten Ort verbracht. Laut Anklage taten sie das, „um die Zeugin zu einem Auszug zu veranlassen, um die Wohnung neu vermieten zu können“.
Den Ermittlungen zufolge fehlten der Geschädigten Hausrat, der in 70 Umzugskartons gepackt wurde, Möbel, Dokumente, Papiere, Kleidung und Accessoires. Katja B. sagt, sie habe erst mehr als ein Jahr später den Schlüssel zu einem Lagerraum, in dem ihr Besitz verstaut war, erhalten. Ihre Habe sei teilweise beschädigt, zerkratzt oder verdreckt gewesen.
Gerichtstermin platzte: Das Hörgerät des Angeklagten war kaputt
Seitdem sammeln sich bei Katja B. Stapel von Akten an, sowohl in Bezug auf das Strafverfahren als auch in einer zivilrechtlichen Auseinandersetzung. Beide sind noch nicht abgeschlossen. Die Hoffnung der Hamburgerin, bei dem schließlich für den 26. und 28. Oktober 2022 anberaumten Prozess vor dem Amtsgericht St. Georg würde das Strafverfahren abgeschlossen, zerschlugen sich.
Am ersten Termin hatte der damals 78 Jahre alte Angeklagte Manfred A. mitgeteilt, dem Verfahren nicht folgen zu können, weil sein Hörgerät kaputt sei. Zwei Tage später wurde tatsächlich verhandelt – aber Katja B. nicht als Zeugin gehört.
Der Prozess geriet bereits nach kurzer Zeit ins Stocken. Hintergrund war, dass Manfred A. sich erstmals zu den Vorwürfen äußerte und mögliche neue Zeugen ins Spiel brachte.
Prozess um leer geräumte Wohnung: Neuer Termin hätte längst stattfinden sollen
Hierbei ging es unter anderem um ihren damaligen Hausmeister sowie einen Anwalt, bei dem Manfred A. sich seinerzeit rechtlichen Rat geholt habe. Daraufhin entschied die Richterin, es müssten möglicherweise der Hausmeister, der mittlerweile in Polen lebt, sowie der frühere Anwalt der Vermieter gehört werden. Ein neuer Prozess könne allerdings wegen terminlicher Schwierigkeiten nicht vor Februar 2023 stattfinden.
Doch tatsächlich ist eine neue Verhandlung bis heute – sechs Monate nach Ablauf dieses avisierten Termins – nach wie vor nicht in Sicht. In zwei Schreiben, die Katja B. vergangene Woche an Justizsenatorin Gallina und den Behördenleiter der Staatsanwaltschaft Anders geschrieben hat, bittet die 44-Jährige nun um deren Unterstützung.
Nach einer Strafanzeige ihrerseits gegen die Vermieter sowie einer Anklageerhebung wegen Hausfriedensbruchs und Nötigung sei erst fünf Jahre später das Hauptverfahren im Mai 2022 eröffnet worden. „In der Zwischenzeit waren mit der Sache über zehn Staatsanwälte und fünf Richter befasst“, so Katja B. „Noch immer ist keine Entscheidung ergangen.“
Bellevue: Hamburger Mieterin bittet jetzt Justizsenatorin um Hilfe
Sie bitte nun Hamburgs Justizsenatorin um „Unterstützung. Ich weiß nicht mehr weiter.“
„Natürlich ist es uns ein starkes Anliegen, dass alle Bürgerinnen und Bürger zu ihrem Recht kommen“, heißt es jetzt aus der Justizbehörde. „Wir können verstehen, dass lange Verfahren mitunter sehr kräftezehrend sein können. Zu einem laufenden Verfahren äußern wir uns grundsätzlich nicht, da wir die verfassungsrechtlich garantierte richterliche Unabhängigkeit beachten“, sagte eine Behördensprecherin dem Abendblatt.
„Diese umfasst auch die Verfahrensführung, also wann eine Hauptverhandlung terminiert und welche Zeugen und Zeuginnen geladen werden. Hierauf kann und darf die Behörde für Justiz und Verbraucherschutz keinen Einfluss nehmen.“
Vermieter räumt Wohnung in Villa leer: Laut Gericht ein „komplexer“ Fall
Gerichtssprecher Kai Wantzen kommentiert den Fall so: „Im Verlauf des Verfahrens sind leider an mehreren Stellen Verzögerungen eingetreten, die zu einer inzwischen weit überdurchschnittlichen Verfahrensdauer geführt haben.“ Es handele sich um „einen komplexen Fall, in dem der strafrechtliche Vorwurf von einem unübersichtlichen Geflecht von Mietrechtsstreitigkeiten überlagert wird. Solche Fälle sorgen für einen hohen zeitlichen Bearbeitungsaufwand, der hier wegen der häufigen Richterwechsel mehrfach zu Buche geschlagen hat.“
Seit der im Oktober 2022 anberaumten Hauptverhandlung, in der das Verfahren wegen spezieller Konstellationen nicht abgeschlossen werden konnte, „ist leider wieder mehr Zeit ins Land gegangen, als es wünschenswert gewesen wäre“, sagt der Gerichtssprecher.
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Dies gehe „vor allem auf die Belastung der zuständigen Abteilung mit anderen aufwändigen Verfahren, insbesondere vorrangigen Haftsachen, zurück“, erklärt Wantzen. „Dementsprechend dringend ist jetzt die Förderung des Verfahren, und es ist in Kürze mit einer Abstimmung neuer Verhandlungstermine zu rechnen.“
Hamburger Mieterin plötzlich ohne Wohnung: „Ich stand vor dem Nichts“
Dem Abendblatt schildert die Hamburgerin Katja B., wie sehr ihr die Ereignisse zugesetzt hätten. Im September 2016, als sie nicht in ihre Wohnung habe zurückkehren können, „stand ich vor dem Nichts, ohne Zuhause, Kleidung, Ausweispapiere und Rechner“.
Sie habe nicht gewusst, was die Vermieter und möglicherweise weitere Personen „mit meinen persönlichen Unterlagen und Sachen machten, und erhielt keine Information darüber, ob diese noch existierten“. Zudem habe es gegen sie Klagen gegeben, mit denen die Vermieterfamilie sie „überhäuft“ habe.
„Ich habe mehrere Anwälte beauftragen müssen“, so Katja B. weiter. „Mit den Akten lassen sich Regale füllen.“ Sie verstehe nicht, „warum so ein einfacher Fall (...) nicht sofort aufgeklärt werden konnte und dass es möglich ist, die Justiz so umfangreich zu beanspruchen. Warum gibt es Gesetze, wenn sie nicht umgesetzt werden oder so leicht zu umgehen sind?“