Hamburg. Der Angeklagte äußert sich plötzlich doch zu den Vorwürfen und präsentiert einen neuen Zeugen. Steht das Verfahren vor der Wende?

Für die Frau ist es schon lange ein Albtraum. Seit sechs Jahren liegt Katja B. (alle Namen geändert) mit ihren ehemaligen Vermietern im Streit. Nun endlich, so hatte es die 43-Jährige gehofft, könnte das Dauerverfahren um ihre leergeräumte Wohnung an der Bellevue zu einem lang ersehnten Abschluss kommen. Doch nachdem der Prozess vor dem Amtsgericht am Freitag tatsächlich begonnen hatte, geriet das Verfahren nach knapp zwei Stunden erneut ins Stocken — und wird sich jedenfalls mindestens bis Februar hinziehen. Damit ist der Fall um ein weiteres erstaunliches Kapitel reicher.

Es hätten sich „neue elementare Dinge ergeben, die aufgeklärt werden müssen“, erklärte die Amtsrichterin. Dafür müssten wahrscheinlich weitere Zeugen geladen werden, vielleicht auch solche aus dem Ausland. Neue Termine für das Verfahren müssten gefunden werden, dies sei aber innerhalb der nächsten Wochen nicht möglich. Deshalb werde sie das Verfahren aussetzen. Eine unendliche Geschichte?

Prozess: Katja B. kam 2016 aus dem Urlaub – und stand vor einer leeren Wohnung

Für Katja B. geht es in dem Prozess neben ihrer unverhofft ausgeräumten Wohnung und der Tatsache, dass sie plötzlich kein Zuhause mehr hatte, um den monatelangen Verlust vieler ihrer persönlichsten Besitztümer — ein Umstand, der sie finanziell und psychisch sehr belastet habe. Als sie im September 2016 von einem Kurzurlaub zurückkam, musste sie feststellen, dass der Schlüssel zu ihrer Wohnung und auch zur Hauseingangstür nicht mehr passte. Und abgesehen von dem wenigen, was sie für den Kurztrip mitgenommen hatte, war ihre gesamte Habe unauffindbar.

Offenbar hatten die Vermieter alles aus der Wohnung entfernen lassen, darunter Schmuck, Dokumente, Kleidung und Bücher. Erst mehr als ein Jahr später erhielt sie den Schlüssel zu einem Lagerraum am Flughafen, in dem ihr Besitz verstaut war, alles in 70 Kisten geschmissen, beschädigt, zerkratzt oder verdreckt, wie die PR-Beraterin sagt. Vermieter Markus A. (41) und dessen Vater Manfred A. (78) sind in dem Prozess wegen Hausfriedensbruchs und Nötigung angeklagt.

Verteidiger wirft Katja B. vor, seinen Mandanten "abzocken" zu wollen

Doch der Verteidiger von Markus A., Dirk Meinicke, geht in die Offensive. Der Anwalt meint, es stehe der Verdacht im Raum, dass Katja B. eine Straftat begangen habe. Es sei von der 43-Jährigen ein finanzieller Schaden „für einen Haufen Müll“ geltend gemacht worden. „Man zockt 80.000 Euro ab, obwohl man den Schaden nicht hatte“, behauptet Meinicke. „Das wird die Staatsanwaltschaft noch aufzuarbeiten haben.“

Laut Anklage liegt der Fall indes ganz anders — mit Katja B. mitnichten als Täterin, sondern eindeutig als Opfer. Den Ermittlungen zufolge haben die Angeklagten Manfred A. und dessen Sohn Markus A. das Schloss zu der Wohnung von Katja B. in der Villa an der Bellevue sowie der Hauseingangstür austauschen lassen. Zuvor seien sie in die Wohnung der Mieterin eingedrungen und hätten deren Gegenstände mitgenommen und an einen zunächst unbekannten Ort verbracht.

Laut Anklage taten sie das, „um die Zeugin zu einem Auszug zu veranlassen, um die Wohnung neu vermieten zu können“. Den Ermittlungen zufolge fehlten der Geschädigten Hausrat, der in 70 Umzugskartons gepackt wurde, Möbel, Dokumente, Papiere, Kleidung und Accessoires.

Angeklagter behauptet, er sei nur über "Müll" in der Wohnung informiert worden

Seitdem sammeln sich bei Katja B. Stapel von Akten, sowohl in Bezug auf das Strafverfahren, als auch in einer zivilrechtlichen Auseinandersetzung. Beide sind noch nicht abgeschlossen. Ein Jahr nach der mutmaßlichen Tat war Anklage erhoben worden, doch erst jetzt, weitere fünf Jahre später, kam der Fall endlich vor Gericht. Aber auch als am Mittwoch der Strafprozess endlich hatte verhandelt werden sollen, verlief er vorerst im Sande: Der 78 Jahre alte Angeklagte Manfred A. teilte mit, dem Verfahren nicht folgen zu können. Sein Hörgerät sei kaputt. Also wurde der Fall erneut vertagt.

Nun also, an diesem Freitag, schien alles in Ordnung. Das Hörgerät war repariert, der Angeklagte hatte einen dicken Aktenordner vor sich liegen und wollte sich äußern. Demnach, so erzählte es der Hamburger, sei er von seinem damaligen Hausmeister darüber informiert worden, dass Katja B. ausgezogen sei, aber sich noch Dinge von ihr in der Wohnung befänden. Dabei handele es sich „um Müll“.

Ein Anwalt, den er um Rat gefragt habe, habe ihm gesagt: „Sie können da rein. Ich würde aber empfehlen, dass Sie die Sachen sicherstellen — auch wenn es Müll ist.“ Häufig würden in ähnlichen Fällen im Nachhinein „Goldstücke vermisst“. Dem Rat des Anwalts sei er gefolgt, meinte Manfred A. Und sein mit angeklagter Sohn habe mit der Sache „gar nichts zu tun“.

Richterin sieht "neue Erkenntnisse" – muss der Hausmeister befragt werden

Lege man diese Einlassungen zugrunde, bilanzierte die Amtsrichterin, ergäben sich „neue Erkenntnisse“. Möglicherweise müssten jetzt der damalige Hausmeister, der mittlerweile in Polen lebt, und der Anwalt gehört werden. Dass eine solche Einlassung komme werde, sei nicht abzusehen gewesen, weil sich beide Angeklagte bisher laut Akte noch nie zu den Vorwürfen geäußert haben. Katja B.’s Anwalt Wolf Römmig sagte dazu: „Es ist nicht nachvollziehbar, dass der Senior sich jetzt eine auf anwaltliche Beratung beruft, dass es zulässig gewesen sei, was er da inszeniert hat.“