Hamburg. Wie gut sind Nikotinpflaster, Kaugummis und E-Zigaretten? Expertin für Rauchentwöhnung erklärt, was wirklich beim Entzug hilft.
Es wird wieder mehr geraucht in Deutschland. Und insbesondere unter Jugendlichen gehören Zigaretten offensichtlich wieder zu einem „lässigen Lebensstil“ dazu. Ende vergangenen Jahres rauchten laut einer repräsentativen Umfrage rund 16 Prozent der 14- bis 17-Jährigen regelmäßig – doppelt so viele wie noch im Vorjahr.
„Es ist womöglich eine Folge der entbehrungsreichen Corona-Jahre“, sagt die Hamburger Ärztin Dr. Maren Kirchhöfer. „Gerade junge Menschen wollen die verpasste Zeit nachholen, wollen feiern und leben – und dazu gehört leider wieder häufiger die Zigarette.“ Dabei sei Rauchen nach wie vor der Hauptrisikofaktor für Lungenkrebs, die Erkrankung mit der höchsten krebsbedingten Sterberate.
Rauchen: Es reicht nicht, nur die Zahl der Zigaretten zu reduzieren
Was die Leiterin des Lungenkrebszentrums am Asklepios Klinikum Harburg besonders besorgt: Nur zehn Prozent aller Raucher versuchen überhaupt irgendwann einmal in ihrem Leben, ernsthaft ihr Laster aufzugeben. „Und dann ist die Rückfallquote enorm. Denn die absolute Voraussetzung für eine erfolgreiche Entwöhnung ist die eigene Motivation. Wenn beispielsweise nur ein Angehöriger will, dass man aufhört, dann wird es ziemlich sicher nicht klappen.“
Betroffene müssten sich eingestehen, dass Rauchen eine Suchterkrankung sei. „Es hilft noch gar nichts, wenn man sich einen Tag lang mal keine neue Packung kauft, aber sonst weitermacht wie immer“, sagt die Expertin für Rauchentwöhnung. Auch die Menge der Zigaretten zu reduzieren sei nicht unbedingt der richtige Weg.
„Klar, es ist besser, weniger zu rauchen als viel. Aber wenn man sich als ursprünglich starker Raucher zum Beispiel von heute auf morgen auf fünf Zigaretten pro Tag beschränkt, dann bekommen diese fünf Zigaretten eine so enorme Bedeutung, dass es noch schwerer fallen wird, davon loszukommen.“
Zigaretten: Aufhören ist Kopfsache – der körperliche Entzug dauert nur Stunden
Die Oberärztin für Thoraxchirurgie rät deshalb zu einem „harten Entzug“: „Der körperliche Entzug dauert übrigens gar nicht lang, höchstens ein paar Stunden. Es ist vor allem eine Kopfsache.“ Und Aufhören lohne sich immer – auch für den 80-Jährigen, der seit Jahrzehnten raucht. „Sie werden an sich selbst relativ zügig eine Verbesserung von Lungenfunktion und damit auch von Lebensqualität bemerken. Also geben Sie Ihrem Leben und ihrer Gesundheit eine Chance, ohne Zigaretten auszukommen.“
Doch wie gelingt die Entwöhnung nun am besten? „Tatsächlich haben sich Nikotinpflaster bewährt. Dabei muss aber natürlich die Dosierung stimmen“, sagt die Expertin und mahnt, ehrlich zu sich selbst zu sein. „Sagen Sie realistisch, wie viele Zigaretten Sie pro Tag rauchen und ob Sie beispielsweise auch nachts zum Rauchen aufstehen.“
Warum Nikotinkaugummis allein Rauchern nicht beim Aufhören helfen
Sei die Dosierung der Pflaster nämlich zu gering, würden nicht alle Rezeptoren im Gehirn blockiert, das Verlangen nach der Zigarette bleibe – bis man womöglich nachgebe. „Und dann heißt es: Ich habe es ja versucht, aber es klappt bei mir halt einfach nicht.“
Grundsätzlich sei es immer hilfreich, sich mit seinem Hausarzt zu besprechen: „Er kann motivieren, er kann das Prinzip der Pflaster erklären.“ Nikotin-Kaugummis könnten zusätzlich die Entwöhnung erleichtern, aber seien als einziges Mittel eher weniger geeignet: „Die werden leicht zu einer Ersatzbefriedigung.“
Von E-Zigaretten zur Entwöhnung rät Dr. Kirchhöfer ab. Zum einen seien mögliche Langzeitfolgen nicht bekannt, zum anderen seien die enthaltenen Aromaten auch krebserregend. Und da die Ähnlichkeit zur Zigarette natürlich groß ist, sei wiederum der „Absprung“ von der E-Zigarette schwer.
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Bedauerlicherweise hörten viele Raucher – und das sei ja auch nur menschlich – erst auf, wenn es einen „Schuss vor den Bug“ gegeben habe. Wie den Verdacht auf Lungenkrebs. „Und diese Krebsform ist immer noch sehr gefährlich, weil sie eben oft erst spät erkannt wird“, sagt die Medizinerin, die in Kiel studiert hat. Die Lunge selbst verfüge nicht über Schmerzrezeptoren. „Deshalb schreit sie eben auch nicht auf, wenn geraucht wird.“
Zigaretten: Rauchen ist immer noch der Hauptrisikofaktor für Lungenkrebs
Anhaltender Husten, teils mit blutigem Auswurf, sei ein absolutes Warnsignal. „Dann bitte auch hartnäckig bleiben und alles abklären lassen.“ Wie Lungenkrebs behandelt werde, hänge individuell von Größe, Lage und Stadium des Tumors ab.
Im Lungenkrebszentrum in Harburg, das jüngst von der Deutschen Krebsgesellschaft zertifiziert wurde, werde großer Wert darauf gelegt, dass wirklich jeder einzelne Fall „interdisziplinär diskutiert“ werde, jeder Patient von Ärzten verschiedener Fachrichtungen gesehen und auch von Psychoonkologen beraten werde.
„Wir müssen ehrlich sein: Die Prognose bei fortgeschrittenem Lungenkrebs ist nach wie vor nicht gut“, sagt die Oberärztin. Aber durch neuartige Behandlungsansätze, wie die Immuntherapie sei es mittlerweile häufiger möglich, die Erkrankung zu chronifizieren. „Das heißt, der Patient kann mit der Erkrankung dann noch gut leben.“