Hamburg. Fehlentwicklung der Hüftpfanne ist angeboren. Hamburger Chefarzt: Was empfohlen wird, wenn Krankengymnastik nicht mehr hilft.

Es ist ein angeborenes Leiden, das jedoch selten vor der Geburt erkannt wird und dann bei den Betroffenen oft erst im Alter zwischen 20 und 30 Jahren starke Schmerzen verursacht: die Hüftdysplasie. „Davon spricht man, wenn der Hüftkopf nicht weit genug von der Hüftpfanne überdacht ist“, erklärt Dr. David Scheunemann.

Betroffen seien von dieser „Störung“ vermehrt Frauen, tatsächlich drei- bis sechsmal so viele wie Männer, sagt der Chefarzt für Orthopädie und Unfallchirurgie vom Asklepios Westklinikum Hamburg. „Der Grund dafür ist leider noch nicht final erforscht, er liegt sicherlich auf genetischer Ebene.“

Krankenhaus Hamburg: Mehrlinge haben erhöhtes Risiko für Hüftdysplasie

Auch Zwillinge haben ein erhöhtes Risiko für eine Hüftdysplasie. „Da ist die Ursache klarer: Mehrlinge haben schlicht weniger Platz im Mutterleib.“ Bei Mehrlingsschwangerschaften werde eine Hüftdysplasie durchaus häufig bei einer Ultraschalluntersuchung entdeckt. Doch was bedeutet das dann?

„Früher wurde ganz klassisch nach der Geburt mit einem Gipsverband therapiert“, sagt der Experte. Mittlerweile wisse man aber, dass Beweglichkeit wichtig sei. „Das ist dann nämlich ein Wachstumsanreiz für die richtige Ausformung der Hüftpfanne.“ Deshalb setzen Ärzte heute eher auf eine „dynamische Abspreizbehandlung“ mit flexiblen Bandagen.

Hüftdysplasie verursacht meist zwischen 20. und 30. Lebensjahr Schmerzen

Oft mache sich eine Hüftdysplasie erst bei jüngeren Erwachsenen bemerkbar: „Natürlich sind Menschen zwischen 20 und 30 noch jung“, sagt der Chefarzt, „aber sie sind eben auch lange keine Kinder mehr. Das heißt: Die fehlende knöcherne Überdachung wird nicht mehr so eben durch die Weichteile kompensiert wie im Kindesalter. Plötzlich schmerzt es in der Leistengegend.“

Diese Leistenschmerzen seien das „Hauptsymptom“, aber auch eine erstaunliche „Überbeweglichkeit“ könne ein Hinweis sein. „Es geht nicht so weit, dass man sagen kann, Hüftdysplasie sei für Balletttänzer eine Berufsvoraussetzung, aber mit einer korrekt ausgeformten Hüfte kommt man trotz Trainings oft nicht mit einer solchen Leichtigkeit in den Spagat.“

Krankengymnastik gilt als konservative Therapie

Die Form der Behandlung hänge davon ab, wie sehr der oder die Betroffene im Alltag eingeschränkt sei. „Es gibt Patienten, bei denen eine stark ausgeprägte Hüftdysplasie festgestellt ist, die aber eigentlich nichts davon merken. Und dann gibt es Betroffene, die wirklich sehr leiden.“

Zunächst versuche man es in der Regel mit einer konservativen Therapie, also mit Krankengymnastik. „Damit lindert man oft Beschwerden, aber die Ursache bleibt: Der Hüftkopf wird durch die Übungen ja nicht plötzlich vermehrt überdacht.“

Meist verbreitete OP bei Hüftdysplasie ist Triple-Osteotomie

Am Ende laufe es in manchen Fällen dann eben doch auf eine Operation hinaus. „Dabei ist die sogenannten Triple-Osteotomie in Deutschland das am weitesten verbreitete Verfahren“, sagt der Spezialist, der aus einer Arztfamilie stammt (schon seine Großmutter hatte eine Hausarztpraxis in Bielefeld).

Bei diesem Eingriff werde das Becken, wie der Name der OP verrät, an drei Stellen durchtrennt, sodass die Pfanne frei schwenkbar ist und über den Hüftkopf gezogen wird.

Bei Hüftdysplasie können Operationen helfen – unter anderem eine PAO

Er selbst biete am Westklinikum ein innovativeres Verfahren an, die sogenannte Periazetabuläre Umstellungsosteotomie, kurz PAO. „Dabei wird die Pfanne nicht vollständig aus dem Becken gelöst. Man kann also sagen: Ein Pfeiler bleibt bestehen, was für mehr Stabilität sorgt und dem Patienten früher ermöglicht, sich wieder zu bewegen“, sagt der Chefarzt.

Auch interessant

Auch interessant

Auch interessant

Grundsätzlich seien die Eingriffe immer komplex, man müsse die Betroffenen gut vorbereiten. „Es ist ja nicht nur die bis zu dreistündige Operation. Langwieriger ist die Nachsorge. Denn es dauert schon einige Wochen, bis man wieder vollständig belastbar ist.“

Krankenhaus Hamburg: Erfolgsbilanz nach Eingriffen bei Hüftdysplasie gut

Doch die Prognose sei gut: „Mehr als 80 Prozent haben zehn Jahre nach diesem Eingriff noch ihr eigenes Hüftgelenk, nach 30 Jahren ist es noch ein Viertel der operierten Patienten.“

Nun könne man sagen: Ja, aber ganz am Ende läuft es vielleicht doch auf eine künstliche Hüfte hinaus, oder? „Mag sein“, sagt der Chefarzt, „aber mindestens zehn weitere Jahre mit dem eigenen Gelenk können schon einen sehr großen Unterschied machen.“