Hamburg. Nach Botulismus und Vogelgrippe: Hamburgs gefiederte Wahrzeichen leiden unter neuem Problem – und ziehen sich in Kanäle zurück.

Dem ein oder anderen Spaziergänger an der Außenalster wird es schon aufgefallen sein: Von Hamburgs gefiederten Wahrzeichen, den Alsterschwänen, sind dort kaum mehr welche zu sehen. Und das liegt nicht daran, dass ihr Bestand in den letzten zwei Jahren durch Krankheiten wie Botulismus und Vogelgrippe von 120 auf weniger als die Hälfte geschrumpft ist.

Die stolzen Tiere haben neue Probleme: Um vor Wind und Wellen, praller Sonne oder auch dem Trubel auf der Alster Schutz zu finden, mussten sie sich in die Kanäle zurückziehen. Denn die Uferzonen entlang der Außenalster sind dafür an vielen Stellen nicht mehr gut geeignet. Von den einst dicht mit Schilf- und Sumpfpflanzen bewachsenen Schutzzonen sind oft nur noch Reste vorhanden.

Alster Hamburg: Schwäne nur noch selten auf Gewässer zu sehen

Nach Auskunft des Bezirksamts Hamburg-Nord wurden die Schäden durch Menschen mit Kanus und SUPs verursacht – aber auch durch die deutlich gestiegene Zahl der Gänse. Diese halten sich vor allem im Frühjahr während der Mauser und zur Aufzucht der Jungen scharenweise an Hamburgs Gewässern und in den Parks auf und fressen dort bevorzugt das sprießende Grün ab.

„Das ist genau die Zeit, in der die neu aufwachsenden Schilfpflanzen besonders empfindlich sind und in der Folge nachhaltig beeinträchtigt werden“, so Bezirksamtssprecher Alexander Fricke. Daher ließe sich in diesem Jahr tatsächlich ein Rückgang der Schilfbestände verzeichnen.

Gänse fressen Schilfpflanzen an Alster trotz Schutzvorrichtungen ab

Das ist an dem deutliche lichteren Schilf entlang des Alsterufers zu bemerken – besonders zwischen der Station der Wasserschutzpolizei und des ehemaligen US-Konsulats. Dort wurden vor wenigen Jahren käfigartige Drahtvorrichtungen angelegt, die junge Schilfpflanzen vor den Gänsen schützen sollten.

Gänse haben trotz der Schutzvorrichtungen die junge Schilfpflanzen gefressen:Übrig geblieben sind nur Sumpfpflanzen, die sie nicht mögen – die aber den Schwänen auch keine Rückzugsmöglichkeiten bieten.
Gänse haben trotz der Schutzvorrichtungen die junge Schilfpflanzen gefressen:Übrig geblieben sind nur Sumpfpflanzen, die sie nicht mögen – die aber den Schwänen auch keine Rückzugsmöglichkeiten bieten. © Friederike Ulrich (FMG)

Das hat nicht funktioniert. Die Gänse hätten sich einfach oben auf die Vorrichtungen gesetzt, und die herausragenden Sprösslinge abgefressen, heißt es. Das habe dazu geführt, dass das Schilf dort komplett eingegangen sei. Nur noch Sumpfpflanzen, die die Gänse nicht mögen, wachsen dort.

Bezirk Hamburg-Nord, Bäderland und Behörde sprechen über Vergrämung

Bereits 2018 hatte man beim Verein Gans Hamburg davon gesprochen, dass „die Obergrenze erreicht“ sei. Seitdem ist die Grauganspopulation weiter gestiegen. Im Frühsommer zählte der Hamburger Schwanenbeauftragte Olaf Nieß mehr als 2300 Graugänse auf der Alster. Jetzt, nachdem die Gänse und ihr flügge gewordener Nachwuchs die Stadt wieder verlassen haben, sind es immer noch mehr als 600.

Offiziell spricht niemand von einer „Gänse-Plage“. Doch sowohl das Bezirksamt Hamburg-Nord als auch Bäderland – dort lassen sich die Gänse vermehrt in den Freibädern nieder – bestätigen Gespräche mit der Umweltbehörde über eine mögliche Vergrämung der Gänse.

Bäderland: Bademeister entfernen morgens Hinterlassenschaften der Gänse

Es muss also doch eine Problemlage geben. Bäderland-Sprecher Michael Dietel gibt zu: „Unsere Bademeister kümmern sich morgens um die Hinterlassenschaften der Gänse. Das gehört eigentlich nicht zu ihren Aufgaben und ist auch nicht schön – aber eigentlich wollen wir doch Natur in der Stadt.“

So wie hier im Eichenpark halten sich im Frühsommer Hunderte Gänsepaare mit ihrem Nachwuchs entlang der Alster und in den Kanälen auf.
So wie hier im Eichenpark halten sich im Frühsommer Hunderte Gänsepaare mit ihrem Nachwuchs entlang der Alster und in den Kanälen auf. © Elisabeth Jessen

Dennoch kann es auch mal zu viel werden. Beispielsweise am Stadtparksee. Da seien bereits Flaggen aufgestellt worden, um die Tiere zu verscheuchen, und Unterwasserpflanzen abgemäht, um ihnen weniger Nahrung zu bieten. Auch, andere Fischarten einzusetzen, sei schon diskutiert worden, so Dietel.

Im Naturbad Kiwittsmoor hat sich besondere Vergrämungsmethode bewährt

Aber die Maßnahmen könnten auch Probleme verursachen. „Die Pflanzen sind wichtig für die Filtration und damit die Wasserqualität. Außerdem müssen wir den Naturschutz beachten und wollen ja auch den Lebensraum der vielen andere Tiere im Stadtparksee nicht zerstören.“

Im Naturbad Kiwittsmoor hat sich eine Form der Vergrämung bewährt, die relativ simpel ist, sich aber nur für überschaubare Flächen eignet: Dort sorgt Ginger, die Schäferhündin von Badleiter Dirk Pommerening, seit diesem Jahr dafür, dass sich keine Enten und Gänse auf dem Gelände und im Wasser niederlassen. „Nur durch ihre Anwesenheit und indem sie bellt, wenn Wasservögel im Anflug sind“, beteuert Pommerening.

Alsterschwäne kriegen Nachwuchs – schlechtes Wetter ist „Erholungsphase“

Nicht alle Alsterschwäne sind in den Kanälen verschwunden. Am Schwanenwik und vor dem Alstercliff gibt es sogar zwei Paare, die Nachwuchs bekommen haben. Weitere Junge wurden im Eilbekkanal gesichtet. Olaf Nieß, Hamburgs Schwanenbeauftragter, schätzt die Zahl der Küken auf etwa zehn.

Das schlechte Wetter könnte sogar derzeit dazu beitragen, dass sie ungestört und gesund bleiben. Nieß spricht von einer Erholungsphase. „Die Alster wird weniger für die Freizeitgestaltung genutzt. Außerdem hat sich durch die Regenfälle der vergangenen Woche der Wasserstand normalisiert.“ Nachdem der Gewässerstand hamburgweit im Juni bereits dramatisch gesunken war, gebe es jetzt in der Alster wieder ausreichend Wasser mit guter Qualität.