Hamburg. Badeseile an Bäumen, niedergetrampelte Zaunanlagen, zerstörte Ufervegetation: Intensive Nutzung gefährdet Lebensräume.

Abgeknickte Schilfhalme, eingerissene Zäune, zurückgehende Vegetation am Ufer: Die warmen Tage, die in diesem Sommer wieder viele Hamburgerinnen und Hamburger mit ihren Hunden, Booten und Stand Up Paddeln (SUPs) auf und an die Außenalster locken, haben auch ihre Schattenseiten. Schwanenvater Olaf Nieß ist seit mehr als 30 Jahren auf dem Wasser unterwegs und beobachtet die Entwicklung.

Das dem Umweltdezernat des Bezirksamtes Hamburg-Nord angegliederte Schwanenwesen kontrolliert unter anderem den Gesundheitszustand von Wasserwild und überwacht dessen Lebensraum, ist für Tierschutzmaßnahmen und Gewässerüberwachung zuständig. Eine Bestandsaufnahme – die macht Schwanenvater Nieß regelmäßig.

Außenalster Hamburg: Natur hat Schaden genommen

Und er stellt fest: Die über rund 40 Jahre gewachsene Alsterbegrünung und Natur rund um das Gewässer hat besonders in den vergangenen zwei Jahren Schaden genommen. Die Probleme begannen verstärkt mit den Corona-Maßnahmen und dem folgenden größeren Zulauf. „Unser Problem sind die kontinuierlichen Schäden“, sagt Nieß bei einer Rundfahrt und zeigt auf einen Streifen am Ufer, in dem es kein Schilf mehr gibt.

Neben dem ästhetischen Mehrwert soll die Begrünung die Selbstreinigung des Gewässers verstärken und so die Wasserqualität heben. Außerdem bieten die großen Grünstreifen Brut- und Laichgebiete für Fische und Wasserwild wie Teichhühner oder Enten.

„Im Moment sieht es noch schön grün aus"

„Im Moment sieht es noch schön grün aus, aber wir verlieren immer mehr solcher Bereiche. Und irgendwann kann es passieren, dass ein Bereich komplett umkippt und binnen eines halben Jahres alles verschwindet“, sagt Nieß. Deswegen sei es so wichtig, die Hamburgerinnen und Hamburger jetzt für die Probleme zu sensibilisieren. Inzwischen gibt es mehrere solcher bedrohten Stellen.

Beim Einlassen von Booten wird der Uferbereich oftmals beschädigt.
Beim Einlassen von Booten wird der Uferbereich oftmals beschädigt. © THORSTEN AHLF / FUNKE FOTO SERVICES

Hinter den Statuen „Orpheus und Eurydike“ am Alsterufer nahe dem Fährdamm etwa blickt man auf ein leeres Wasserbecken zwischen den Schilfwannen. Hier werden oft Hunde zum Baden in die Alster gelassen. Zaunanlagen, die den Zugang zum Wasser im Bereich mit viel Grün begrenzen, werden dafür teilweise heruntergedrückt oder -getreten und so beschädigt.

Die Pflanzen gehen kaputt

Auch SUP-Fahrer fahren an dieser Stelle teilweise zu weit in die Halme hinein, um beispielsweise Bilder zu machen. „Diese 20 Schilfhalme sind im Einzelnen erst mal egal, aber dadurch laufen uns die Pflanzen voll Wasser und gehen kaputt“, erklärt Nieß. Jährlich verschwinde hier Stück für Stück Schilf, inzwischen auf einer Länge von knapp 20 Metern. Um gegenzusteuern, wurden inzwischen an mehreren Orten Steine nahe dem Schilf platziert, um den Zugang wasserseitig zu begrenzen.

Und auch Rasenflächen am Ufer wurden in den vergangenen Jahren beschädigt: Dort, wo es SUP-Vermietungen oder mobile Kanuleihstationen gibt und entsprechend viele Sportgeräte übers Grün gezogen werden, sind Böschung und Gras teilweise ganz verschwunden und nur noch Erde am Alsterrand übrig.

Sensibler Umgang wichtig

So etwa an einem Strich zwischen Bellevue und Rondeelkanal, wo an diesem Mittag gerade eine Familie mit einem kleinen Kind ihr aufblasbares Boot vorbereitet. „Das breitet sich aus“, sagt Nieß. „Es wird immer mehr, und wir schaffen es irgendwann nicht mehr, gegenzusteuern. Was wir anpflanzen, braucht ja einige Jahre.“

Kleine Zäune in Ufernähe sollen die Lebensräume schützen.
Kleine Zäune in Ufernähe sollen die Lebensräume schützen. © THORSTEN AHLF / FUNKE FOTO SERVICES

Und auch bei scheinbar robusterer Alsterbegrünung ist ein sensibler Umgang wichtig: Zwischen Eichenpark und Leinpfad zeigt Nieß auf einen schräg stehenden Baum, die Äste hängen knapp über dem Wasser, einzelne Blätter berühren es schon. Hier wurde ein Seil gespannt, von dem aus sich Menschen in die Alster schwangen. In Zusammenarbeit mit der Polizei wurde es abgeschnitten, um zu vermeiden, dass der Baum ganz abknickt.

Massen stören Tiere auf der Alster

An einem anderen Baum auf Höhe der Einfahrt Goldbekkanal an der Bellevuebrücke ist ein rot-weißes Kanu mit einem Seil festgemacht. Oft würden aber auch Eisenketten zur Sicherung benutzt, erzählt Nieß. Wenn Boot und Ketten sich durch die Wellen bewegen, wird die Rinde abgerieben und zerstört. So anscheinend auch hier: Die obere Rindenschicht unter dem Seil ist sichtbar beschädigt, eine hellere zwischen den Ästen bereits freigelegt.

Gegen 13 Uhr fährt eine Gruppe von 15 Stand-up-Paddlern in bunten T-Shirts hintereinander vom Rondeelkanal auf die Außenalster. Die Massen, die gerade im Sommer auf die Kanäle strömen, stören die hier lebenden Teichhühner, Schwäne, Haubentaucher und Schilfrohrsänger. Der einzelne Fahrer und die einzelne Gruppe seien dabei nicht das Problem, erklärt Nieß: Ein Paddler auf einem Board verursache keinen Schaden. Dass die Belastung durch Menge entsteht, macht der Schwanenvater mit diesem Beispiel deutlich: „Das ist so, als wenn alle 20 Minuten eine Wandergruppe mit 15 Leuten durch unser Wohnzimmer marschiert.“

Einstiegsstelle­n rund um die Alster geplant

Dabei ist die Lösung zumindest für einen Teil der Probleme recht einfach: Wichtig sei es, dass die Hamburgerinnen und Hamburger nicht aus Grünanlagen oder Böschungen aufs Wasser gehen, auch wenn sich dort schon andere Personen aufhalten.

„Unsere große Bitte ist: Boote und SUPs dort einzusetzen, wo bauliche Maßnahmen wie Stege vorhanden sind“, sagt Nieß. Etwa am Fährdamm im Alsterpark oder dem Steg im Eichenpark. In naher Zukunft sollen weitere Einstiegsstelle­n rund um die Außenalster geschaffen werden, dafür werde gerade beobachtet­, wo es die meiste Bewegung am Wasser gibt und weitere Stege für den Publikumsverkehr Sinn machen.

Außenalster Hamburg "sehr sensibler Lebensraum"

„Wir haben es hier mit einem sehr sensiblen Lebensraum zu tun, weil er eingeschränkt ist“, sagt Nieß. „Wir haben hier Wasser und oben 20 Meter weiter eine Straße. Dazwischen müssen wir irgendwie einen Naturraum eingebaut kriegen.“

Den Behörden gehe es nicht um Verbote: „Es ist toll, dass wir so ein Gewässer mitten in der Stadt haben, das wir alle nutzen können. Es geht darum, dass wir das, was wir jetzt haben, erhalten.“