Hamburg. Bustour übers Gelände bietet spannende Einblicke. Dabei wird erklärt, weshalb hier die Pflanzen später blühen als im Rest der Stadt.
Der Club der aktiven Frauen hat sich an diesem Tag einmal etwas ganz anderes überlegt: Statt in Kunstausstellungen geht es auf eine Busrundfahrt über den Ohlsdorfer Friedhof im Bezirk Hamburg-Nord. Klingt ein wenig sonderbar, ist es für die zwölf Seniorinnen und die anderen eher betagten Tourgäste aber überhaupt nicht.
Sicher, sie interessieren sich durchaus für Baumgräber, den Ohlsdorfer Ruhewald, für Paar-Anlagen, in denen Paare gemeinsam bestattet werden. Und dennoch geht es vielen Besuchern des Parks eher um die Pflanzen, die Tierwelt, den Wildblumen- oder den Schmetterlingsgarten – als darum, sich schon einmal eine Grabstätte auszusuchen.
Friedhof Ohlsdorf: 15 überraschende Fakten über Hamburgs größte Parkanlage
Noch bis Oktober gibt es regelmäßig an Dienstagen, Donnerstagen und Sonnabenden zweistündige, kostenlose Busrundfahrten. Die genauen Termine: Sonnabend, 10.6., 26.8. jeweils 12 Uhr, Donnerstag, 22.6., 13.7., 7.9., jeweils elf Uhr, Dienstag, 17.10., elf Uhr.
Anmeldung unter rundfahrt@friedhof-hamburg.de oder per Telefon unter
040-59 38 80.
Das Abendblatt war bei der Busfahrt dabei und stellt 15 Fakten über diesen besonderen Hamburger Friedhof vor, die Sie vielleicht überraschen.
1. Auf dem Friedhof blühen Pflanzen später als im Rest der Stadt
„Die Natur in Ohlsdorf hängt immer ein wenig hinterher zum Rest der Stadt“, sagt Tourguide Andreas Bunkus, die Rhododendren oder Azaleen blühen später als woanders. Denn auf dem Ohlsdorfer Friedhof ist es im Schnitt zwei Grad kühler als in den verbauten Stadtvierteln. Da es innerhalb der Anlage so gut wie keine Wärmeabstrahlung gibt, herrscht ein uneingeschränkt gutes Binnenklima mit ungewöhnlich sauberer Luft.
2. Friedhof Ohlsdorf ist der größte Parkfriedhof Europas
„Man kann sich hier schnell verlaufen“, sagt Andreas Bunkus. „Aber bisher ist niemand verloren gegangen.“ Der Park ist 389 Hektar groß, das entspricht 565 Fußballfeldern oder zweieinhalb Mal der Außenalster. Von West nach Ost sind es 3,8 Kilometer. Der Friedhof ist die größte Grünanlage Hamburgs.
3. Öffentliche Buslinien durchqueren den Friedhof
Zwei HVV-Buslinien durchqueren den Ohlsdorfer Friedhof. Mit Unterbrechungen in der Inflationszeit nach dem Ersten Weltkrieg und erneut von 1941 bis 1945 gibt es seit 1923 öffentlichen Personennahverkehr auf dem Friedhof. In den 1930er-Jahren wurde er von der Hamburger Hochbahn übernommen, das Straßennetz ist insgesamt 17 Kilometer lang.
4. Auf dem Friedhof Ohlsdorf leben acht Fledermausarten
Die Tier- und Pflanzenwelt ist sehr vielfältig. Kaum bekannt ist die Vielfalt der Fledermäuse und Insekten. In dem Park leben acht verschiedene Fledermausarten, 95 Vogelarten gibt es hier – darunter Eisvögel, Baumfalken, Eulen, Uhus. Außerdem fühlen sich dort wohl: Fuchs, Gelbhalsmaus, Feldhase, Mauswiesel, Steinmarder, Rehe. So viel Natur lockt zahlreiche Tierliebhaber auf den Friedhof Ohlsdorf, die zum Beispiel in aller Herrgottsfrühe eine vogelkundliche Führung mitmachen können.
5. Hier ist der dunkelste Ort Hamburgs
Warum es auf dem Ohlsdorfer Friedhof besonders dunkel ist, liegt auf der Hand: Hier gibt es kaum Lichtverschmutzung. „Hier herrscht nachts totale Dunkelheit“, weiß Andreas Bunkus. Auf dem Ohlsdorfer Friedhof stehen nur an den asphaltierten Hauptstraßen Straßenlaternen. Diese sind mit einem Dämmerungsschalter versehen – gehen also nur in der Dunkelheit an. Nach der Schließung des Friedhofs gehen die Lampen grundsätzlich aus.
6. In einem Bereich des Geländes sind nur weiße Blumen erlaubt
Paare, die auch nach dem Tod zusammen sein wollen, können sich in einer Paar-Anlage bestatten lassen. „In diesem Bereich ist der Ohlsdorfer Friedhof Pionier und hat die erste Paar-Anlage überhaupt“, sagt Andreas Bunkus. Es gibt unter anderem Paar-Bäume: Dort werden Urnen und Särge in Doppelgräbern unter dem Rasen bestattet.
Ganz neu ist die Paar-Anlage Weißer Garten – dort blühen ausschließlich weiße Pflanzen. Die Farbe Weiß symbolisiert Reinheit, Frieden, Unschuld und Neuanfang. Und in der kalten Jahreszeit blüht es dennoch weiß – geschmiedete Lilien mit weiß abgesetzten Blüten sind total wetterunempfindlich und blühen das ganze Jahr.
7. Auf dem Ohlsdorfer Friedhof gibt es Hamburgs einzige Trauerhaltestelle
Huch, ein mit Kritzeleien verunstaltetes Gebäude auf einem Friedhof? Wer macht denn so etwas? Bloß nicht aufregen, die Kritzeleien sind durchaus erlaubt, sogar erwünscht. Denn die von den Architektinnen Solveig Schacht und Mareile Höring konzipierte Trauerhaltestelle soll eine ganz andere und neue Form des Gedenkens bieten, unkonventionell – ohne pietätlos zu sein.
Die fünf mal neun Meter große Trauerhaltestelle spielt mit Lichteinfällen und thematisiert Vergänglichkeit, indem die Trauernden Inschriften mit Kreide hinterlassen können, die witterungsbedingt wieder verschwinden.
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8. Hier dürfen Mensch und Tier über den Tod hinaus zusammenbleiben
Im Osten des Parkfriedhofs können sich Menschen seit 2020 gemeinsam mit ihren Haustieren bestatten lassen. Hund oder Katze gelten dabei als Grabbeigabe und werden in einer Urne beigesetzt. Ihre Einäscherung erfolgt in einem Tierkrematorium.
9. Auf dem Friedhof Ohlsdorf gibt es 36.000 Bäume
Seit der Pflanzung von Hecken um 1840 und Bäumen 1875 ist eine Vielzahl von Gehölzen in großer Artenauswahl gepflanzt worden. Die Vielfalt umfasst etwa 300 Laubgehölz- und etwa 150 Nadelgehölzarten. Rund 36.000 Bäume gibt es hier. „2000 davon sind über 100 Jahre alt“, so Tourguide Andreas Bunkus.
10. Der Ohlsdorfer Friedhof gilt als Freizeitparadies
Hunde sind zwar nicht erlaubt, aber sonst gibt man sich auf dem Ohlsdorfer Friedhof recht liberal, solange es nicht allzu sehr ausufert, individuell ausgeführt wird und nicht in großen Gruppen: Joggen ist dort ebenso erlaubt wie Yoga, Tai-Chi oder Radfahren.
Menschen nutzen Friedhöfe nicht allein als Orte der Trauer, sondern zunehmend auch für Erholung und Freizeit. Mit dem Projekt „Ohlsdorf 2050“ soll der Friedhof fit gemacht werden für die Zukunft – dem neuen Zeitgeist entsprechend.
Denn mit dem Anstieg der Urnenbeisetzung auf 80 Prozent wird weniger Friedhofsfläche benötigt. 120 von 389 Hektar sollen langfristig als Friedhof weitergeführt werden, die übrigen Flächen zu einem Friedhofspark werden.
11. Auf dem Friedhof gibt es Orte für Schmetterlingsfreunde
In einem Bereich des Friedhofs Ohlsdorf muss jedes Grabmal mit einem Schmetterlingsmotiv geschmückt sein. Schmetterlingssträucher wie Flieder, Rose und Lavendel sind dort angepflanzt, die die Falter im Sommer anlocken.
Hintergrund: Der Schmetterling ist ein traditionelles Auferstehungssymbol. Die sich verpuppende Raupe verfällt in ihrem Kokon, der als Sarg gedeutet wird, in einen todesähnlichen Schlaf, aus dem sie als Schmetterling aufersteht. Seit Herbst 2006 besteht mit dem Schmetterlingsgarten eine weitere ähnliche Anlage.
12. Jugendliche können Freiwilliges Ökologisches Jahr leisten
Seit 1997 können Jugendliche auf dem Friedhof ein Freiwilliges Ökologisches Jahr (FÖJ) leisten. Ihr Job unter anderem: Nisthilfen bauen und kontrollieren, Benjeshecken aus Totholz errichten, eine Eisvogelwand bauen, Insektenhotels schaffen, außerdem Schulklassen den Naturraum Friedhof bei Führungen näherbringen.
13. Besonderer Baum gedenkt Krebstoten
Der Baum der Erinnerung ist eine Sternmagnolie – sie soll an Menschen erinnern, die an Krebs verstorben sind. Die häufigsten Krebsarten wurden farbigen Bändern zugeordnet.
14. Über 500 Promis aus Hamburg finden hier ihre letzte Ruhe
Zuletzt wurde die Kiezgröße Klaus Barkowsky (1953–2023, der „schöne Klaus“) auf dem Friedhof Ohlsdorf bestattet. Und im vergangenen Jahr Uwe Seeler (1936–2022).
Weitere Prominente, die hier ihre letzte Ruhe gefunden haben, sind unter anderem: Alt-Kanzler Helmut Schmidt (1918–2015) und Ehefrau Loki (1919–2010), Domenica (1945–2009), eigentlich Anita Niehoff, die als Prostituierte und Domina in Hamburg gearbeitet hat, Schauspielerin, Regisseurin und Intendantin Ida Ehre (1900–1989), Literaturkritiker Hellmuth Karasek (1934–2015), Publizist Roger Willemsen (1955–2016), Sänger Roger Cicero (1970–2016), Schauspieler Hans Albers (1891–1960) und viele mehr.
In einer speziellen Dichterecke liegen norddeutsche Schriftsteller und Schauspieler begraben.
15. Friedhof Ohlsdorf in Hamburg hat eine eigene App
Die App „Friedhof Ohlsdorf“ dient Besuchern seit 2017 zur Orientierung. Sie enthält mehr als 700 Hinweise für besondere Orte, darunter 580 Prominentengräber mit Infos. Per GPS wird der eigene Standort ermittelt und angezeigt.