Hamburg. Anhänger lehnen Bluttransfusionen prinzipiell ab. Asklepios-Sprecher Mathias Eberenz erklärt, wie Ärzte damit umgehen.
Während Anwohner vor dem Haus der Zeugen Jehovas in Alsterdorf Blumen niederlegen, um der Todesopfer des Amoklaufs zu gedenken, kämpfen vier Schwerverletzte in Hamburg weiter um ihr Leben. Das teilte der Lagedienst der Polizei dem Abendblatt am Sonnabend mit.
Bei der grausamen Tat im Königreichssaal an der Deelböge erschoss der 35-jährige Philipp F. am Donnerstagabend sieben Menschen, darunter auch einen sieben Monate alten Fötus im Mutterleib, bevor er sich selbst mit einem Bauchschuss richtete.
Weitere acht Menschen wurden bei dem Angriff teils schwer verletzt. Zu ihnen zählt auch die Frau, die durch einen Schuss in den Unterleib ihr ungeborenes Kind verlor.
Amoklauf bei Zeugen Jehovas in Hamburg: Verletzte kämpfen um ihr Leben
Die "Unterstützungsstreife für erschwerte Einsatzlagen" (USE), eine für extreme Lagen geschulte Spezialeinheit der Polizei, war zufällig ganz in der Nähe des Geschehens und konnte den Angreifer nur wenige Minuten nach seinem Eindringen ins Gebäude stoppen. Sonst, da ist sich die Polizei sicher, hätte Philipp F. ein noch größeres Blutbad angerichtet.
In den Hamburger Asklepios Kliniken wurden und werden im Zusammenhang mit dem Amoklauf seit Donnerstagabend fünf leicht bzw. schwer verletzte Patienten behandelt. Das bestätigte Asklepios-Sprecher Mathias Eberenz auf Anfrage. Die Patienten seien vorab von der Leitstelle der Feuerwehr angekündigt worden.
"Vom Ablauf ist es so, dass die Feuerwehr bzw. die leitenden Notärzte die Klinik-Notaufnahmen über das sogenannte ,rote Telefon’ kontaktieren und Verletzte samt Schweregrad/Dringlichkeit ankündigen und gleichzeitig abfragen, welche Kapazitäten es gibt", beschreibt Eberenz die Notfallkette.
"Die Notaufnahmeleitungen kontaktieren bei einem zu erwartenden größeren Patientenaufkommen bzw. bei einem Massenanfall von Verletzten unverzüglich die Klinikleitungen, also Geschäftsführung, Ärztliche Direktion, Pflegedirektion", so Eberenz.
Zeugen Jehovas lehnen Bluttransfusionen prinzipiell ab
Die Klinikleitung berufe dann im Rahmen der Alarm- und Einsatzpläne die Krankhauseinsatzleitung (KEL) ein und sorge unter anderem dafür, dass je nach Lage zusätzliches Personal aus der Rufbereitschaft in die Klinik kommt. Dafür gibt es seinen Angaben zufolge entsprechende Meldesysteme/Verteiler. „Das hat auch am Donnerstag gut funktioniert“, sagt Eberenz.
Zeugen Jehovas lehnen Bluttransfusionen prinzipiell ab, was für ihre medizinische Behandlung kritisch sein kann. „Grundsätzlich wird immer im Sinne und gemäß dem Wunsch des Patienten behandelt. Ärzte sind daher verpflichtet, Patientenverfügungen zu respektieren“, sagt Eberenz.
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Oft gehe es dabei um lebensverlängernde Maßnahmen wie eine künstliche Beatmung, oder – wie im Fall der Zeugen Jehovas – um Bluttransfusionen, die abgelehnt werden.
„Gibt es keine Verfügung und kann ein Patient nicht explizit gefragt werden, zum Beispiel, weil er nicht bei Bewusstsein ist, muss der Arzt zum Wohle des Patienten handeln. Wenn sich Ärzte aus Gewissensgründen über eine Patientenverfügung oder den klar dokumentieren Willen des Patienten hinwegsetzen, müssen sie sich der juristischen Folgen bewusst sein“, so Eberenz.