Hamburg. Nach dem Amoklauf in Alsterdorf lobt Senator Andy Grote die Spezialkräfte, spricht über das Waffenrecht und das Motiv des Philipp F.

Er ist seit 2016 Hamburgs Innensenator: Andy Grote. In die Amtszeit des Sozialdemokraten fällt der Messerangriff von Barmbek im Juli 2017, als ein Asylbewerber einen Supermarktkunden erstach und fünf weitere verletzte. Nur drei Wochen zuvor war es zu den schweren Ausschreitungen beim G20-Treffen der wichtigsten Staats- und Regierungschefs gekommen – mit schlimmen Verwüstungen in der Stadt und einer Welle der Gewalt gegen Polizistinnen und Polizisten.

Aber einen Amoklauf wie den von Alsterdorf mit sechs ermordeten Zeugen Jehovas und einem im Mutterbauch erschossenen Ungeboren – „das kannten wir bislang nicht. Das ist die schlimmste Straftat, das schlimmste Verbrechen in der jüngeren Geschichte unserer Stadt“, sagt Innensenator Andy Grote. Im Interview mit dem Hamburger Abendblatt spricht Grote über die Tat, die Opfer, das Motiv und die Konsequenzen.

Herr Grote, sieben Menschen wurden erschossen, darunter ein ungeborenes Mädchen. Sie haben den Amoklauf von Alsterdorf ein grauenvolles und grausames Verbrechen genannt. Wie gehen Sie mit der entsetzlichen Tat um und verarbeiten die furchtbaren Bilder?

Andy Grote: Das sind sehr tiefe, intensive Eindrücke, die in einem arbeiten. Viel mehr mit dem Erlebten zu kämpfen haben aber die Einsatzkräfte von Polizei, Feuerwehr und Hilfsorganisationen, die unmittelbar beteiligt waren. Eine solche Dimension macht selbst sehr erfahrenen Kolleginnen und Kollegen zu schaffen. Ich bin sehr froh, dass unsere psychosoziale Notfallbetreuung sofort zur Stelle war und sich weiter professionell kümmert. Gleichzeitig hilft es natürlich auch hier, dass so viele Menschen gerettet werden konnten.

Wie geht es den Opfern?

Grote: Wir machen uns immer noch große Sorgen um mehrere der Verletzten, die schwere Schusswunden erlitten haben und weiterhin in Lebensgefahr schweben.

Was wissen die Ermittlungsbehörden inzwischen über das Motiv des Täters?

Grote: Im Moment deutet alles darauf hin, dass das Motiv in der Beziehung zwischen dieser Gemeinde der Zeugen Jehovas und dem Täter als ehemaligen Mitglied dieser Gemeinde begründet liegt.

Dass nicht noch mehr Menschen sterben mussten, ist vermutlich der Spezialeinheit USE zu verdanken, die fünf Minuten nach dem ersten Notruf am Tatort eintraf, sofort das Gebäude stürmte, den Täter isolierte, so dass der Mann Selbstmord beging. Entsteht aus diesem Erfolg nicht die Verpflichtung, die USE noch länger auf die Straße zu bringen statt wie bislang von montags bis donnerstags von 12 bis 22 Uhr?

Grote: Die Kräfte der USE haben hier einen herausragenden Job gemacht. Dass bei einer Amoktat durch sehr schnelles Einschreiten noch so viele Menschen gerettet werden können, gelingt sehr selten. Das relativ neue Konzept der sehr interventionsfähigen USE als Bindeglied zwischen dem normalen Streifendienst und dem – immer erst zu alarmierenden – SEK ist ein absolutes Erfolgsmodell und hat sich auch schon in vielen Einsätzen sehr bewährt. Aber wir sind sicher gut beraten, auch nach einem so erfolgreichen Einsatz, die Einsatzkonzeption nochmals zu überprüfen und gegebenenfalls weiterzuentwickeln.

Der Täter besaß – legal – eine halbautomatische Waffe, mit der er in rund zehn Minuten 135 Schüsse auf seine Opfer abgab. Ist es nicht an der Zeit, den Besitz solcher Waffen für Privatleute zu verbieten?

Grote: Der aktuelle Gesetzentwurf zur Verschärfung des Waffenrechts sieht ein solches Verbot für sogenannte Langwaffen, also insbesondere Gewehre, bereits vor. Es ist gut, dass jetzt nochmals überprüft wird, ob die geplanten Änderungen ausreichen.

Es gab einen anonymen Hinweis auf eine mögliche psychische Störung des späteren Täters. Offensichtlich hat die Waffenbehörde bei ihren Recherchen alles richtig gemacht mit Blick auf die Rechtslage. Mit Blick auf die Tat aber nicht. Drängt sich hier nicht eine Verschärfung des Waffenrechts auf mit dem Ziel, Waffenscheine oder -besitzkarten leichter entziehen zu können?

Grote: Wir müssen möglichst verhindern, dass Waffen überhaupt in die Hände von Menschen mit psychischen Erkrankungen gelangen. Die entscheidende waffenrechtliche Änderung ist deshalb die vorgesehene generelle Verpflichtung, schon vor der Erteilung einer Waffenerlaubnis ein amtsärztliches oder psychologisches Zeugnis vorzulegen. Eine erst mal erteilte Erlaubniss nachträglich wieder einzuziehen, ist im Vergleich dazu immer deutlich schwieriger.