Hamburg. SPD-Mitglieder werfen Werner-Boelz vor, nach Gutsherrnart grüne Ziele durchzusetzen. Knackpunkt ist die Verkehrspolitik.

In Hamburg-Nord scheint es in der Koalition zu knirschen. Nicht zwischen den Fraktionsspitzen. Aber mit Sebastian Haffke und Martina Schenkewitz üben gleich zwei SPD-Abgeordnete aus der Bezirk scharfe Kritik an der Arbeitsweise von Bezirksamtsleiter Michael Werner-Boelz, der früher mit ihnen in der Bezirksversammlung saß und dann vom Chef der Grünen-Fraktion zum Chef des gesamten Bezirks aufstieg.

Die Anschuldigen wiegen schwer. „Im Koalitionsvertrag haben Grüne und SPD festgelegt, dass Gemeinsamkeit die Basis der parlamentarischen Zusammenarbeit sein soll“, sagt Haffke, Verkehrsexperte und Sprecher für den Regionalausschuss Eppendorf-Winterhude. Doch die Zusammenarbeit mit dem Bezirksamtsleiter sei keine Politik auf Augenhöhe. „Wir bewegen nichts gemeinsam, weil das Bezirksamt die Pläne vorgibt, die wir oft zu spät oder manchmal auch gar nicht vorher zur Kenntnis bekommen.“

Hamburg-Nord: Läuft nicht rund bei Fußverkehrsstrategie

Jede weitere Beteiligung von Abgeordneten oder Bürgern, die darüber hinausgehe, müsse erkämpft werden. Oft gebe es eine Pressemitteilung zu einem Thema, das im Ausschuss noch gar nicht behandelt wurde – gerade etwa über die Ergebnisse des gemeinsam in der letzten Legislaturperiode auf den Weg gebrachten Klimaschutzkonzepts. „Dass das Bezirksamt allein die Politik der Koalition nach außen trägt, ist schon ungewöhnlich“, so Haffke.

Auch bei der Fußverkehrsstrategie, die derzeit in Hoheluft-Ost als Pilotprojekt umgesetzt und wegen des damit verbundenen Schrägparkverbots von vielen Anwohnern kritisiert wird, läuft laut Haffke nicht alles rund. „Natürlich brauchen Fußgänger hier in einigen Bereichen mehr Platz. Und natürlich müssen die gesamten Kreuzungen frei gehalten und vor Falschparkern geschützt werden. Doch die so oft vom Bezirksamtsleiter betonte Beschwerdelage gibt es nicht.“ Er sei seit 2019 mit der Polizei im Austausch und habe erfahren, dass sich früher nur ein einziger Radfahrer über Schrägparker beschwert habe, das aber mehrfach. „Seit einiger Zeit liegen der Polizei aber keine Beschwerden mehr vor.“

Bewohnerparken: Richtlinien weniger streng auslegen

Dafür, dass das Auto ein so erfolgreiches und offenbar nicht einfach zu ersetzendes Verkehrsmittel sei, gebe es gute Gründe. Etwa lange Arbeitszeiten und lange Arbeitswege. Gerade in Eppendorf, Winterhude und Hoheluft-Ost gebe es viele Pendlerinnen, die in Praxen oder Boutiquen klassische Halbtagsjob ausübten und mittags einen längeren Weg nach Hause zu den Kindern hätten.

„Das kann man nicht einfach ignorieren und konfrontativ das Bewohnerparken einführen – ohne Ausnahmen für Berufstätige oder Gewerbetreibende.“ Auch diese litten unter den strengen Richtlinien des Bewohnerparkens, die – da ist sich Haffke sicher – deutlich weniger streng ausgelegt werden könnten, als es die grüne Verkehrsbehörde in Hamburg tue.

Was auch niemand erwähne: Der SPD sei es zu verdanken, dass im Zuge der Fußverkehrsstrategie nicht nur breitere Gehwege geschaffen wurden, sondern diese auch auf mittlerweile fast 700 Meter Länge mit neuen Platten belegt wurden. „Fußgänger brauchen ja nicht nur mehr Platz. Sie wollen sich auch sicher fortbewegen können.“ Was ihm unverständlich sei, dass das Bezirksamt es dagegen abgelehnt habe, die Husumer Straße durch das Abschleifen des Kopfsteinpflasters komfortabler für Radfahrer zu machen. Diese würden nämlich jetzt die breiten Fußwege benutzen.

Langenhorn: Einwände werden „nach Gutsherrenart abgebügelt“

Fahrradfahrer haben auch an der Tangstedter Landstraße das Nachsehen. Dort sind die Radwege nach wie vor in einem desolaten Zustand, weil sich der Bezirk, der dort Fahrradwege in Normbreite anlegen wollte, und eine Initiative, die das wegen des Verlusts von 200 Parkplätzen verhindern wollte, nicht einigen konnten.

„Ich verstehe, dass das Bezirksamt einen teuren Bürgerentscheid verhindern wollte und jetzt erst einmal abwartet“, sagt die SPD-Bezirksabgeordnete Marina Schenkewitz, die sich überwiegend in Langenhorn engagiert. „Was ich aber während der eineinhalbjährigen Verhandlungsphase nie verstanden habe, war der Umgang des Bezirkschefs und seiner Verwaltung mit den Menschen hier in Langenhorn.“

Martina Schenkewitz setzt sich in der Bezirksversammlung für ihren Wahlkreis Lagenhorn ein.
Martina Schenkewitz setzt sich in der Bezirksversammlung für ihren Wahlkreis Lagenhorn ein. © SPD Hamburg-Nord

Denn ob bei den Gesprächen bezüglich der Tangstedter Landstraße, im Fall der umstrittenen Bebauung des Diekmoors oder des langen Kampfs von Anwohnern gegen den lärm- und chaosverursachenden Verkehr von Besuchern des Coffee to fly: „Einwände werden stets nach Gutsherrenart abgebügelt. Weder die Menschen in meinem Wahlkreis noch ich haben den Eindruck, dass sich im Bezirksamt jemand für ihre Sorgen und Nöte interessiert.“

Bezirksamtsleiter Werner-Boelz reagiert gelassen auf Kritik

Zumal es zahlreiche kleinere Missstände gebe, deren Behebung eigentlich schon lange beschlossen, aber immer noch nicht umgesetzt sei: Nach wie vor versperrten zwei an Ketten hängende Balken den Zugang zum Tarpenbekwanderweg. Noch immer gebe es an der Ecke Reekamp/Wördermoorweg keine Beleuchtung für die Schulkinder, die dort über die Straße gehen. Und auch der Weg zur Schule Eberhofweg sei noch immer nicht instand gesetzt. „Es wird nur das umgesetzt, was den Zielen der Grünen entspricht“, sagt Schenkewitz. „Aber wir sind schließlich Koalitionspartner und investieren sehr viel Zeit in unser Ehrenamt.“

Bezirksamtsleiter Michael Werner-Boelz­ geht gelassen mit der Kritik um. „Aus meiner Sicht gestaltet sich die Zusammenarbeit zwischen dem Bezirksamt und der Koalition aus Grünen und SPD äußerst konstruktiv und vertrauensvoll“, sagt er.

Es könne sein, dass „einzelne Abgeordnete mit gemeinsam getroffenen Entscheidungen weniger zufrieden“ seien. Das sei aber normal im politischen Alltag. „In der Sache sollte es weniger um persönliche Befindlichkeiten gehen als darum, angesichts der enormen Herausforderungen, vor denen wir stehen, die besten Lösungen für die Menschen in unserem Bezirk zu finden und umzusetzen.“