Hamburg. Kollektiv beendet jahrelange Zusammenarbeit mit Stadt und Bayerischer Hausbau. Wie diese und Kaufinteressent Saga reagieren.
Geplant waren rund 200 Wohnungen, davon mehr als 60 Prozent öffentlich gefördert, ein Hotel und Flächen für Gewerbe sowie den Musikclub Molotow: Das Paloma-Viertel auf St. Pauli sollte eine der spektakulärsten Projektentwicklungen in Hamburg werden. Hier standen einst die legendären Esso-Hochhäuser.
Die Bayerische Hausbau, die zu der in München ansässigen Schörghuber-Gruppe gehört, kaufte das Ensemble vor 15 Jahren. 2014 wurde es abgerissen, genauso wie die Kulttankstelle. Seitdem klafft am einst berühmten Ort eine unrühmliche 6100 Quadratmeter große Baulücke.
Ehemalige Esso-Häuser: Planbüro macht nicht mehr mit
Die Planbude wurde 2014 gegründet, um die „Wunschproduktion“ für die neuen Esso-Häuser zu organisieren und im Auftrag des Bezirks die Anliegen der Bewohner im Stadtteil zu vertreten. Doch nach zehn Jahren schmeißt die Planbude jetzt hin. Das teilten deren Macher am Mittwoch in folgenden Worten mit: „Die Argumente sind ausgetauscht: Zehn Jahre nach dem aufwendigsten und gründlichsten Beteiligungsverfahren auf dem Planeten, nach ‚Knack’ den St. Pauli Code‘, Planbude, Wunschproduktion, Verhandlung, Eckpunktepapier, Architekturwettbewerb, städtebaulichem Vertrag, millionenschweren Subventionszusagen der Stadt und gültigem Bebauungsplan – tritt die Bayerische Hausbau all das in die Tonne.“
Paloma-Viertel auf St. Pauli: Darum steigt die Planbude aus
Die Planbude nennt den Grund für die Kündigung der Zusammenarbeit mit der Bayerischen Hausbau und der Stadt Hamburg: „Schörghuber-Erbe Florian übernimmt das Ruder im Konzern und schrumpft bei eingetrübter Baukonjunktur die Abteilung für Projektentwicklung auf ein Achtel. Längst hat die Bayerische Hausbau das Fachpersonal entlassen.“
Christoph Schäfer von der Planbude erläutert: „Für uns ist ganz klar, dass die Pläne der Bayerischen Hausbau nicht weiterverfolgt werden. Diesen gingen jahrelange Arbeit und Abstimmung voraus. Wir wollen uns nun nicht weitere zehn Jahre mitansehen, wie das Vorhaben schlechtgeredet wird. Unsere Arbeit ist hier erledigt.“ Laut Planbude sei offensichtlich, dass sich mit dem neuen Chef die Konzernpolitik der Bayerischen Hausbau ändere. „Die Abteilung zur Projektentwicklung wurde quasi eingestampft“, so Schäfer weiter.
Planbude: „Der Druck auf die Stadt Hamburg ist nun groß“
Bereits im vergangenen Herbst war bekannt geworden, dass die Bayerische Hausbau das Projekt verkaufen will und Verhandlungen mit der Saga aufgenommen hat. Für Schäfer liegt der Grund dafür, dass die ursprünglichen Pläne nicht weiterverfolgt werden, vor allen Dingen in der Kostenentwicklung der Baubranche. „Vieles von dem, was geplant war, insbesondere die Bereiche, die Geld bringen, lassen sich derzeit nicht umsetzen“, so Schäfer. „Das benennt nur keiner.“
Da es sich um ein prominentes Grundstück handelt, sei die Stadt bereit, Kompromisse einzugehen. „Der Druck für die Stadt ist groß. Und damit an der Baugrube überhaupt irgendetwas passiert, wird sie Zugeständnisse machen. Und an dieser Stelle sind wir dann raus“, so Schäfer weiter.
St. Pauli: Megafonchor am „Platz der leeren Versprechungen“
Die Planbude verabschiedet sich mit einem Dank „an alle, die mitgeplant, gedacht, gestritten und entwickelt haben“. Aus den Beiträgen von 2300 Personen sei der Entwurf entwickelt worden. Die Planbude bedankt sich auch bei den Mieterinnen und Mietern der Esso-Häuser, die seit 2020 hätten zurück sein können im Neubau am Spielbudenplatz. „Ohne euren Kampfgeist wär nichts passiert“, sagt die Planbude.
Linksfraktion: „Das ist ein Tiefschlag für St. Pauli“
Umso nötiger scheint eine schon vor dem Ausstieg der Planbude für den 4. und 5. Oktober geplante Veranstaltung zu sein: An den beiden Tagen will ein Megafonchor dort, am „Platz der leeren Versprechungen“, wie ihn die Organisatoren nennen, ein Comeback feiern, um musikalisch auf die Baumisere hinzuweisen.
Zum Aus der Planbude äußerte sich auch Heike Sudmann, stadtentwicklungspolitische Sprecherin der Linken in der Bürgerschaft: „Die Planbude hat gezeigt, dass die Einbindung der Menschen vor Ort nicht nur möglich, sondern auch gewinnbringend ist. Gewinnbringend für den Stadtteil, für günstigen Wohnraum und für die soziale Infrastruktur. Wenn am Ende jetzt aber das Gewinnstreben der Investorin Bayerische Hausbau siegen sollte, ist das ein Tiefschlag für St. Pauli.“
Aus ihrer Sicht trägt dafür auch die Stadt Verantwortung, die der Bayerischen Hausbau zu viel habe „durchgehen lassen“.
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Paloma-Viertel: Wie geht es mit der Planung weiter – übernimmt die Saga?
Wie berichtet, hat die Bayerische Hausbau der Wohnungsgesellschaft Saga das Grundstück zum Verkauf angeboten. Das war im vergangenen Herbst. Bislang ist es jedoch nicht zu einem Ergebnis gekommen.
Saga-Sprecher Michael Ahrens bestätigt: „Die Saga prüft weiterhin ein mögliches Engagement unter der Maßgabe der Realisierung von öffentlich gefördertem Wohnungsbau. Wir bitten um Verständnis, dass wir mit Blick auf laufende Gespräche zum jetzigen Zeitpunkt keine darüber hinausgehenden Aussagen treffen.“
Auch die Bayerische Hausbau äußert sich nicht konkret zur aktuellen Entwicklung. Sprecher Oliver Gruss teilte aber mit: „Vor dem Hintergrund der veränderten Rahmenbedingungen in der Immobilienwirtschaft steht die Bayerische Hausbau Development in regelmäßigem Austausch mit Politik und Verwaltung. Unser gemeinsames Ziel ist, das Paloma-Viertel voranzubringen, und wir sind gerne Teil einer für alle gang- und tragbaren Lösung.“ Zu den Inhalten der laufenden Gespräche mir der Saga werde man sich zum aktuellen Zeitpunkt nicht äußern.