Hamburg. Zwei Klimaaktivisten der Letzten Generation haben das Eingangsportal orange eingefärbt. Zuvor hatte Rot-Grün Gespräche ausgesetzt.
Einen Tag vor dem Besuch des britischen Königs Charles haben Klimaaktivisten der Letzten Generation am Donnerstagmorgen einen Farbanschlag auf das Hamburger Rathaus verübt. Nach Angaben der Polizei besprühten zwei Männer kurz nach 9 Uhr das Eingangsportal aus zwei Feuerlöschern großflächig mit oranger Farbe.
Danach hätten sie ein Transparent entrollt mit der Aufschrift: „Artikel 20a Grundgesetz = Leben schützen“.
Letzte Generation bekennt sich zu Farbanschlag auf Hamburger Rathaus
Die Letzte Generation bekannte sich kurz darauf per Pressemitteilung zu der Aktion. Sie solle Bürgermeister Peter Tschentscher dazu bewegen, „die Bundesregierung zur Einhaltung der eigenen Gesetze und zum Schutz der Verfassung zu bewegen“. In Artikel 20a ist der Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen und der Tiere festgeschrieben.
Die beiden Aktivisten, von denen einer der Polizei bereits im Zusammenhang mit der Blockadeaktion auf den Elbbrücken bekannt war, seien aufs Kommissariat gebracht worden. Am Nachmittag kamen die beiden Täter wieder auf freien Fuß, weil keine Haftgründe vorliegen.
Noch am Vormittag wurde damit begonnen, die Rathausfassade mit Dampfstrahlern zu reinigen. Nach einer ersten Einschätzung der Polizei lege nicht mal eine Sachbeschädigung vor, weil die Farbe sich ohne Probleme und bleibenden Schaden von der Fassade entfernen ließ. Allerdings waren auch noch am Donnerstagabend Reinigungskräfte, um die Farbe zu lösen. Die beiden Täter könnten für die Reinigungskosten haftbar gemacht werden.
Tschentscher verurteilt Farbanschlag – Senatskanzlei stellt Strafantrag
Tschentscher verurteilte am Nachmittag die Aktion der Letzten Generation scharf. „Die Initiative diskreditiert sich als seriöser Gesprächspartner. Sie richtet sich mit dem Farbanschlag auf das Hamburger Rathaus gegen einen zentralen Ort unserer demokratischen Verfassung.“ Die Senatskanzlei habe Strafantrag wegen aller infrage kommenden Delikte gestellt.
Die Letzte Generation richte großen Schaden an und spalte die Gesellschaft. Tschentscher: „Die wiederholten Verkehrsblockaden führen zu zusätzlichen CO2-Emissionen und untergraben die gesellschaftliche Akzeptanz für den Klimaschutz in Deutschland.“ Die Straftaten der Letzten Generation seien „keine Kavaliersdelikte“ und müssten von der Justiz entsprechend sanktioniert werden.
Ähnlich äußerte sich Dennis Thering, Vorsitzender der CDU-Bürgerschaftsfraktion. Die Letzte Generation vergifte das Klima in der Gesellschaft. Er erwarte, „dass diese sogenannten Aktivisten dafür zur Rechenschaft gezogen werden, insbesondere auch finanziell“. Zudem müsse das Rathaus künftig rund um die Uhr besser gesichert werden.
Vor Farbanschlag: Rot-Grün setzt Gespräch mit Letzter Generation aus
Rot-Grün hatte zuvor ein zunächst vorgesehenes Gespräch mit der Letzten Generation im Rathaus ausgesetzt. Die Gruppe gehe „rücksichtslos“ vor und wolle einen „möglichst großen Schaden für Hamburg erzeugen“, teilte SPD-Fraktionschef Dirk Kienscherf auf Abendblatt-Anfrage mit. „Unsere Haltung ist deshalb ganz klar: Die Hamburger Politik lässt sich nicht erpressen.“
In diesem Geist hätten SPD und Grüne noch das erste Gespräch mit vier Aktivisten im Rathaus vor knapp zwei Wochen geführt und ihre Haltung deutlich gemacht, sagte Kienscherf. Aber: „Vor dem Hintergrund, dass die gefährlichen Eingriffe in den Straßenverkehr nun täglich stattfinden, sehen wir aktuell keinen Raum für ein Folgegespräch.“ Die Frage sei, was die Letzte Generation erreichen wolle: „Für Klimaschutz braucht es eine breite Akzeptanz in der Gesellschaft, doch mit der andauernden Nötigung von Verkehrsteilnehmern erweisen sich die Aktivisten einen Bärendienst.“
Ähnlich äußerte sich Grünen-Fraktionschef Dominik Lorenzen. Seine Partei sehe „wenig Möglichkeit für einen weiteren Austausch mit der Letzten Generation zum jetzigen Zeitpunkt“ und setzte deshalb die Gespräche mit den Klimaaktivisten aus.
Gericht: Elbbrückenblockierer aus Gewahrsam entlassen!
Das Landgericht Hamburg hatte am Mittwoch entschieden, dass zwei in Gewahrsam sitzende Blockierer umgehend entlassen werden müssen. Es gab damit den Beschwerden der beiden Aktivisten der Letzten Generation statt. Zuvor hatte das Amtsgericht Hamburg am Wochenende noch die Entscheidung der Polizei bestätigt, den 19-Jährigen und die 27-Jährige insgesamt zehn Tage bis zum kommenden Dienstag um Mitternacht in Gewahrsam zu lassen.
Nach Ansicht des Landgerichts liegen die gesetzlichen Voraussetzungen einer Ingewahrsamnahme zur Verhinderung von Straftaten nicht vor. Die zu verhindernde Tat müsse zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung unmittelbar bevorstehen, um eine Ingewahrsamnahme zu rechtfertigen. Dafür reiche nicht aus, dass sich die Betroffenen schon im vergangenen Jahr an ähnlichen Aktionen beteiligt hätten, entschied das Landgericht.
Polizei musste Klimaaktivisten von der Straße fräsen
Am vergangenen Sonnabend hatten Aktivisten der Letzten Generation sich kurz vor den Norderelbbrücken mit schnellbindendem Beton auf der Fahrbahn festgeklebt und die Straße zudem mit zwei Mietwagen blockiert. Da zudem der Elbtunnel das ganze Wochenende wegen Bauarbeiten auf der A 7 gesperrt war, brach der Verkehr in und um Hamburg herum für Stunden zusammen. Richtung Norden reichte der Stau bis zum Autobahndreieck Maschen zurück.
Obwohl die Polizei mit einem großen Aufgebot anrückte, dauerte es Stunden, bis Spezialkräfte die Blockierer von der Fahrbahn gefräst hatten. Währenddessen staute sich nicht nur der Verkehr, sondern auch die Wut mancher Auto- und Lkw-Fahrer: Einige reagierten aggressiv auf die Aktion, schlugen und traten die Blockierer und versuchten eigenhändig, diese von der Straße zu schleifen.
Aktivisten entschuldigten sich für Drohungen in Brief an Tschentscher
In der Woche davor hatte es zunächst danach ausgesehen, als würde sich die Lage etwas entspannen: Eine vierköpfige Abordnung der Letzten Generation entschuldigte sich bei einem ersten Treffen mit den Fraktionsspitzen von SPD und Grünen im Rathaus für die Anfang März ausgesprochene Drohung, die Letzte Generation werde für eine „maximale Störung der öffentlichen Ordnung sorgen“, sollten Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) und Vorsitzende mehrerer Bürgerschaftsfraktionen nicht auf Forderungen der Klimaaktivisten eingehen.
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Unabhängig von der Entschuldigung schlossen die Aktivisten nach dem Treffen im Rathaus allerdings weitere Störungen in Hamburg nicht aus.