Hamburg. “Letzte Generation“ legte am Wochenende erneut Hamburg lahm und kündigt nun weitere Störungen an. Geduld der Politik fast am Ende.
Nachdem Aktivisten der „Letzten Generation“ am Sonnabend mit einer Blockade der Elbbrücken gezielt für ein Verkehrschaos in und um Hamburg herum gesorgt haben, ist die Geduld der Politik in der Hansestadt mit den radikalen Klimaschützern fast am Ende.
„Die volle Härte des Rechtsstaates“, müssten die Aktivisten zu spüren bekommen, forderten die Oppositionsparteien CDU und AfD. Der rot-grüne Senat dürfe sich „nicht länger von diesen Chaoten auf der Nase herumtanzen lassen“, hieß es in nahezu wortgleichen Erklärungen.
Letzte Generation: Regierung hat kein Verständnis für Klimaaktivisten
Doch auch im Regierungslager gab es kein Verständnis für die Aktion: „Das war verantwortungslos von der ,Letzten Generation‘, insbesondere gegenüber den Menschen im Süden Hamburgs“, sagte SPD-Fraktionschef Dirk Kienscherf dem Abendblatt. „Die Aktivisten wollten wie angekündigt für maximalen materiellen Schaden sorgen, schaden damit aber dem Ansinnen des Klimaschutzes, weil selbst Menschen mit Sympathie für dieses Ziel auf Distanz gehen.“
Auch Grünen-Fraktionschef Dominik Lorenzen sagte, er habe „kein Verständnis“ für die Aktion, ebenso wie für die Blockade der Köhlbrandbrücke wenige Tage zuvor. Er und Kienscherf betonten, dass die Stadt sich nicht erpressen lasse und „keine Verhandlungen“ mit der „Letzten Generation“ führe. Dass es zu einem weiteren informellen Gespräch komme, sei nach diesem Wochenende weniger wahrscheinlich geworden, sagte Kienscherf – was Lorenzen bestätigte: „Wenn die ,Letzte Generation‘ die Situation weiter eskalieren lässt, machen selbst vertrauliche Gespräche keinen Sinn mehr.“
Verkehr um Hamburg brach stundenlang zusammen
Die Aktivisten hatten sich am Sonnabendmittag kurz vor den Norderelbbrücken mit schnellbindendem Beton auf der Fahrbahn festgeklebt und die Straße zudem mit zwei Mietwagen blockiert. Da zudem der Elbtunnel das ganze Wochenende wegen Bauarbeiten auf der A 7 gesperrt war, brach der Verkehr in und um Hamburg herum für Stunden zusammen. Richtung Norden reichte der Stau bis zum Autobahndreieck Maschen zurück.
Obwohl die Polizei mit einem großen Aufgebot anrückte, dauerte es Stunden, bis Spezialkräfte die Blockierer von der Fahrbahn gefräst hatten. Währenddessen staute sich nicht nur der Verkehr, sondern auch die Wut mancher Auto- und Lkw-Fahrer: Einige reagierten aggressiv auf die Aktion, schlugen und traten die Blockierer und versuchten eigenhändig, diese von der Straße zu schleifen.
Aktionen waren angedroht
Die „Letzte Generation“ hatte ihre Aktionen vor einigen Wochen in einem Brief an Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) sowie mehrere Bürgerschaftsfraktionsvorsitzende angedroht: Wenn Hamburg nicht bis zum 13. März die Bildung eines bundesweiten Gesellschaftsrates zur Lösung der Klimakrise unterstütze, werde man die Stadt maximal lahmlegen, hieß es. Am vergangenen Dienstag hatte es daraufhin ein Gespräch im Rathaus zwischen SPD und Grünen mit Angehörigen der „Letzten Generation“ gegeben. In dem hatten Kienscherf und Lorenzen den Aktivisten erklärt, dass Rot-Grün dem Klimaschutz auch hohe Priorität einräume, die Stadt sich aber nicht erpressen lasse.
Vertreter der „Letzten Generation“ hatten sich für die Wortwahl in dem Brief entschuldigt, aber gleichwohl angekündigt, an den Störaktionen festhalten zu wollen. Schon zwei Tage später hatten sie daraufhin die Köhlbrandbrücke blockiert.
„Klimakleber“ kündigen weitere Störungsaktionen an
Und das dürfte nicht die letzte Aktion gewesen sein. „Der Bürgermeister hat sich leider noch nicht hinter unsere Forderungen gestellt. Das wäre der Moment, an dem wir unsere Aktionen aussetzen würden. Da das aber nicht absehbar ist, werden wir weiterhin zivilen Ungehorsam leisten“, sagt die Hamburgerin Lilli Gomez dem Abendblatt am Sonntag. Die Aktivistin war bei der Sperrung der Elbbrücken am Tag zuvor dabei und kündigt an, auch in den nächsten Wochen für „größtmögliche Störung“ sorgen zu wollen.
Die 22 Jahre alte Studentin gehörte zu einer Gruppe von sieben Leuten, die am Sonnabend den Verkehr zwischen 11 und 15.15 Uhr auf den Elbbrücken lahm egte – und dafür von den betroffenen Autofahrern entsprechend angefeindet wurde. „Die Autofahrer waren von Anfang an sehr aggressiv. Wir wurden von der Straße gezerrt, einem Aktivisten wurde in den Bauch getreten“, berichtet Gomez. Von der beschriebenen Szene ist ein Video bei Twitter viral gegangen, das einen mutmaßlichen Fahrer der Firma Garbe Transport zeigt, der tatsächlich einem Aktivisten in den Bauch tritt.
Aktivisten wurden tätlich angegriffen
Auf Nachfrage des Abendblatts bestätigt ein Polizeisprecher: „Der Polizei Hamburg sind mehrere Zeugenberichte und auch Videos in diesem Zusammenhang bekannt. Dazu zählt auch das Video, bei dem ein augenscheinlicher Lkw-Fahrer einen der Aktivisten wegzieht und danach mit dem Fuß in den Bauch tritt. Dazu wurden bereits Ermittlungsverfahren eingeleitet.“ Laut Gomez wollen die Aktivisten allerdings keine Anzeige erstatten. Im Gespräch zeigt die Hamburgerin sogar ein gewisses Maß an Verständnis für den Frust der Autofahrer, obwohl sie selbst einen Tritt gegen die Hand abbekommen habe.
Weniger Verständnis hat Gomez dagegen für das aus ihrer Sicht sehr rigide Verhalten der Polizei. So seien zwei Aktivisten „mit sehr schmerzhaften Griffen“ von der Straße befördert worden. Vonseiten der Polizei hieß es, man habe sich an die gesetzlichen Bestimmungen für die Anwendung von Zwangsmitteln gehalten.
„Letzte Generation“-Mitglieder wurden Haftrichter vorgeführt
Alle sieben Aktivisten wurden laut der Polizei in Gewahrsam genommen, wobei Lilli Gomez direkt wieder mit einem Aufenthaltsverbot für die Elbbrücken und die Köhlbrandbrücke entlassen wurde. Vier Kollegen kamen wenig später frei, während zwei Aktivisten am Sonntag sogar dem Haftrichter vorgeführt wurden. Nach Abendblatt-Informationen sollen beide Störer bis zur Nacht vom 3. auf den 4. April in Gewahrsam bleiben – also zehn Tage.
„Es reicht“, sagte CDU-Fraktionschef Dennis Thering nach der Elbbrücken-Aktion. „Diese Krawallmacher muss die volle Härte des Rechtsstaats treffen. Die entstehenden Kosten für die Einsätze müssen den Verursachern vollständig in Rechnung gestellt werden. Andere Bundesländer zeigen, wie es geht, hier drohen den Blockierern empfindliche Haftstrafen.“
AfD-Fraktionschef Dirk Nockemann sprach von „schwedischen Gardinen“ und sagte: „Wir fordern ein Verbotsverfahren gegen die Klimakriminellen von der ,Letzten Generation‘.
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Differenzierter ordnete die Linkspartei die Vorgänge ein: „Das Anliegen der ,Letzten Generation‘ ist und bleibt richtig: Mit aller gesellschaftlicher Kraft Klimaschutz durchzusetzen und das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen“, sagte ihr umweltpolitischer Sprecher Stephan Jersch. „In dieser konfrontativen Situation heißt es aber, die Gesprächsfäden nicht abreißen zu lassen.“ In jedem Fall müssten die Gewaltausbrüche von Autofahrern Konsequenzen haben, forderte Jersch: „Diese um sich schlagenden und tretenden Menschen sind ein Risiko für den Verkehr.“