Hamburg. Petra S. arbeitet seit Jahren in Hamburger Kitas. Seit sechs Wochen geht sie auf die Straße – kämpft für mehr Geld und Anerkennung.
Petra S. muss sich in diesen Tagen oft warm anziehen. Denn für sie geht es seit rund sechs Wochen morgens nicht mehr an den Arbeitsplatz, sondern bei kühlen Temperaturen und Nieselregen raus auf die Straße. Vor unterschiedlichen Kitas oder vor der Elbkinder-Zentrale hält sie Mahnwachen ab, demonstriert auf dem Rathausmarkt oder anderen prominenten Flächen in Hamburg für mehr Gehalt und mehr Anerkennung.
Petra S., die ihren Nachnamen nicht öffentlich machen möchte, ist eine von rund 900 Hauswirtschaftsbeschäftigten der Service-Gesellschaft der Elbkinder (EKSG). Und eine von vielen, die seit nunmehr sechs Wochen streiken. Zunächst nur tageweise. Inzwischen an fünf Tagen pro Woche. Die Auswirkungen des Streiks sind längst massiv zu spüren und werden für den Träger, die Erzieher und die Eltern inzwischen zur Belastungsprobe.
Elbkinder Hamburg: Hauswirtschafterinnen verstehen sich als „Herz“ der Kitas
Petra S. ist seit mehr als 30 Jahren als hauswirtschaftliche Leiterin bei den Elbkindern tätig, die längste Zeit davon in einer Kita im Bezirk Hamburg-Mitte. S. bezeichnet die Arbeit der Kolleginnen als „undankbare Arbeit, die fast niemand sieht“ und die doch die Grundlage dafür sei, dass der Betrieb läuft. „Wir sind so etwas wie das Herz der Kita“, sagt sie. Der Zuspruch, den sie und ihre Mitstreiterinnen in diesen Tagen erfahren, sei dennoch groß. „Die meisten Eltern, Pädagoginnen und Pädagogen können verstehen, was uns umtreibt.“
Die Hauswirtschaftskräfte – es sind fast ausschließlich Frauen – sind in den Standorten unter anderem für das Kochen, die Reinigung und die Wäsche zuständig. Für S. kommen in ihrer Funktion als Leiterin noch weitere Aufgaben dazu: Einarbeitung neuer Mitarbeiter, Einkauf und Beschaffung, das Schreiben von Dienstplänen und vieles mehr. Sie bekommt daher eine Zulage.
Hamburger Kita-Hauswirtschaftsleitung: „Die Bezahlung passt schon lange nicht mehr“
S. macht deutlich: „Unsere Arbeitsbedingungen sind anspruchsvoller als bei vielen anderen Einsatzorten. Im Unterschied zu Reinigungskräften, die etwa in Büros tätig sind, arbeiten die Hauswirtschaftskräfte in Kitas während des laufenden Betriebs.“ Und: „Der Dreck, der in Kitas anfällt, ist natürlich massiv. Von Patschefingern an den Fenstern über Spielplatzsand aus den Schuhen, der überall verteilt ist, bis hin zu bergeweise Lätzchen und Bettdecken, die ebenfalls zum Teil stark verschmutzt sind.“
Die Arbeit an sich sei aber nicht das Problem. „Ich wollte immer in Kitas arbeiten, weil ich den Kontakt zu den Kindern und Familien mag. Und weil der Umgang mit den Pädagoginnen und Pädagogen auch sehr nett ist“, sagt S. Aber: „Die Bezahlung passt schon lange nicht mehr.“
Elbkinder: Gehaltsunterschiede zwischen Mutterkonzern und Service-Gesellschaft
Wie S. berichtet, bekommen die Hauswirtschaftskräfte derzeit 13,10 Euro pro Stunde. Zum Vergleich: „Der Mindestlohn für Gebäudereiniger in Hamburg liegt bei 13,50 Euro“, so S. Sie macht deutlich: „Viele von uns haben Zweitjobs, weil sie von dem Gehalt allein nicht leben können. Zudem ist der Unterschied zu den Gehältern, die im Mutterkonzert gezahlt werden, groß.“
Hintergrund: 2005 war der Hauswirtschaftsbereich der Elbkinder ausgegliedert worden. „Die Beschäftigten bekamen über die damalige Tochtergesellschaft VKSG neue Verträge und mit einem Schlag 30 Prozent weniger Lohn“, erinnert sich S. „Auch Betriebsrente, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und vieles mehr sind weggefallen.“ In den Folgejahren wurde es noch schwerer. „Es gab Zusammenlegungen von Kitas und damit verbunden mehr Arbeit. Auch der Fachkräftemangel ist bei uns seit Jahren zu spüren.“
Kita Hamburg: Streik bei den Elbkindern – Tarifverhandlungen scheiterten im April
Wie berichtet, ist die Lage vertrackt. Die Elbkinder befinden sie in einer schlechten finanziellen Situation. So hatten die Elbkinder im Frühjahr angekündigt, rund 80 Stellen einzusparen, und begründete dies unter anderem mit gestiegenen Personalkosten.
Die Verhandlungen zwischen der Gewerkschaft Ver.di und den Elbkindern waren bereits im April gescheitert. Ver.di fordert 550 Euro mehr Lohn für alle Beschäftigten. Die Elbkinder teilten auf ihrer Homepage mit: „Die Ver.di-Forderung würde die Elbkinder jährlich inklusive Sozialabgaben rund 33 Millionen Euro mehr kosten. Eine Refinanzierung über die jetzigen Entgelte gibt es in dieser Höhe nicht.“ Weiter betont der Träger: „Die aus Steuergeldern finanzierten Entgelte und auch die Höhe der Elternbeiträge werden durch die Freie und Hansestadt Hamburg festgelegt.“
Kita Hamburg: Streik bei den Elbkindern – „es fühlt sich zäh und mühsam an“
Das Angebot der Elbkinder sah nach eigenen Angaben bis zum Sommer kommenden Jahres 14 Prozent mehr Lohn in drei Schritten vor. Dazu Verdi: „Das Angebot ist nicht hinnehmbar, denn es gilt lediglich für die niedrigste Gehaltsgruppe. Und für das laufende Jahr ist nur ein Plus von vier Prozent vorgesehen. Angesichts der Teuerungsraten reicht das nicht aus“, so Michael Stock von Ver.di. „Auch mit der Erhöhung bleibt ein großer Abstand zu den Gehältern des Mutterkonzerns.“
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Diese Einschätzung teilt auch Petra S. Auch in dieser Woche nimmt sie an mehreren Mahnwachen teil. Sie will mit ihren Kolleginnen auch vor den Kitas Präsenz zeigen und die Eltern über die Hintergründe des Streiks informieren. Sie betont: „Wir würden alle am liebsten sofort wieder in die Kita gehen. Uns fehlen die Arbeit und der Kontakt zu den Familien.“
Es fühle sich „zäh und mühsam“ an, sagt sie. „Auch weil wir zum Teil nicht die Aufmerksamkeit bekommen, die wir uns wünschen.“ Die Hoffnungen würden nun auf dem nächsten Gesprächstermin Ende der Woche liegen. Die Elbkinder hatten jedoch bereits betont, dass der Spielraum gering sei.