Hamburg. Neuer Wirbel um das Shopping-Areal: Ein Bericht über miserable Zustände auf der Baustelle in der HafenCity sorgt für Aufsehen.
- Wurden auf der Baustelle des Westfield Hamburg-Überseequartier Mini-Löhne gezahlt?
- Auf der Baustelle in der HafenCity gab es mehr Arbeitsunfälle als bekannt
- Staatsanwaltschaft Hamburg ermittelt in mehreren Fällen
Es vergeht kaum ein Tag, an dem das XXL-Einkaufszentrums Westfield Hamburg-Überseequartier nicht in den Schlagzeilen steht. Gute Nachrichten gab es zuletzt aber kaum zu vermelden, vielmehr steht der Ärger rund um die wegen eines Wasserschadens verschobene Eröffnung im Fokus. Nun hat die Wochenzeitung „Die Zeit“ berichtet, dass es auf der umstrittenen Baustelle in der HafenCity mehr Arbeitsunfälle gab als bisher bekannt. Zudem sollen „Dumping-Löhne“ an die Arbeiter bezahlt worden sein.
Auf Abendblatt-Anfrage bestätigte die Staatsanwaltschaft Hamburg, dass nach wie vor mehrere Ermittlungen laufen, die im Zusammenhang mit Arbeitsunfällen stehen.
Westfield Hamburg: Tödlicher Arbeitsunfall und Feuer – Staatsanwaltschaft ermittelt weiter
Der bis dato tragischste Vorfall ereignete sich am 30. Oktober 2023. Damals verstarben in der HafenCity fünf Arbeiter, als ein Gerüst in einem Fahrstuhlschacht einstürzte. Der Teamleiter der Höhenretter bei der Feuerwehr Hamburg, Sven Krupski, sprach gegenüber der „Zeit“ davon, den Einsatz ein „Leben lang nicht vergessen“ zu können. Während des Rettungseinsatzes hätten in dem Schacht mehrfach die Handys der bereits verstorbenen Arbeiter geklingelt.
Auf Abendblatt-Anfrage bestätigte die Staatsanwaltschaft Hamburg, dass nach wie vor wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung gegen Unbekannt ermittelt wird. „Die Einsturzursache ist ebenso Gegenstand der Ermittlungen wie die gegebenenfalls bestehenden Verantwortlichkeiten“, erklärte Liddy Oechtering, Sprecherin der Staatsanwaltschaft.
Darüber hinaus wird auch noch in dem Fall des Großbrandes auf der Westfield Hamburg-Überseequartier-Baustelle vom 9. Juni 2023 ermittelt. Es besteht nach wie vor der Verdacht der fahrlässigen Brandstiftung. Aus noch ungeklärter Ursache brach damals auf dem Dach ein großflächiges Feuer aus. Die Rauchsäule war damals kilometerweit in Hamburg zu sehen.
XXL-Einkaufszentrum: Verletzter Arbeiter hatten offenbar keine Krankenversicherung
Doch es sind noch mehr Unglücksfälle, die auf der prominent gelegenen Baustelle an der Elbe für Aufsehen sorgten. So soll unter anderem der ukrainische Hilfsarbeiter Yevhen A. wenige Wochen nach dem tödlichen Unfall im Fahrstuhlschacht am 29. November 2023 auf der Baustelle beim Montieren von Wasserrohren im neuen Kinopolis-Kinocenter mit dem Kopf zwischen das Geländer einer Hebebühne und einen Türrahmen geraten sein.
Dabei erlitt der Mann mehrere Brüch und musste daraufhin zweimal operiert werden. Bis heute ist er nicht arbeitsfähig. Nach Recherchen der „Zeit“ hatte A. zum Zeitpunkt des besagten Unfalls keine Krankenversicherung.
Westfield-Baustelle: Arbeiter von Metallgegenstand am Kopf getroffen
Gegenüber der „Zeit“ bestätigte die Polizei Hamburg Ermittlungen zu weiteren Unfällen auf dem Areal des Westfield Hamburg-Überseequartier. Nach Abendblatt-Informationen wurde am 3. März 2023 ein Arbeiter von einem Metallgegenstand am Kopf getroffen. Zunächst wurde wegen des Verdachts der fahrlässigen Körperverletzung ermittelt. Im März 2024 wurden die Ermittlungen jedoch eingestellt.
Am 14. April 2023 stürzte auf der Baustelle in der HafenCity ein Arbeiter von einem Baugerüst. Auf Abendblatt-Anfrage bestätigte die Hamburger Staatsanwaltschaft, dass die Ermittlungen zu diesem Vorfall nach wie vor andauern.
Zwei Monate nach dem Sturz von einem Gerüst wurde ein weiterer Beschäftigter bei einem Stromschlag durch ein nicht korrekt isoliertes Kabel verletzt. Da ein Fremdverschulden nicht nachzuweisen war, wurden auch diese Ermittlungen seitens der Staatsanwaltschaft im Februar dieses Jahres eingestellt.
Werden auf der Westfield-Baustelle „Dumping-Löhne“ gezahlt?
Neben der fehlenden Krankenversicherung ist die offenbar viel zu niedrige Bezahlung der Arbeiter ein riesiges Thema. Der verunglückte Yevhen A. soll auf der Baustelle in der HafenCity 2760 Polnische Zloty verdient haben. Umgerechnet sind das lediglich 641 Euro. Laut Tarifvertrag im Baugewerbe muss jedoch ein Mindestlohn in Höhe von 12,41 Euro pro Stunde gezahlt werden. Hochgerechnet auf die Arbeitszeit hätte A. daher mindestens rund 1985 Euro verdienen müssen.
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Yevhen A. soll nach „Zeit“-Informationen als Selbstständiger von der Baufirma Electra M&E Polska tätig sein. Die gewerkschaftliche Servicestelle Arbeitnehmerfreizügigkeit, die neben Yevhen A. auch weitere Arbeiter auf der Baustelle des XXL-Einkaufszentrums betreut, soll weiteren Verdachtsfällen auf fehlende Arbeitsverträge, fehlende Versicherungen, ausbleibende Bezahlung und auch Sicherheitsmängel auf der Baustelle nachgehen.