Hamburg. Ende Oktober stürzte in der HafenCity ein Gerüst ein – fünf Menschen kamen ums Leben. Hätte das Unglück verhindert werden können?
Fünf Menschen verloren durch den schrecklichen Unfall vor gut zwei Wochen auf der Baustelle des Westfield-Shopping-Areals in der HafenCity ihr Leben. Am Montag wurden vier der fünf Opfer nach Albanien überführt. Nun wurde bekannt: Nur wenige Tage vor dem tödlichen Arbeitsunfall hatten die Behörden Mängel auf der Baustelle festgestellt. Das geht aus den Senatsantworten auf Kleine Anfragen des CDU-Fraktionschefs Dennis Thering sowie der Linken-Bürgerschaftsabgeordneten David Stoop und Olga Fritzsche hervor.
Demnach kontrollierte das Amt für Bauordnung und Hochbau, das zur Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen gehört, die Baustelle zuletzt am 20. Oktober – also zehn Tage vor dem tragischen Unfall, bei dem ein Baugerüst einstürzte. Dabei kamen vier Bauarbeiter zu Tode, ein weiterer Mann erlag seinen Verletzungen einige Tage später im Krankenhaus.
HafenCity: Behörde stellte einige Mängel auf Baustelle fest
In der Antwort des Senats heißt es, dass bei der stichprobenartigen Prüfung in dem betroffenen Teil der Baustelle einige wesentliche Mängel festgestellt worden seien: Absturzsicherungen fehlten in Teilen der Baustelle, die persönliche Schutzausrüstung gegen Absturz einiger Bauarbeiter war nicht geprüft und der Schutz vor herabfallenden Teilen oder Gegenständen war nicht überall vorhanden.
Bei der Kontrolle wurde nach Angaben des Senats auch bemängelt, dass es bei der Prüfung keinen sogenannten weisungsbefugten deutschsprachigen Aufsichtsführenden gab. Bei Arbeitsmitteln wie Winkelschleifern lagen zudem keine Nachweise über eine durchgeführte Prüfung vor. Und in einigen Bereichen gab es demnach keine sicher begehbaren Verkehrswege.
Tödlicher Arbeitsunfall – Thering: Strafverfahren muss Klarheit bringen
Thering zeigte sich entsetzt über das Ergebnis seiner Anfrage. „Meine Anfrage an den Senat macht deutlich, dass die Arbeitgeberprüfungen zum Arbeitsschutz auf Baustellen in Hamburg abnehmen“, so der CDU-Fraktionsvorsitzende. „Hier muss der rot-grüne Senat dringend gegensteuern. Die Sicherheit auf Hamburgs Baustellen muss höchste Priorität haben.“
Vor diesem Hintergrund sei es für ihn fraglich, warum der Senat auf der Unglücksbaustelle nicht eingegriffen habe. „Laut Senatsantwort wusste dieser von wesentlichen Mängeln auf der besagten Baustelle. Unter anderem wurden fehlende Absturzsicherungen in Teilbereichen sowie ungeprüfte persönliche Schutzausrüstung gegen Absturz in einigen Fällen vorgefunden. Die Mängel waren dem Senat also bekannt. Das laufende Strafverfahren muss jetzt schleunigst Klarheit in die Sache bringen.“
Unternehmen Unibail-Rodamco-Westfield will sich nicht äußern
Thering ergänzt: „Mein Mitgefühl gilt den Familien und Freunden der tödlich verunglückten Bauarbeiter in der HafenCity. Jetzt gilt es aufzuklären, wie es zu diesem schrecklichen Ereignis kommen konnte.“
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Das Unternehmen Unibail-Rodamco-Westfield, das das riesige Areal baut, will sich nicht weiter zu dem Unfall und der Anfrage äußern. „Wir bitten weiterhin um Verständnis, dass wir zum aktuellen Zeitpunkt keine weiteren Informationen zum Westfield Hamburg-Überseequartier kommunizieren“, heißt es in einer E-Mail des Unternehmens. Auch die zuständige Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt äußerte sich auf Anfrage des Hamburger Abendblatts nicht zu dem Ergebnis der Prüfung.
Linke: „Zustände auf der Baustelle waren skandalös“
Auch der Linken-Bürgerschaftsabgeordnete David Stoop und seine Fraktionskollegin Olga Fritzsche hatten eine Kleine Anfrage zu dem tödlichen Arbeitsunfall gestellt. Ihrer Ansicht nach geht aus der Senatsantwort hervor, dass auf der Großbaustelle in der HafenCity arbeitsschutzrechtliche Verstöße an der Tagesordnung standen.
„Die Zustände auf der Baustelle waren skandalös“, kritisiert die Linken-Wirtschaftsexpertin Fritzsche. „Zwischen dem 21. Januar 2022 und dem 20. Oktober 2023 kontrollierte das Amt für Bauordnung und Hochbau die Baustelle insgesamt 23-mal. Jedes Mal fand sie ein bis sechs Verstöße. Folgen scheint das keine gehabt zu haben, die Baustelle wurde jedenfalls nicht wegen der laxen Sicherheitskultur stillgelegt.“
David Stoop, gewerkschaftspolitischer Sprecher der Linken-Fraktion, weist zudem darauf hin, dass es allein in diesem Jahr in Hamburg mindestens 119 Arbeitsunfälle gegeben habe. „Sieben davon mit tödlichem Ausgang“, so Stoop. Gerade auf dem Bau seien die Arbeiterinnen und Arbeiter besonderen Risiken ausgesetzt. „Mängel müssen hier konsequent geahndet werden. Im Zweifel auch mit Zwangsmitteln.“