Hamburg. Die kurzfristig auf Ende August verschobene Eröffnung sorgt auf politischer Ebene für viele Fragen. Mieter äußert brisanten Verdacht.

Am Montagmittag genossen die Bauarbeiterinnen und Bauarbeiter des XXL-Einkaufszentrums Westfield Hamburg-Überseequartier in der HafenCity die Annehmlichkeiten ihres Arbeitsplatzes. Mit ihren gelben Warnwesten und den Helmen kaum zu übersehen, fluteten sie die umliegenden Cafés, genossen an den Marco-Polo-Terrassen die Sonne und hielten ein kurzes Nickerchen.

In der Mittagspause Kraft tanken für die Fertigstellung von einer der größten innerstädtischen Baustellen Europas, die mal wieder für großen Ärger sorgt. Die ursprünglich für den 25. April geplante Eröffnung des Shoppingareals musste auf Ende August verschoben werden. Der offizielle Grund: Es ist Grundwasser im Bereich einer zentralen technischen Anlage eingetreten.

Westfield Hamburg: Politikerin und Mieter zweifeln an Grund für Verzögerung

Und genau das sorgt für Verwunderung und Kritik auf politischer Ebene. „Angesichts der vielen Probleme mit der Fertigstellung war mein erster Gedanke, dass selten ein Wasserschaden so gerufen kommt. Damit sich solche Gedanken nicht verfestigen, wäre es gut, Fotos von dem Wasserschaden zu veröffentlichen oder Medienvertreter und -vertreterinnen den Zugang zu gewähren“, sagt Heike Sudmann, Stadtentwicklungssprecherin der Linken, gegenüber dem Abendblatt.

Heike Sudmann, Stadtentwicklungssprecherin der Linken, macht keinen Hehl daraus, was sie von den Entwicklungen im Westfield Hamburg-Überseequartier hält.
Heike Sudmann, Stadtentwicklungssprecherin der Linken, macht keinen Hehl daraus, was sie von den Entwicklungen im Westfield Hamburg-Überseequartier hält. © FUNKE Foto Services | Marcelo Hernandez

Einen ähnlichen Tenor schlägt auch Anke Frieling, die stadtentwicklungspolitische Sprecherin der CDU-Fraktion an. „Es geht vor allem um maximale Transparenz: Warum dringt Grundwasser durch die Bodenplatte? Wieso wurde das so spät entdeckt? Wann genau wurde der Schaden entdeckt? Handelt es sich um eine einzelne ‚Schwachstelle‘ oder um ein strukturelles Problem? Wie wird der Schaden behoben? Wer ist für die Problematik verantwortlich? Ist sichergestellt, dass es tatsächlich ein ‚Einzelfall-Problem‘ ist?“, so die CDU-Politikerin.

CDU-Politikerin fürchtet Image-Schaden für Hamburg

Frieling fürchtet, dass das Image der Stadt Hamburg Schaden nimmt ob der Häufung von Bauprojekten, die nicht nach Plan laufen. „Es sind auf jeden Fall Schlagzeilen, die keine Stadt braucht. Auch wenn die Ursachen immer unterschiedlich sind: Aus der Ferne fragt sich jeder: ‚Was ist denn da in Hamburg los?‘“

Anke Frieling (CDU) fürchtet, dass wegen der häufigen Bau-Eklats das Image Hamburgs Schaden nimmt. (Archivbild)
Anke Frieling (CDU) fürchtet, dass wegen der häufigen Bau-Eklats das Image Hamburgs Schaden nimmt. (Archivbild) © MARK SANDTEN / FUNKE FOTO SERVICES | Mark Sandten / FUNKE FOTO SERVICES

Doch trotz der vielen ungeklärten Fragen hält sich der Bauherr äußerst bedeckt. Detaillierte Anfragen dazu – etwa, wo genau in der Baustelle Grundwasser eintrat, wie viel es war, welcher Art die technische Anlage ist und welche Ursache für den Wassereintritt vermutet wird – beantwortet die von Bauherr Unibail-Rodamco-Westfield SE eingeschaltete Agentur ebenso nicht wie die Frage nach den Auswirkungen auf den Bezug der Wohnungen, die in dem Areal ebenfalls entstehen.

Bauherr des XXL-Einkaufszentrums lässt viele Fragen unbeantwortet

Lediglich was in der vergangenen Woche bereits bekannt gegeben wurde, wird mantraartig wiederholt: In einem Teil des Untergeschosses dringe „vereinzelt Grundwasser durch die Bodenplatte“, eine zentrale, technische Anlage könne daher kurzfristig nicht in Betrieb genommen werden, und man arbeite mit „unseren Planern und Ingenieuren“ zusammen, um den Schaden in den kommenden Wochen zu beheben.

Die Behebung des Schadens selbst dauere wohl nur einige Wochen, dadurch rutsche man aber aus der Frühjahrsverkaufssaison, „was für viele saisonal orientierte Einzelhändler eine Eröffnung unmöglich machen würde“, hieß es ebenfalls vergangene Woche vom Bauherrn. Unter zusätzlicher Berücksichtigung der Sommerferien sei der Zeitpunkt Ende August für eine Eröffnung des Projekts der nächste geeignete Termin im Einzelhandelskalender.

Die Frage, ob der Schaden versichert ist und die Gewerbemieter finanzielle Entschädigung für bereits angestelltes Personal oder Ware, die jetzt eingelagert werden muss, erhält, blieb ebenfalls unbeantwortet: „Zu Vertragsinhalten äußern wir uns grundsätzlich nicht.“

Westfield Hamburg: Mieter äußert brisanten Verdacht für Verzögerung in der HafenCity

Die fehlende Transparenz befeuert Gerüchte, dass der Wasserschaden nur vorgeschoben sei, weil der Bauherr den eigentlichen Eröffnungstermin Ende April nie hätte einhalten können. Auch ein Mieter äußert in diesem Zusammenhang erstmals seine Zweifel. Mit einer Fläche von 1600 Quadratmetern, auf der das Fitnessstudio Sports Club HafenCity entsteht, gehört Geschäftsführer Alexander Sosa zu den größeren Mietern im Westfield Hamburg-Überseequartier.

Dem Abendblatt sagt Sosa: „Wir sind sehr traurig über die von Westfield beschlossene Verschiebung der Eröffnung vom 25. April auf Ende August. Die Mitteilung hierzu erreichte mich am Donnerstagmorgen, zeitgleich zu den ersten Pressemitteilungen. Es ist schade, wenn so viele Jahre geplant und gebaut wird und die Eröffnung dann nur zwei Wochen vorher verschoben wird. Die Gründe hierfür erscheinen mir nicht nachvollziehbar. Warum sollte eine Leckage in nur einem Gebäude ursächlich für Verschiebung der Eröffnung von 13 weiteren Gebäuden sein.“

Der Unternehmer hat das Gefühl, dass der wahre Grund für die spätere Eröffnung ganz woanders liegt: „Mir scheint, hier wurden zumindest schwere Planungsfehler begangen. Am meisten tut es mir für die vielen Kunden leid, die bereits sehnsüchtig auf ihr erstes Training mit Panorama-Elbblick warten. Diese vertrösten wir nun, und sie dürfen kostenfrei bis zur Eröffnung in unseren anderen Studios, wie etwa in Eppendorf oder Wandsbek, weiter trainieren.“

Westfield Hamburg: XXL-Einkaufzentrum sollte mit Superstar Rita Ora eröffnet werden

Es hätte alles so schön werden können: Weltstar Rita Ora performt auf dem neuen Vorzeigeareal in der HafenCity und bringt so einen Hauch von Glamour in die Hansestadt. Doch nun sorgt Hamburg mit seinen groß angelegten Bauprojekten – mal wieder – für negative Schlagzeilen. Auch wenn die Gesamtgemengelage eine andere ist als beispielsweise beim Elbtower. „Anders als beim Elbtower liegt hier keine Pleite eines windigen Investors vor. Der Image-Schaden betrifft Unibail und nicht die Stadt. Wer gerne behauptet, dass private Unternehmen anders als die öffentliche Hand immer verlässlich im Kosten- und Zeitrahmen liegen, wird hier Lügen gestraft“, prangert Sudmann an.

Die Linken-Politikerin richtet sich mit ihrer Kritik aber auch an die Stadt: „Die Stadt bzw. der Senat muss sich aber fragen lassen, weshalb auf Biegen und Brechen dieses völlig überdimensionierte Einkaufszentrum gebaut werden sollte.“

Linke kritisieren „Größenwahn“ und „überdimensioniertes Projekt“ in der HafenCity

Sudmann macht kein Geheimnis daraus, dass sie und ihre Partei nicht zu den größten Anhängern des neuen Shoppingareals in bester Lage gehört. In einer Schriftlichen Kleinen Anfrage (SKA) konfrontierten die Linken den Senat vergangenen Dienstag – also noch bevor bekannt wurde, dass die Eröffnung verschoben wird – mit ihren Sorgen und Kritikpunkten, zu denen neben Verkehrs- und Lärmschutzthemen auch die Konsequenzen für den Innenstadtbereich rund um die Mönckebergstraße gehören.

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Die Linken-Politikerin fürchtet drastische Auswirkungen durch den „Größenwahn“ in der HafenCity für die Hamburger Innenstadt. „Einkaufen bis zum Umfallen (‚Shop till you drop‘) mag gut für das Einkaufszentrum sein, doch für die Innenstadt ist das eine Bedrohung. Mit dem geballten Angebot von Geschäften und Unterhaltung, geschützt vorm Hamburger Schmuddelwetter, kann die Innenstadt kaum konkurrieren. Beim Wettbewerb um die (Tages-)Touristinnen und Touristen steht die Innenstadt auf der Verliererseite“, kritisiert Sudmann.

Westfield Hamburg: Gute Nachrichten von den Wohnungsunternehmen

Für Dirk Kienscherf, Vorsitzender der SPD-Fraktion Hamburg, ist es zum jetzigen Zeitpunkt noch zu früh, ein grundsätzliches Urteil über das Westfield-Hamburg Überseequartier in der HafenCity zu fällen. Er sagt: „Die kurzfristige Verschiebung der Eröffnung ist natürlich sehr ärgerlich – gerade auch für die Mieterinnen und Mieter. Die von einigen geäußerte Skepsis rund um die Errichtung des Westfield-Centers ist nachvollziehbar, aber die Entscheidung für das südliche Überseequartier muss vor dem Hintergrund der Zeit betrachtet werden, zu der sie getroffen wurde. Es war das große Ziel, eine lebendige Mitte für die HafenCity zu schaffen. Nun gilt es abzuwarten, inwiefern sich die Hoffnungen und Erwartungen erfüllen.“

Für den Hamburger SPD Fraktionschef Dirk Kienscherf ist es derzeit noch zu früh, ein Urteil über Westfield-Hamburg zu fällen.
Für den Hamburger SPD Fraktionschef Dirk Kienscherf ist es derzeit noch zu früh, ein Urteil über Westfield-Hamburg zu fällen. © Michael Rauhe | Michael Rauhe

Bei all dem Drama um die Eröffnung des Westfield-Hamburg Überseequartiers in der HafenCity gibt es auch gute Nachrichten für die Menschen, die sich eine Wohnung auf dem Areal an der Elbe gesichert haben. Der Wasserschaden hat weder auf die Projekte „The Lyte“ (86 Wohnungen) und „Eleven Decks“ (306 Wohnungen) des Hamburger Projektentwicklers DC Developments noch auf die 186 Senioren-Wohnungen „Vilvif“ der Garbe-Immobilen-Projekte Auswirkungen. Das gelte sowohl für die Vermarktung als auch für die Fertigstellung, ließen die Unternehmen verlauten. Alle Wohnungen würden 2024 fertiggestellt.