Hamburg. Das einst umkämpfte Areal der Kreativen in der Hamburger Neustadt wird nach und nach erneuert. Wer einzieht, welche Angebote es gibt.
Das Gängeviertel in Hamburg feiert: nicht – wie sonst üblich – einfach das Leben, sondern eine Eröffnung. Das Speckhaus ist fertig und damit ein Meilenstein in dem einst besetzten Areal in der Neustadt.
Bei Sonnenschein, Livemusik und Bier haben am Freitag die Nutzerinnen und Nutzer auf die abgeschlossene Sanierung angestoßen. Und auch Kultursenator Carsten Brosda (SPD) äußerte sich zu diesem besonderen Tag.
Gängeviertel in Hamburg – Brosda: „Oase der Kunst und Kultur“
Der SPD-Politiker lobte den Abschluss der Arbeiten: „Die Wiedereröffnung der Räume in der Speckstraße ist ein weiterer Meilenstein für die Entwicklung des Gängeviertels. Vierzehn Jahre, nachdem die Kultur das Viertel übernommen hat, entwickelt sich der Ort mit kreativer Kraft und Durchhaltevermögen und viel gutem gemeinsamen Willen mitten in der Innenstadt immer mehr zu einer Oase der Kunst und Kultur.“
Der Zeitplan konnte nicht eingehalten werden, ursprünglich sollte das Speckhaus schon Mitte des vergangenen Jahres übergeben werden.
Hamburger Gängeviertel: Speckhaus wurde mit Verspätung eingeweiht
„Pandemiebedingt“ habe sich das Projekt verzögert, sagte Karin Dürr von der verantwortlichen Steg Hamburg mbH am Freitag. Der Kostenrahmen von 2,6 Millionen Euro werde aber wohl weitgehend eingehalten, hieß es.
Bei der Feier war die Freude über das frisch erneuerte Haus jedenfalls groß. Immerhin sei damit auch „ein Drittel vom Viertel“ geschafft, meldeten die Bewohner des zum Teil stark modernisierungsbedürftigen Gängeviertels, das schon in einem Film wieder aufleben durfte.
Denn das Haus in der Speckstraße ist das vierte von zwölf Häusern in dem Ensemble, das diesen Prozess durchlief. Zuvor wurden das sogenannte Kupferdiebhaus, das Jupihaus und die Fabrique als kulturelles Zentrum des Areals modernisiert und instandgesetzt.
Gängeviertel Hamburg: Genossenschaft übernimmt Speckhaus von der Stadt
Die Erneuerung des Speckhauses startete bereits 2021. In dem Gebäude sind nun mit öffentlicher Förderung zwei Wohnungen entstanden sowie zwei Arbeitsraumwohnungen und eine Groß-WG über der Galerie, die wieder in das Hochparterre einzieht. Im Souterrain machten sich am Freitag eine Keramikwerkstatt und eine Druckerei an die letzten Details der Einrichtung, bevor hier die Arbeit startet. Mit Mieten von wenigen Hundert Euro sind die Räume für die Werkstätten erschwinglich.
Die Gängeviertel Genossenschaft übernimmt das Speckhaus nach Abschluss der Sanierungsarbeiten im Rahmen des mit der Stadt Hamburg geschlossenen Erbbaurechtsvertrages und verwaltet das Gebäude auch. Der Verein Gängeviertel e.V. bleibt Betreiberin der Galerie.
Speckhaus im Gängeviertel – das sind die Mieter:
- Die Gruppe Motto ist ein Zusammenschluss aus aktuell vier jungen Kunstliebhaberinnen. Im Laufe eines Jahres wollen sie zehn bis zwölf Gruppenausstellungen erarbeiten.
- Ein weiterer Neuzugang ist die Werkstatt Risofort, ein Druckkollektiv. An ihren Druckmaschinen produzieren sie Bücher, Kunstdrucke sowie Flyer und Poster und bieten regelmäßig offene Werkstätten und Workshops an.
- Mit ihrem Ceramicclub Gängeviertel schaffen die Künstlerinnen und Lehrerinnen Hendrike Ernst und Katja Neumann ein offenes und unkommerzielles Studio. Interessierte können die Werkstatt auch als Co-Working-Space nutzen.
- Auch zwei Wohnungen, zwei Arbeitsraumwohnungen und eine Groß-WG sind im Speckhaus entstanden – mit öffentlicher Förderung (§5- und §6-Scheine).
Aktuell startet eine Ausstellung zum langjährigen Bewohner Klaus Dietermann. Diese zeigt „Leben, Wirken und Unfug“ des 2023 verstorbenen Gängeviertel-Aktivisten. Die schräge „Klausstellung“ eröffnet in diesen Tagen in der Galerie im Speckhaus und erinnert an die Historie des Areals.
Das vom Abriss bedrohte Gängeviertel war 2009 besetzt worden
Denn immerhin schon 2009 hatten 200 Künstler das vom Abriss bedrohte Hamburger Gängeviertel besetzt und den Erhalt gefordert. Seitdem wurden einige baufällige Häuser saniert – darunter auch das Herzstück des Viertels, die Fabrique, in der es regelmäßig Konzerte, Ausstellungen und Partys gibt. In den kommenden Jahren sollen nach Angaben der Genossenschaft weitere Gebäude saniert werden. Die Stadt hat für die Sanierung 20 Millionen Euro zur Verfügung gestellt.
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Die Bezeichnung als „Gängeviertel“, von denen es vor der Zerstörung Hamburgs im Krieg mehrere gab, beruhte darauf, dass die Wohnungen oft nur durch schmale Gassen, Torwege und die namensgebenden Gänge („Twieten“) zwischen den Häusern zu erreichen waren.
Gängeviertel in Hamburg: Früher herrschten hier katastrophale Verhältnisse
Bereits nach der Cholera-Epidemie von 1892 waren etliche Gängeviertel erneuert worden, um die dort herrschenden katastrophalen sanitären Verhältnisse zu verbessern. Diese Ursprünge des Gebäudeensembles sind auch heute, nach der teilweise abgeschlossenen Sanierung, noch gut zu erkennen. Die verschachtelten Hinterhöfe locken Jahr für Jahr auch Tausende Touristen.