Hamburg. Fast jeder zweite Führerscheinanwärter rasselt durch die praktische Prüfung. Abendblatt-Redakteurin Elisabeth Jessen wagte den Test.
- In Hamburg fallen 45 Prozent der Fahrschüler durch die praktische Prüfung
- Abendblatt-Redakteurin macht nach 36 Jahren am Steuer den Selbsttest
- Dabei klappt bei weitem nicht alles
Wer in Hamburg seinen Führerschein machen möchte, braucht nicht nur ein dickes Portemonnaie, sondern auch gute Nerven und viel Geduld. Denn in der Hansestadt fallen 35 Prozent der Fahrschülerinnen und Fahrschüler durch die Theorieprüfung und 45 Prozent durch die praktische Fahrprüfung. Betrachtet man nur Klasse B, also den Autoführerschein, fällt sogar jeder Zweite durch.
Als jemand, der seinen Führerschein vor 36 Jahren gemacht hat und seither regelmäßig mit dem Auto unterwegs ist, fragt man sich angesichts solcher Zahlen, ob man den Führerschein heutzutage noch auf Anhieb bestehen oder vielleicht ebenfalls scheitern würde.
Führerschein Hamburg: Verkehrsdichte macht es Fahranfängern schwer
Eine Großstadt wie Hamburg macht es Autofahrerinnen und Autofahrern nicht leicht, Führerscheinanwärtern erst recht nicht. „Hamburg gehört traditionell zu den Schlusslichtern im Bundesvergleich. Hier spielen sicherlich die hohe Verkehrsdichte und die Komplexität des Verkehrs in der Hansestadt eine wesentliche Rolle bei der praktischen Prüfung“, sagt Vincenzo Lucà, Sprecher des TÜV Süd, dem Mutterunternehmen des TÜV Hanse, der in Hamburg die Fahrerlaubnisprüfungen abnimmt. Gut 30 Kolleginnen und Kollegen sind dafür beim TÜV Hanse eingeteilt.
Einer, der jeden Tag mit Fahrschülern zu tun hat, ist Peter Rupp. Seine offizielle Bezeichnung ist „Bereichsleiter Fahrerlaubnis“. Man könnte ihn aber auch einfach Hamburgs obersten Fahrprüfer nennen. Der gebürtige Hesse ist gelernter Kfz-Mechaniker und Maschinenbauingenieur und arbeitet seit 30 Jahren beim TÜV. 1997 hat er seine erste praktische Fahrprüfung abgenommen, seit 2021 ist er für den TÜV Hanse tätig.
Führerschein Hamburg: Jüngere Fahrschüler fallen seltener durch
Bei der praktischen Prüfung seien es insbesondere die jüngeren Fahrschüler, die sich besonders geschickt anstellten, sagt Peter Rupp mit Blick auf die Statistik. Während 51 Prozent der über 18-Jährigen bei der praktischen Prüfung in Hamburg durchfallen, sind es seinen Angaben zufolge nur 37 Prozent bei denen, die das Begleitende Fahren mit 17 (BF17) anpeilen und dann bis zum 18. Geburtstag mit einer Begleitperson fahren. „Sie fahren besser. Vielleicht sind sie besonders motiviert“, mutmaßt der Experte.
Im Schnitt brauchen Fahrschüler in Hamburg inzwischen 50 Fahrstunden. Und diese Fahrten seien zudem teurer geworden. „3500 bis 4000 Euro für Klasse B muss man rechnen“, so Rupp. Der Verkehr in Hamburg sei sehr anspruchsvoll: „Man muss gleich voll da sein, die Anforderungen an die Aufmerksamkeit sind sehr hoch.“
Führerscheinprüfungen im Umland etwas leichter, aber an Bedingungen geknüpft
Wollte man für die Prüfung ins Umland ausweichen, sei das nicht so leicht. „Man muss die Prüfung da machen, wo man seinen Lebensmittelpunkt hat.“ Und nicht jeder hat eine Oma im Umland, bei der er übergangsweise seinen Wohnsitz anmelden kann, um dort seinen Führerschein zu machen.
Mit Fahrstunden und Prüfungen auf dem Land habe ich beste Erfahrungen gemacht. In meinem kleinen Heimatort gab es sogar zwei Fahrschulen, aber bis heute keine einzige Ampel. Damals kombinierte mein Fahrlehrer, der schon meine Mutter unterrichtet hatte, die vorgeschriebene Stadtfahrt mit der vorgeschriebenen Autobahnfahrt. In der Kreisstadt gab es wenigstens Ampeln. Ob er auch die notwendige Nachtfahrt bei dieser Stadtfahrt noch unterbrachte, daran erinnere ich mich nicht mehr.
Führerschein Hamburg: Prüfer startet Testfahrt mit Abendblatt-Redakteurin
Fahrschüler müssen für den Autoführerschein hierzulande dagegen fünf Fahrstunden mit Überlandfahrten, vier mit Autobahnfahrten und drei Stunden mit Beleuchtung nachweisen.
An diesem Nachmittag wird es auch für mich noch einmal ernst. Peter Rupp ist bereit für die Probe aufs Exempel und setzt sich auf den Rücksitz. Er ist freundlich und wirkt überhaupt nicht einschüchternd. Üblicherweise kann ein Fahrlehrer im Notfall eingreifen, doch wir sitzen in meinem Privatwagen, der keine Pedale auf der Beifahrerseite hat. Rupp ist mir ausgeliefert, wirkt aber entspannt. „Sind Sie aufgeregt?“, fragt er mich. I wo! Ich fahre seit dem 14. Juli 1987 regelmäßig Auto.
Fahrprüfung 1987: Bedingungen deutlich anders als in Hamburg 2024
Meine Prüfung startete damals in einem der örtlichen Wirtshäuser. Zuerst war die Theorieprüfung dran, danach die praktische Motorrad-Fahrprüfung und anschließend die Fahrprüfung mit dem Auto. Ich habe damals alles auf Anhieb bestanden. Der Führerschein wurde mir an meinem 18. Geburtstag ausgehändigt, damals ein rosa Papierdokument.
Seither darf ich alle Motorräder fahren, außerdem Autos und Lkw bis 7,5 Tonnen. Die Fahrzeuge dürften auch einen Anhänger bis zu einem Gesamtgewicht des Gespanns von zwölf Tonnen haben. Wenn es nicht mehr als drei Achsen hat, darf der Anhänger noch schwerer sein.
Sogar Traktoren darf ich bis 40 km/h Höchstgeschwindigkeit bewegen. So erklärt es mir Peter Rupp nach einem Blick auf meine Plastikkarte, auf der die Fahrerlaubnisklassen A1, A, B, C1, BE, C1E, CE, M und L eingetragen sind. Sieht beeindruckend aus. Etwas Größeres als einen Kastenwagen habe ich dennoch nie gefahren.
Was braucht es wirklich, um eine praktische Fahrprüfung zu bestehen?
Motorrad bin ich später auch nie gefahren, aber es gehörte damals für junge Frauen zum guten Ton, es zu können. Auto dagegen fahre ich gern. Und seit ich heil durch den Stadtverkehr von Paris und Palermo gekommen bin, stressen mich auch achtspurige Straßen nicht mehr.
Im Straßenverkehr bin ich nicht rechthaberisch, will niemanden erziehen, zeige niemandem den Stinkefinger und ärgere mich lediglich über Verkehrsteilnehmer, die nicht blinken. Aber reicht all das, um eine praktische Fahrprüfung zu bestehen?
Führerschein Hamburg: Prüfer begleiten bis zu neun Prüfungsfahrten pro Tag
Diese Prüfungen laufen inzwischen etwas anders ab als früher. Peter Rupp, der bis zu 600 Prüfungen pro Jahr selbst abnimmt, hat ein Tablet, auf dem in einem Programm verschiedene Anforderungen aufgelistet sind. Damit werden unterschiedliche Fahraufgaben und Fahrkompetenzen der Führerscheinanwärter abgefragt.
Beurteilt werden beispielsweise Fahrzeugbedienung, Verkehrsbeobachtung und Geschwindigkeitsanpassung sowie Verkehrsbeobachtung und Kommunikation mit anderen Verkehrsteilnehmern. Auch die Fahrprüferinnen und -prüfer, die bis zu neun Prüfungsfahrten pro Tag begleiten, müssten dabei immer sehr konzentriert sein, so Rupp.
Am Ende wird mit dem Programm je nach Schwere und Häufigkeit der Fehler ein Protokoll erstellt, dessen Ergebnis der Prüfer noch bestätigen muss. Dann heißt es: Daumen hoch oder „hat leider nicht geklappt“.
Führerschein Hamburg: Junge Kollegin gibt vor Fahrprüfung wichtige Tipps
Zur Vorbereitung habe ich mich von einer jungen Kollegin, die ihre praktische Prüfung vor wenigen Wochen gemacht und auf Anhieb bestanden hat, ein wenig briefen lassen. „Beide Hände immer ans Lenkrad. Beim Stoppschild an der Haltelinie stehen bleiben und bei Schienen das Tempo drosseln“, hat sie mir mitgegeben.
Rupp hält seinen Rechner auf dem Schoß und gibt von hinten die Strecke vor: „Immer geradeaus fahren, es sei denn, Verkehrszeichen oder -regeln verbieten das. Dann suchen Sie sich eine Möglichkeit aus oder fragen nach. Ich wünsche viel Erfolg. Wenn Sie so weit sind, starten wir.“
Fahranfänger machen viele Dinge richtig, die man später bleiben lässt
Weil wir in meinem Auto sitzen, sind Spiegel und Sitz schon passend für mich eingestellt. Es ist ungewohnt, beide Hände immer am Steuer zu haben. Üblicherweise liegt meine rechte Hand meistens auf der Gangschaltung – aber ich mache es lieber so, wie es mir meine Kollegin geraten hat.
Wenn auf der eigenen Spur rechts ein Hindernis auftaucht, blinke ich links. Und vor dem Einscheren blinke ich wieder rechts. Das haben auch meine Kinder in der Fahrschule so gelernt und während des Begleiteten Fahrens praktiziert. Kann ja in der aktuellen Prüfungssituation nicht schaden. Das Überholen, wenn jemand vor mir sehr langsam fährt, verkneife ich mir mit dem Prüfer im Nacken lieber. Mit ihm zu plaudern, um die Situation aufzulockern, ist auch eher nicht angesagt.
Führerschein Hamburg: Gefahrenbremsung klappt erst beim dritten Mal
Ich schwimme im Verkehr mit. Bei einem Stoppschild halte ich an, dann taste ich mich an die Kreuzung vor und biege rechts ab. Natürlich achte ich die ganze Zeit peinlich genau auf Geschwindigkeitsbegrenzungen.
In einer ruhigen 30er-Zone kündigt Peter Rupp eine bevorstehende Gefahrenbremsung an. „Auf 30 beschleunigen und bei meinem Kommando bremsen“, erklärt der Prüfer. Dafür muss man Bremse und Kupplung gleichzeitig durchtreten. Schließlich kommt sein Kommando. Das Auto stoppt – aber nicht schnell genug.
„Das war doch keine Gefahrenbremsung“, sagt er, „noch mal!“ Ich habe offenbar nicht genug durchgetreten. Er gewährt mir ein weiteres Mal. Klappt wieder nicht. Mist! Erst beim dritten Mal löst das Antiblockiersystem (ABS) aus. „Da war‘s“, sagt er und klingt zufrieden. Aber wie entscheidend werden die zwei Fehlversuche für das Bestehen der Prüfung sein? Es reicht jedenfalls, mich leicht zu verunsichern.
Rückwärts einparken bei Fahrprüfung – plötzlich gar nicht so leicht
Danach muss ich zwischen zwei Fahrzeugen rückwärts einparken. Die Lücke ist groß genug. Obwohl ich das eigentlich besser kann, lande ich dichter am Kantstein als beabsichtigt. Aber der Prüfer wirkt gnädig.
An einem Kreisverkehr setze ich beim Einfädeln den Blinker, obwohl ich doch genau weiß, dass man erst beim Ausfahren blinkt. Wieder ein Gefühl der Unsicherheit. Fällt man wegen so eines Fehlers durch? Brenzlig wird es an einer Ampel, die geradeaus auf Rot umspringt, während der Linksabbiegepfeil noch grün ist. Also beschleunige ich und biege links ab. Nach etwa 50 Minuten stehen wir wieder auf dem Hof des TÜV. Mein Gefühl? Fifty-fifty.
Führerschein Hamburg – Prüfungsprotokoll nach der Fahrt ist ernüchternd
Doch es lief schlechter. Das Prüfungsprotokoll, das Peter Rupp die ganze Zeit über ausgefüllt hat, ist ernüchternd. In keinem einzigen Fahrkompetenzbereich schneide ich sehr gut ab. Ein „Gut“ erreiche ich immerhin bei der Geschwindigkeitsanpassung, der Kommunikation mit anderen Verkehrsteilnehmern und der Fahrzeugbedienung bzw. einer umweltbewussten Fahrweise.
Nur ausreichend ist die Fahrzeugpositionierung – also war mein Einparken wirklich nicht so besonders. Ich solle die Benutzungsvorschriften für Fahrbahnen künftig besser beachten, steht im Protokoll.
Meine Verkehrsbeobachtung ist offenbar ebenfalls noch ausbaufähig. „Beobachten Sie immer die gesamte Verkehrssituation. Beachten Sie auch alle Verkehrszeichen und/oder Verkehrseinrichtungen“, heißt es dazu im Protokoll. Dabei gucke ich wirklich ständig in den Rückspiegel, was der strenge Prüfer allerdings anzweifelt.
Fahrprüfung: Sobald man ein „nb“ kassiert hat, ist die Sache zu Ende
Die wirklich dicken Fehler werden gesondert aufgeführt. Dass ich beim Stoppschild erst direkt beim Verkehrszeichen und nicht an der Haltelinie davor gehalten habe, hätte eigentlich sofort zum Ende der Prüfung geführt. Es ist eines der „Delikte“, die eigentlich sofort mit dem kleinen roten Code „nb“ (für nicht bestanden), geahndet werden.
Peter Rupp hat mich dennoch weiter fahren lassen, um zu sehen, was ich sonst noch kann – oder eben nicht kann. Denn ich habe noch ein zweites „nb“ kassiert. Der Abbiegepfeil, der beim Linksabbiegen in letzter Sekunde schon fast „kirschgrün“ wurde, lag direkt vor Bahngleisen, vor denen ich das Tempo drastisch hätte reduzieren müssen. Doch ich wollte noch schnell über die Kreuzung.
Führerschein Hamburg – Gesamtergebnis nach der Testfahrt: nicht bestanden
„Im Zweifel lieber vom Tempo runter und die nächste Ampelphase abwarten“, rät Rupp. Dann hätte ich vermutlich auch adäquat vor den Schienen abgebremst. Für eine Gefahrenbremsung darf man zudem nicht drei Anläufe brauchen, bis sie klappt.
Das Gesamtergebnis lautet, so bitter es ist: nb – nicht bestanden. Zu meiner Ehrenrettung kann ich nur anführen, dass ich seit 1987 unfallfrei Auto fahre.
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Führerschein Hamburg: Tipp für ältere Autofahrer – Fahrtraining absolvieren
Die Forderung, dass ältere Semester – auch wenn sie seit vielen Jahren die Fahrerlaubnis besitzen – ab einem bestimmten Alter erneut eine Prüfung ablegen müssen, unterstützt Peter Rupp im Übrigen nicht. „Gegen so eine Verordnung gäbe es einen Riesenaufschrei“, sagt er. Aber er empfiehlt älteren Autofahrern durchaus, gezielte Fahrtrainings zu absolvieren. Das wäre in jedem Fall hilfreich.
Mir gibt er zum Abschied mit: „Mit Routine gleicht man vieles aus.“ Und weil es ja nur eine Testfahrt war, darf ich auch meinen Führerschein behalten. Als ich vom Hof fahre, wieder in gewohnter Manier und nicht zögerlich wie eine Fahrschülerin, bin ich sehr froh, dass kein Prüfer mehr auf dem Rücksitz sitzt, der alles akribisch beobachtet.
Aber ganz ehrlich – die Schmach sitzt immer noch tief, auch wenn mich das Ergebnis nicht völlig überrascht hat. Ein Fahrsicherheitstraining ist vielleicht keine üble Idee.