Hamburg. Anfahrt zu einem Haus in Harvestehude ist nicht mehr möglich. Doch das ist nicht das einzige Problem der verzweifelten Eigentümer.
Eine Garage ist laut Duden-Definition ein Raum zum Einstellen von Kraftfahrzeugen. Zum Haus von Susanne Hoff in der St. Benedictstraße 46 in Hamburg-Harvestehude im Bezirk Eimsbüttel gehört eine Garage. Auch eine Garageneinfahrt gibt es, aber Kraftfahrzeuge kann man darin seit einiger Zeit nicht mehr abstellen. Denn die Stadt hat den Hauseigentümern einen Kreisverkehr vor die Tür gebaut und ihnen die Überfahrt zu ihrer Garage untersagt.
„Als Hamburger Bürgerin fühle ich mich in diesem Fall den Behörden gegenüber völlig hilflos und zweifle mittlerweile an der Rechtsstaatlichkeit unseres Stadtstaates“, sagt die Miteigentümerin. „Das ist doch eine klare Enteignung.“
Verkehr Hamburg: Eigentümerin in Harvestehude darf nicht mehr in Garage fahren
Ihr Großvater habe das etwa 1894 erbaute Haus im Jahr 1951 gekauft. Seither sei es in Familienbesitz und gehöre inzwischen einer Erbengemeinschaft aus zwei Personen, sagt Hoff. Eine ehemalige Küche sei 1951 zur Garage umgebaut worden, die Baugenehmigung dafür stammt ihren Angaben zufolge aus demselben Jahr.
Im Frühjahr 2022 hätten gleichzeitig mit der Einführung des Anwohnerparkens in dem Gebiet die Umbauarbeiten an der Kreuzung St. Benedictstraße/Heilwigstraße begonnen. Davor wurde der Verkehr mit Ampeln geregelt. „Es gab für die Anlieger zu diesem Zeitpunkt überhaupt keine Information“, sagt die Mutter von drei Kindern. „Erst für die dritte Bauphase im Mai 2022 gab es eine Bürgerinformation in Form eines Flyers.“
Umbaupläne in Harvestehude berücksichtigen Überfahrt zur Garage nicht
Darauf sieht man auch, dass die Garage in den Planungen gar nicht berücksichtigt wurde. Eine Begehung durch die Verantwortlichen habe es offenbar nie gegeben, sonst hätte es ja jemandem auffallen müssen, dass durch den Umbau eine Garage von der Straße abgeschnitten wird, meint Hoff. „Das hätte man ja auch anders planen können. Die Ausfahrt hätte verlegt oder ein kleiner Wendeplatz eingerichtet werden können.“
Stattdessen habe im Mai 2022 eine Frau in Signalkleidung ihren Eltern, die im Erdgeschoss des Hauses lebten, mitgeteilt, dass sie die Garage nicht mehr nutzen dürften, weil es dafür keine Baugenehmigung gebe.
„Diese existiert jedoch und hätte jederzeit vorgelegt werden könne. Mein Vater hat daraufhin einen Anwalt eingeschaltet, der versucht hat, einen Baustopp zu erwirken. Der wurde abgelehnt. Danach wurde umso schneller weitergebaut“, sagt seine Tochter. Der Kreisel wurde im Herbst 2022 fertiggestellt.
Behörde spricht von mehr Sicherheit für die Verkehrsteilnehmer in Harvestehude
„Dieser Kreisel bietet nun im Vergleich zur Kreuzung mehr Sicherheit für die Verkehrsteilnehmenden, führt zu einem ausgewogenen Verkehrsablauf ohne längere Wartezeiten, bietet neue Schutzstreifen für Radfahrende und Barrierefreiheit an den Bushaltestellen“, sagt eine Sprecherin des Landesbetriebs Straßen, Brücken und Gewässer (LSBG), der den Umbau durchführte, auf Anfrage.
„Darüber hinaus konnten im vorliegenden Fall die versiegelte Fläche reduziert und neue Bäume gepflanzt werden. Das Verwaltungsgericht und das Oberverwaltungsgericht haben die Planung des LSBG für rechtmäßig und ausreichend abgewogen bewertet und bestätigt“, sagt sie weiter. Genehmigungen zu Überfahrten auf private Grundstücke, wie die besagte Garage in der St. Benedictstraße 46, würden nicht vom LSBG, sondern von den zuständigen Bezirksämtern erteilt.
Bezirk Eimsbüttel beruft sich auf Paragraf 18 des Wegegesetzes
So wie sich die Situation jetzt darstellt, müsste Hoff über einen Zebrastreifen und den breiten Fußweg mehrere Meter weit in ihre Garageneinfahrt fahren, und dann ist da noch die hohe Bordsteinkarte. Kay Becker, Sprecher des zuständigen Bezirks Eimsbüttel, sagt zum Thema Überfahrtgenehmigung: „Gemäß Paragraf 18 Abs. 2 HWG (Hamburgisches Wegegesetz) darf die Erlaubnis zum Überqueren des Gehweges mit Fahrzeugen widerrufen werden, wenn die Verkehrsverhältnisse oder der Zustand der öffentlichen Wege dies erfordern. Dies ist die Rechtsgrundlage.“
Becker führt fort: „Im konkreten Fall würde eine Gehwegüberfahrt das Rückwärtsfahren erfordern, da ein Wenden auf Privatgrund nicht möglich ist. Zudem überschneiden sich die Gehwegüberfahrt und die auf den Fußgängerüberweg zuführende Gehwegfläche. Mit dem Bau einer Überfahrt würde eine äußerst unübersichtliche und daher gefährliche Situation geschaffen. Nutzer der Überfahrt müssten die Verkehre des Kreisverkehrs, des zuführenden Arms sowie den Bereich des Fußgängerüberwegs und des vorgelagerten Gehwegs im Blick behalten, um sicher in den Fließverkehr einfahren oder diesen verlassen zu können. Dies alles trifft in Abgrenzung zu anderen auf das Grundstück Nr. 46 zu.“
Eigentümer haben gegen Behördenentscheidung Widerspruch eingelegt
Nach Abwägung des privaten Interesses an einer fortbestehenden Nutzung der Überfahrt und dem öffentlichen Interesse, dort keine verkehrsunsicheren Situationen zu schaffen, sei es erforderlich gewesen, die Überfahrtgenehmigung zu widerrufen und die Überfahrt zurückzubauen. „Es bestand leider keine Möglichkeit durch andere, mildere Maßnahmen die Situation zu entschärfen und eine Zufahrt zur Garage im Gebäude St. Benedictstraße 46 weiterhin zu ermöglichen.“
Gegen diesen Verwaltungsakt haben die Eigentümer Widerspruch eingelegt. „Dieses Widerspruchsverfahren läuft noch, da die Gegenseite Fristverlängerung beantragt hat“, so Bezirksamtssprecher Becker.
Eigentümer lässt die Sache selbst auf dem Totenbett nicht los
Susanne Hoffs Vater starb wenige Monate nach dem Kreuzungsumbau, ihre Mutter nur wenige Monate später. Die erlittene Ungerechtigkeit habe ihm, der selbst Jurist war, keine Ruhe gelassen. „Er hat noch auf dem Totenbett mit dem Anwalt telefoniert und seinen Kummer über die Missachtung der Hamburger Verwaltung zum Ausdruck gebracht“, sagt seine Tochter.
Als Rechtsnachfolgerin ihrer Eltern empfindet Susanne Hoff ebenso. Sie ist dabei, den Nachlass zu ordnen. „Ich habe viel zu transportieren, aber ich kann hier nur sehr schlecht parken.“ Und zum Widerruf der Überfahrtgenehmigung sagt sie: „Die Behörde spricht immer von der Gefährlichkeit durch die Ausfahrt von Autos auf die Straße, aber dadurch ist hier noch nie ein Unfall passiert.“ Das direkt angrenzende Haus und viele weitere daneben haben ebenfalls eine Garage und diese samt Überfahrt behalten.
Hamburg-Harvestehude: Eigentümerin hat nichts gegen den Kreisel
Susanne Hoff sagt, die Widerspruchsbehörde habe jedoch schon signalisiert, dass sie in ihrem Fall keinen Handlungsspielraum sehe. Was ihr, die selbst Juristin ist, am meisten zusetzt: „Das Ausgeliefertsein und diese Machtlosigkeit und es trotz juristischem Sachverstand nicht verstehen zu können.“
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Dabei hat sie keineswegs etwas gegen den neuen Kreisverkehr vor der Haustür, denn es sei deutlich ruhiger geworden, „der Kreisel an sich ist schön“, sagt sie, aber der Verlust der Garage sei einfach nicht hinnehmbar. Derzeit kämpft sie um ihren Entschädigungsanspruch gegen den Landesbetrieb Immobilienmanagement und Grundvermögen (LIG). „Dort hat man mir 2500 Euro Entschädigung angeboten und einen Monat freies Parken.“
Weil sie nicht selbst im Haus lebt, kann sie auch Bewohnerparken nicht nutzen
Hoff lebt mit ihrer Familie in Schnelsen und muss wie alle anderen externen Autofahrer in der Bewohnerparkzone an der St. Benedictstraße drei Euro pro Stunde bezahlen. „Um vom Anwohnerparken zu profitieren, müsste ich hier im Haus einen Nebenwohnsitz haben, dafür Zweitwohnungssteuer bezahlen und könnte dann für 65 Euro im Jahr Bewohnerparken beantragen.“ Das sei absurd. „Wenn Wetter und Zeit es zulassen, fahre ich gern mit dem Fahrrad oder öffentlichen Verkehrsmitteln. Das dauert aber dann doppelt so lange wie mit dem Auto.“
Ihr Anwalt gehe von einer Entschädigungssumme zwischen 50.000 und 100.000 Euro aus, die in diesem Fall angemessen sei, sagt Hoff, wenn man einen Preis von etwa 100 Euro pro Monat für einen Stellplatz in der Gegend zugrunde lege. Und abgesehen davon müsse der etwa 20 Zentimeter hohe Übergang vom Fußweg zur Garageneinfahrt angeglichen werden, um wenigstens mühelos ein Lastenrad oder Motorrad in die Garage schieben zu können. „Aber beim LIG heißt es, dass die Baumaßnahme abgeschlossen sei und dafür kein Geld mehr da sei.“
Verkehr Hamburg: Rechtsstreit wegen des Kreisels und der Garage kostet viel Geld
Auch sei der Gebrauch des Hauses als solches schließlich nicht beeinträchtigt. „Zu laufenden Verfahren äußert sich der Senat in ständiger Praxis nicht. Ich kann Ihnen daher keine Auskunft zu diesem Einzelfall geben“, sagte eine Behördensprecherin.
Inzwischen sind laut Susanne Hoff in dem Rechtsstreit Kosten von etwa 25.000 Euro angefallen. Sie ist die juristischen Ränkespiele der Behörden leid. „Mir will sich nicht erschließen, warum in einem Gebiet mit Parkplatznot die Nutzung einer Garage untersagt wird, es hätte nur ein wenig guten Willens bedurft. Ich möchte einfach die Garage wieder nutzen können.“