Hamburg. Privates Unternehmen geht im Auftrag der Hochbahn gegen Falschparker vor. Streitfall in den Elbvororten spitzt sich weiter zu.

Sie hatte sich schon so gefreut, als sich vor ihrem Café in Othmarschen Leute an dem Verkehrsschild vor ihrem Laden zu schaffen machten. Doch Jaqueline Mahnks Hoffnung wurde bitter enttäuscht. Anstatt eines erwarteten Hinweises darauf, dass Kunden auf den neuen und umstrittenen HVV-Switch-Parkplätzen in der Liebermannstraße nun eine halbe Stunde lang mit Parkscheibe kostenlos parken dürfen, wurde etwas ganz anderes angebracht.

Auf dem neuen Hinweisschild steht, wie hoch die neue Strafe für Falschparker ausfällt. Der Betrag wurde verdoppelt – von bislang 20 auf dann 40 Euro. „Das gibt es doch gar nicht. Wollen die uns nicht verstehen?“, ärgert sich Mahnk. Die Café-Betreiberin wehrt sich mit anderen betroffenen Geschäftsleuten in der Liebermannstraße gegen die direkt vor der kleinen Ladenzeile eingerichteten Parkplätze speziell für Carsharing-Fahrzeuge. Nach Gesprächen mit dem HVV war ein Kompromiss gefunden worden. Eigentlich.

HVV-Switch-Parkplätze: Geschäftsleuten reicht es, sie starten Unterschriftenaktion

Denn nun fühlen sich die Geschäftsleute „verkohlt“, wie es Mahnk ausdrückt. Sie sieht mit der unangekündigten Erhöhung sowie dem nicht angebrachten Hinweis auf den vorläufigen Kompromiss die bisherigen Gespräche ad absurdum geführt. Schließlich wisse so kaum einer, dass er hier eine halbe Stunde lang auf den Switch-Plätzen parken dürfe. „Wir wollen nicht mehr“, sagt die Café-Betreiberin und kündigt an, dass man jetzt Unterschriften für eine Verlegung der HVV-Switch-Parkplätze sammeln werde.

Der Ärger in der Liebermannstraße begann in den Herbstferien. Damals richtete die Hochbahn vor der Ladenzeile den neuen Standort ein. In der Praxis sind von den acht Stellplätzen nun vier für Carsharing-Autos gedacht. Wer hier jetzt mit dem privaten Fahrzeug hält, um beispielsweise im Blumenladen oder im Hofladen etwas einzukaufen, zahlt von sofort an 40 Euro plus Bearbeitungsgebühr. Dabei kommt die Quittung für das Falschparken aber nicht von der Stadt.

Parken Hamburg: Rechnung über das Falschparken kommt von Privatunternehmen

Anders als beispielsweise in der Waitzstraße oder anderen Parkbereichen im öffentlichen Raum zetteln in diesem Fall nämlich nicht die Polizei oder der Kontrolldienst des Ordnungsamtes ab, sondern ein privates Unternehmen. Auch die Ladenbetreiber in der Liebermannstraße beobachten die fleißigen Mitarbeiter des Privatunternehmens regelmäßig vor Ort. Auf Abendblatt-Anfrage bestätigt die Hamburger Hochbahn das Vorgehen.

„Bei HVV-Switch-Punkten handelt es sich um Sondernutzungsflächen, welche wie private Flächen gehandhabt werden“, erklärt Sprecherin Constanze Salgues. Diese zählten nicht zum öffentlichen Straßenraum, deshalb sei weder die Polizei noch die Stadt Hamburg zuständig. Deshalb handelt es sich wie bei einem Supermarkt-Parkplatz auch um eine Vertragsstrafe und nicht um ein Bußgeld, das die Betroffenen zu zahlen haben und das von der Hochbahn als Eigentümerin festgelegt wird. Die Rechnung kommt von der PRS Parkraum Service GmbH.

HVV: Switch-Parkplätze werden durch private Firma überwacht

„Als Eigentümerin der Flächen hat die Hochbahn im Zuge eines Ausschreibungsverfahrens die PRS Parkraum Service GmbH mit der Kontrolle und Parkraumüberwachung beauftragt“, erklärt Sprecherin Salgues. Das Unternehmen kontrolliere demnach seit 2016 ausschließlich die HVV-Switch-Punkte, deren Zahl allerdings jährlich wächst. Mittlerweile sind es 150 Standorte mit 800 Stellplätzen, verteilt über die gesamte Stadt. Allein in Bergedorf sind weitere sechs neue Standorte geplant.

Wie viele „Parkknöllchen“ durch die PRS Parkraum Service GmbH verteilt werden und wie hoch die Einnahmen sind? Dazu kann sich die Sprecherin der Hochbahn nicht äußern. „Private Unternehmenszahlen der PRS Parkraum Service GmbH zu verhängten Vertragsstrafen unterliegen dem Geschäftsgeheimnis“, so Salgues. Aber sie betont: „Zwischen der Hochbahn und der PRS Parkraum Service GmbH fließt dabei kein Geld.“ Die Hochbahn sei nicht an den Einnahmen beteiligt.

Zur Verdopplung der Vertragsstrafe erklärt sie: „Diese wurde auf allen HVV-Switch-Punkten erstmals seit März 2016 von 20 auf 40 Euro angehoben. Dabei handelt es sich um eine marktkonforme Anpassung, basierend auf der des Bußgeldkatalogs, welche bereits 2021 erfolgte.“

Parken Hamburg: Kaufleute kritisieren, dass Kunden wegbleiben

Zum Vergleich: Für einfache Parkverstöße im öffentlichen Raum wird ein Bußgeld von 25 Euro fällig, viele Parkplatzbetreiber in Hamburg verlangen höhere Strafen ab 30 Euro. „Da die Bereitstellung der Sonderflächen einen positiven Einfluss auf die Nutzung von Sharing-Angeboten hat und diese wiederum wichtiger Bestandteil der Bemühungen um gute Alternativen zur privaten Pkw-Nutzung ist, gilt für das Abstellen nicht berechtigter Fahrzeuge eine Vertragsstrafe“, erläutert Salgues die Preispolitik der Hochbahn.

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In der Liebermannstraße in Othmarschen merken die Geschäftsleute von einem positiven Einfluss allerdings nichts. Im Gegenteil. „Wir merken bereits jetzt, dass sich Kunden umorientieren, weil sie keinen Parkplatz finden. Die machen uns so tot“, sagt Mahnk.

Und auch einen Stadtteil weiter in Groß Flottbek wehren sich Geschäftsleute gegen die dort ebenfalls eingerichteten HVV-Switch-Parkplätze in der Beselerstraße. Allerdings gingen die Kaufleute dort anders vor. Sie ließen sich auf den Kompromiss – 30 Minuten freies Parken für Kunden – gar nicht ein und fühlen sich jetzt bestätigt.

Groß Flottbek: Verhandlungen mit dem HVV über alternativen Standort

„In unseren Augen ist der Kompromiss keiner, darauf lassen wir uns nicht ein“, sagt der Sprecher der dortigen Geschäftsleute Frank Herrman, Inhaber der Under Par Golfservice GmbH. Die Kaufleute schrieben eine Eingabe an den Bezirk, wurden vorstellig im Verkehrsausschuss. Dort fanden sie Gehör bei fast allen Parteien. Jetzt stehe ein Treffen mit Vertretern des HVV an, um über einen alternativen Standort zu sprechen.

Auch für Mahnk und die betroffenen Kaufleute steht am 31. Januar ein neuer Termin für einen runden Tisch an. Für den HVV gehe es darum, auszuwerten, ob die 30-Minuten-Regel für mehr Akzeptanz der Switch-Parkplätze bei den Betroffenen gesorgt habe. Daraufhin werde entschieden, „ob und in welchem Rahmen dieser Ansatz zur dauerhaften Anwendung kommt“, wie die Hochbahn-Sprecherin es formuliert. Für Mahnk und ihre Kollegen geht es um mehr, ums „Überleben“, wie sie sagt.