Hamburg. Hamburger warten besonders lange auf praktische Prüfung, extrem hohe Durchfallquote. TÜV Hanse will den Teufelskreis durchbrechen.
Sandra Sander und ihr Weg zum Auto-Führerschein, das lief anfangs recht flüssig. Mitte Mai bestand die junge Hamburgerin, die ihren richtigen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte, die Theorieprüfung. Im Juli war sie dann auch hinter dem Steuer so fit, dass ihre Fahrschule sie zur praktischen Prüfung anmeldete. Seitdem läuft gar nichts mehr. „Ich warte inzwischen seit vier Monaten auf einen Prüfungstermin“, sagt die Führerscheinaspirantin.
Sandra Sander ist kein Einzelfall. „Ein Zeitraum von drei bis vier Monaten zwischen Anmeldung und praktischer Prüfung ist leider fast schon die Regel“, sagt Bernd Ehlers, der Erste stellvertretende Vorsitzende des Fahrlehrerverbands Hamburg. In Berlin seien die Wartezeiten ebenfalls deutlich länger als in den Flächenbundesländern. Der ADAC Hansa bestätigt: „Wir wissen, dass das Problem in Großstädten besonders stark ausgeprägt ist“, sagt Christian Hieff, der Sprecher des Automobilclubs in Hamburg. Der Grund: Es gibt zu wenig Fahrprüfer.
Führerschein Hamburg: Zu wenig Prüfer – wie Fahrlehrer helfen sollen
„Durch natürliche Fluktuation und hohe Eingangsvoraussetzungen ist Personalmangel ein Thema“, bestätigt Vincenzo Lucà, Sprecher für Verkehrsthemen beim TÜV Süd, dem Mutterunternehmen des TÜV Hanse. Dieser ist die einzige Organisation, die in Hamburg und im Auftrag der Stadt theoretische und praktische Führerscheinprüfungen abnehmen darf. Auch Lucà spricht von „Schwierigkeiten, gerade in Hamburg“. Allerdings lasse sich keine feststehende Wartezeit in der Stadt benennen. „Die Fahrschulen bekommen von uns nach ihrem Bedarf feste Prüfungsplätze und bestimmen dann selbst, wen sie zur Prüfung schicken. Der Bedarf wird viermal im Jahr abgefragt. Wie lange die Bewerber im Einzelfall auf den Prüfungstermin gewartet haben, wissen wir nicht.“ Freie Termine könnten auch mal sehr kurzfristig vergeben werden. „Manche sind schon nach drei Wochen dran“, sagt Bernd Ehlers vom Fahrlehrerverband, „aber das sind einige wenige Ausnahmefälle.“
TÜV-Sprecher Lucà sagt, „wie bei allen hoch qualifizierten Berufen ist es sehr schwierig, geeigneten Nachwuchs zu finden. Fahrprüfer gibt es nicht am Arbeitsmarkt. Diese müssen erst ausgebildet werden.“ Voraussetzung dafür, Prüfungen abzunehmen, sei ein abgeschlossenes Ingenieursstudium. Daran schließe eine zweijährige Spezialausbildung zum Kfz-Sachverständigen an. Erst mit dieser Qualifikation dürften die beim TÜV angestellten Fachleute sowohl die Hauptuntersuchungen an Fahrzeugen vornehmen als auch Fahrprüfer sein. Im Schnitt setze der TÜV Hanse etwa 25 Beschäftigte als Fahrprüfer ein. „Wir haben das Personal seit 2017 um etwa 20 Prozent erhöht“, so der Unternehmenssprecher. Doch auch das reicht offenbar noch nicht.
Zusätzliche Fahrstunden in der Wartezeit – das geht ins Geld
Sandra Sander sieht sich und die anderen betroffenen Fahrschülerinnen und Fahrschüler in einer „äußerst schwierigen Lage“. Ihr Job an der Uni Hamburg erfordere eine langfristige Terminplanung. „Das ist jetzt schwierig, weil ich Angst habe, deshalb einen kurzfristig angesetzten Fahrprüfungstermin zu verpassen“, sagt sie. Und dann ist da noch die finanzielle Belastung: Um im wuseligen Hamburger Stadtverkehr bis zur Prüfung in Übung zu bleiben, bucht und bezahlt sie pro Monat zwei Doppelfahrstunden in ihrer Fahrschule. Das lange Warten auf die Fahrprüfung hat sie bereits Hunderte Euro zusätzlich gekostet.
„Das kann und will sich natürlich nicht jeder leisten“, sagt Fahrlehrer-Funktionär Ehlers. Mögliche Folge: Ungeübte Prüflinge fallen in der Praxisprüfung schneller durch – und lassen das Heer der auf die Prüfung Wartenden weiter anschwellen. Eine Art Teufelskreis also.
Führerschein für Pkw: Jeder Zweite in Hamburg fällt in Praxisprüfung durch
Sicher ist: Die Durchfallquote ist bei der Führerscheinprüfung in Hamburg überdurchschnittlich hoch. Nach den jüngsten Daten des Kraftfahrtbundesamtes für das Jahr 2022 besteht fast jeder zweite aller Führerscheinanwärter (alle Klassen) in der Stadt die praktische Prüfung nicht. Von den Hamburger Fahrschülern, die zum ersten Mal zur praktischen Prüfung für die Pkw-Fahrerlaubnis (Klasse B) antreten, betrug die Durchfallquote im vergangenen Jahr sogar bereits 52,3 Prozent. Nur im Saarland war sie höher. In Schleswig-Holstein lag die Durchfallerquote dagegen nur bei um die 40 Prozent.
„Die hohe Nichtbestehens-Quote in Hamburg macht es zusätzlich schwierig“, sagt TÜV-Sprecher Lucà, „wenn sie nur um fünf Prozentpunkte niedriger wäre, würde das die Kapazität für 2000 Prüfungen mehr pro Jahr schaffen.“ Er führt die vielen verpatzten praktischen Prüfungen in der Hansestadt auf die besonders schwierige Verkehrssituation in der Großstadt zurück. Manche Fahrlehrer dagegen glauben, es liege auch daran, dass so viele ihrer Schüler so lange auf die praktische Prüfung warten müssten.
Führerschein – TÜV Hanse bildet Fahrlehrer zu Fahrprüfern aus
Weil sofort einsetzbare, voll ausgebildete Fahrprüfer auf dem Arbeitsmarkt kaum zu bekommen sind, setze der TÜV Hanse bereits seit Jahren auch auf Quereinsteiger, heißt es. „Wir bilden unseren Berufsnachwuchs selbst aus“, sagt der Unternehmenssprecher. Zumeist sind es Fahrlehrerinnen und Fahrlehrer, die in einem mehrmonatigen Ausbildungsgang zu Fahrprüfern qualifiziert werden. Die Hürden für Quereinsteiger sind allerdings hoch: Sie müssen selbst die Führerscheine für sämtliche Fahrzeugklassen besitzen. Erst vor Kurzem sei ein solcher Fortbildungskursus in Hamburg mit sechs Quereinsteigern neu gestartet, so Lucà. „Wir gehen davon aus, dass sich die angespannte Situation im kommenden Jahr verbessert.“
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Sandra Sander fordert, dass die politischen Entscheidungsträger in Hamburg eingreifen, um die Wartezeiten zu verkürzen. Sich in Schleswig-Holstein zur praktischen Prüfung mit geringerem Durchfallrisiko anzumelden, ist keine Option: Führerscheinanwärter müssen die Prüfung auf der Straße an ihrem Wohnort absolvieren.