Hamburg. Am Sonntag steht in Hamburg der nächste Protest gegen Rechtsextremismus und AfD an. Eine Familienexpertin hat praktische Ratschläge.
Schon an den Lastenfahrrädern, mehrreihig an der Alster geparkt, habe man den „Familienbereich“, den Kirsten Mountakis-Michalski bei der großen Hamburger Demo gegen AfD und Rechtsextremismusam vergangenen Freitag organisiert und eingerichtet hatte, erkennen können.
Tatsächlich hatten sich schnell „wahnsinnig viele“ Eltern und Kinder zwischen Alstertor und Ballindamm eingefunden, sagt die Marketing-Expertin aus Altona, deren Instagram-Account „hamburgwithkids“ rund 23.000 Menschen folgen. „Schon nach sehr kurzer Zeit war das Areal jedenfalls so gut gefüllt, dass die Sicherheitskräfte niemanden mehr zugelassen haben“, sagt die alleinerziehende Mutter eines vierjährigen Jungen.
Demo gegen AfD in Hamburg – Eltern stellen sich viele Fragen
„Es war natürlich auch unser Anliegen, dass sich die Familien nicht zu bedrängt fühlen, dass sie das Gefühl haben, zügig wieder aus dem Getümmel herauszukommen“, sagt Kirsten Mountakis-Michalski. Laut Polizei nahmen rund 50.000 Menschen an der Demo teil.
Voll war es natürlich dennoch – und auch an diesem Sonntag, wenn ein breites Bündnis um Fridays-for-Future-Klimaaktivistin Luisa Neubauer ab 14 Uhr unter dem Motto „Für Vielfalt und unsere Demokratie – Hamburg steht zusammen gegen die AfD“ zum nächsten großen Protest aufruft, werden in der Innenstadt wieder Zehntausende erwartet.
Ein expliziter „Familienbereich“ ist für Sonntag (28. Januar) bisher nicht geplant. Doch können Eltern trotzdem mit einem guten Gefühl, Kinder zur Demonstration mitbringen? Ab welchem Alter sind Kinder für ein solches Großereignis alt genug? Was, wenn man das Kind im Getümmel verliert? Was, wenn es plötzlich auf die Toilette muss?
Demo mit Kindern: Für Hamburger Familienexpertin gibt es kein zu jung
Kirsten Mountakis-Michalski, deren Buch „Hamburg mit Kids“ (224 Seiten, 18 Euro) im April im Junius Verlag erscheint, gibt Antworten und hat Tipps für Familien, die am Sonntag gemeinsam demonstrieren möchten.
Ab welchem Alter können Kinder mit auf eine Demonstration gehen? „Für mich gibt es da keine Altersbeschränkung, kein zu jung“, sagt die Familienexpertin aus Altona. Babys fühlten sich in der Trage an der Brust von Mama oder Papa sicher („nicht anders als ein Spaziergang“), Kita-Kinder hätten auf den Schultern ein sicheres Gefühl und den wohl besten Überblick über das Geschehen.
Demo mit Kindern: Familien sollten sich nicht mitten ins Getümmel stürzen
Doch was sagt sie Eltern, die Angst vor Ausschreitungen haben? „Die Sorge habe ich in meinem Umfeld tatsächlich auch häufig gehört, wobei ich mir selbst darüber gar keine Gedanken gemacht habe“, sagt Mountakis-Michalski. Denn bisher seien ja auch beispielsweise die Fridays-for-Future-Kundgebungen stets ein friedlicher Protest gewesen.
Wo hält man sich mit Kindern am besten auf? „Das macht man vermutlich intuitiv. So wie man bei einem Kinderkonzert vielleicht eher einen Randplatz in der Nähe des Ausgangs sucht, so wird man sich bei einer Großveranstaltung mit kleinen Kindern nicht mitten ins Getümmel stürzen.“ Es sei hilfreich, darauf zu achten, dass sich in der Nähe eine U-Bahn-Station befinde oder die nächste Bushaltestelle gut erreichbar sei.
Praktischer Tipp für Eltern: ein Heliumballon
Wie verhindert man, dass das Kind in der Menge verloren geht? „Ich habe gesehen, dass einige Eltern dem Kind einen auffälligen Heliumballon ans Handgelenk gebunden haben – eine sehr pragmatische und gute Idee“, so die 41-Jährige.
Ebenfalls sehr verbreitet sei, dem Kind die Handynummer von Mutter oder Vater auf den Jackenärmel zu kleben oder in die Hand zu schreiben. „So kann es im Notfall jemanden bitten, die Eltern anzurufen.“ Grundsätzlich sei es gut, im Verbund mit mehreren Familien eine solche Großdemonstration zu besuchen. „Viele Augenpaare sehen mehr.“
Demo Hamburg: Schon Kindern kann man vermitteln, worum es geht
Was, wenn das Kind dringend auf die Toilette muss? „Schwierig“, sagt Kirsten Mountakis-Michalski. „Wir hatten den Familienbereich in die Nähe der Europa Passage gelegt, um die Toiletten im Einkaufszentrum nutzen zu können, aber die waren absolut überfüllt.“ Halte man sich am Rand des Geschehens auf, könne man mit einem Kind auch in eines der umliegenden Cafés eilen.
Wichtig: Wie vermittelt man kleinen Kindern, wofür oder wogegen man da eigentlich auf die Straße geht? „Ich glaube, in einer multikulturell geprägten Metropole wie Hamburg ist das einfacher als in einer Kleinstadt, in der es kaum Menschen gibt, die anders sind“, sagt die Deutschniederländerin mit indonesischen Wurzeln.
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In Hamburg hätten schon Kita-Kinder Freunde, die anders aussehen oder woandersher kommen. „Und der kindliche Gerechtigkeitssinn sagt: Natürlich sollen meine Freunde in Deutschland bleiben dürfen.“
Einen Kritikpunkt versteht die Familienexpertin gar nicht
Der Vater ihres Sohnes sei Grieche, sodass ihr Junge ohnehin multikulturell aufwachse. „Ich glaube, man kann sehr niedrigschwellig und in einfachen Worten erklären, worum es geht.“ Grundsätzlich sei es von Vorteil, etwas positiv zu verstärken. „Also nicht zu sagen, wir sind gegen irgendetwas, sondern wir sind für ein buntes Land, für Freiheit.“
Und was sagt sie zur Kritik, man dränge den Kindern die eigene (politische) Meinung auf? „Das Argument verstehe ich gar nicht, denn man prägt seine Kinder ja ohnehin jeden Tag, man vermittelt ihnen Werte und eine Haltung.“ Und in diesem Fall, bei dem Anliegen der Demonstrantinnen und Demonstranten, könne es unter Demokraten doch eigentlich kaum eine andere Meinung geben.