Hamburg. Politiker wollen Musikclub nach Kündigung „nicht im Stich lassen“. Betreiber plant Demo mit Konzert. Was der Investor sagt.
Die Kündigung des Mietvertrags für den bekannten Hamburger Musikclub Molotow hat für zahlreiche Reaktionen gesorgt. Die Betreiber müssen bis zum 30. Juni 2024 aus dem Gebäude am Nobistor auf St. Pauli, das abgerissen werden soll, ausziehen.
In den sozialen Netzwerken hatten sich die Molotow-Macher über diese Entwicklung überrascht gezeigt. Auch Ralf Neubauer (SPD), Bezirksamtsleiter von Hamburg-Mitte, ist irritiert und sagte jetzt dem Abendblatt: „Der Projektentwickler hat uns eine Woche vorher noch versichert, dass eine kurzfristige Kündigung nicht anstehe und daher Zeit bleibe, eine Lösung für das Molotow zu suchen. Als besonders verlässlich nehmen wir ihn daher gerade nicht wahr.“
Molotow: Bezirksamtsleiter Ralf Neubauer sagt Hamburger Musikclub Unterstützung zu
Der Bezirksamtschef kündigte seine Unterstützung bei der Suche nach einer neuen Fläche an: „Wir setzen uns gleich Anfang Januar mit den Molotow-Betreibern und der Kulturbehörde zusammen. Der Kiez ist ohne seine Clubs nicht denkbar, das gilt ganz besonders für das Molotow.“
Auch Farid Müller, Grünen-Bürgerschaftsabgeordneter aus Hamburg-Mitte, beschäftigt das Thema: „Dass die Nachricht über die Kündigung kurz vor Weihnachten bekannt wurde, war ein Schlag ins Gesicht für die Molotow-Macher. Wichtig ist, dass jetzt eine Lösung für diesen für Hamburg so wichtigen Musikclub gefunden wird. Wir werden das Molotow nicht im Stich lassen.“
Im Abendblatt-Gespräch mahnte Timo Fischer, FDP-Fraktionschef in der Bezirksversammlung Hamburg-Mitte, an: „Das Molotow ist gelebte Clubkultur. Wenn Stadtentwicklung dazu führt, dass solche Orte wie das Molotow verschwinden, verlieren wir genau das, was unsere Stadt so besonders macht.“
Reeperbahn: Gebäude am Nobistor wird abgerissen, dort soll ein Hotel gebaut werden
Nach Abendblatt-Informationen soll mit dem Abriss der in die Jahre gekommenen Immobilie – noch liegt keine Baugenehmigung vor – im Herbst 2024 begonnen werden. Auf dem Areal ist ein „Me and All Hotel“ der Lindner-Gruppe mit rund 70 Zimmern geplant. Die junge Marke ist bereits in Düsseldorf, Hannover, Kiel, Mainz und Ulm vertreten.
Das Konzept setzt darauf, dass sich Hotelgäste mit Einheimischen vermischen, man sich in den Bars und Lounges der Häuser trifft. In Hamburg gibt es bereits zwei Lindner-Hotels am Michel und am Tierpark Hagenbeck.
Eigentümer des Molotow-Gebäudes ist seit 2019 René Marn. Der Projektentwickler sagte dem Abendblatt: „Es ist ein Hotel geplant, das vom Konzept zum pulsierenden Stadtteil St. Pauli passt.“ Marn möchte „das Molotow bei der Suche nach einem neuen Standort unterstützen“ und befindet sich auch im Austausch mit dem Bezirksamt Mitte.
Molotow: Laut Immobilieneigentümer René Marn kam die Kündigung „nicht überraschend“
„Den Clubbetreibern war bekannt, dass wir hier ein Neubauprojekt planen, und die Kündigung kam auch nicht überraschend“, sagte Marn im Abendblatt-Gespräch.
In einer Stellungnahme hatte Molotow-Betreiber Andi Schmidt verlauten lassen, dass es am Mittwoch vor Weihnachten ein Gespräch zwischen ihm und Marn gegeben habe, in dem der Projektentwickler mitgeteilt habe, dass der Hotelbaubeginn bereits für 2024 geplant sei. „Damit haben wir nicht gerechnet“, so Schmidt. Man sei davon ausgegangen, wenigstens ein Jahr im Voraus über die Baupläne informiert zu werden.
„Molotow Must Stay“: Betreiber des Musikclubs plant Demo mit Konzert
Am kommenden Sonnabend plant Schmidt laut der Nachrichtenagentur dpa eine Solidaritätsdemo mit bekannten Musikern, darunter die Punkband Team Scheisse, und einer Kundgebung durch St. Pauli. Damit solle auch ein Zeichen gegen Investoren, Politik und Verwaltung gesetzt werden: „Wir wollen nicht tatenlos zusehen, wie sich eine Stadt langsam abschafft und immer stiller wird!“ Der Polizei zufolge werden bei der Kundgebung „Molotow Must Stay“ rund 3000 Teilnehmende erwartet, wie die dpa berichtet.
Seit 2014 befindet sich das Molotow im Exil am Nobistor 14 am Ende der Reeperbahn, zuvor war der Musikclub ebenfalls als Interimslösung an der Holstenstraße zu finden.
Molotow sollte in das Paloma-Viertel am Spielbudenplatz ziehen – aber das Projekt steht still
Eigentlich hätte der legendäre Musikclub schon lange wieder an seinen ursprünglichen Ort am Spielbudenplatz zurückgekehrt sein sollen: Der befand sich in den Esso-Hochhäusern, die bereits vor zehn Jahren abgerissen wurden.
Auf dem Filetgrundstück wollte der Münchner Projektentwickler Bayerische Hausbau das Paloma-Viertel errichten. Es sollten dort 200 Wohnungen, ein Hotel mit 150 Zimmern sowie Flächen für Handel und Gastronomie entstehen. Und auch das Molotow sollte dort eine Fläche erhalten.
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Die Bayerische Hausbau hätte schon im November 2021 den Bauantrag einreichen können, nachdem die Bezirksversammlung die Vorweggenehmigungsreife für das Bauvorhaben beschlossen hatte. Aber nach Abendblatt-Informationen ist bis heute kein Bauantrag gestellt worden.
Reeperbahn: Bayerische Hausbau will Areal am Spielbudenplatz verkaufen
Es ist kein Geheimnis, dass die Bayerische Hausbau das Kiezgrundstück gern verkaufen würde. Dazu gab es auch schon Gespräche mit dem städtischen Wohnungsunternehmen Saga. Das hatte ein Sprecher bereits im August auf Abendblatt-Anfrage bestätigt.
Aber offensichtlich ist es bei den Gesprächen geblieben, und es gibt keine ernsthaften Verkaufsverhandlungen. Bis das Molotow in einen Neubau am Spielbudenplatz einziehen könnte, werden also mit Sicherheit noch Jahre vergehen.