Hamburg. Das wichtigste Bauprojekt auf dem Kiez liegt seit Jahren brach. Der Stillstand sorgt für Empörung. Was der Investor dazu sagt.
Stillstand. Mit diesem einen Wort kann man beschreiben, wie die Entwicklung beim wichtigsten Bauvorhaben auf St. Pauli vorangeht. Eigentlich sollte auf dem Areal am HamburgerSpielbudenplatz – der Abriss der Esso-Hochhäuser auf dem Grundstück ist fast zehn Jahre her – das Paloma-Viertel entstehen. 200 Wohnungen – davon 60 Prozent öffentlich gefördert –, Handel, Gastronomie, ein Hotel mit 150 Zimmern und eine neue Fläche für den Musikclub Molotow sind geplant. Aber es passiert nichts.
Immobilien Hamburg: St. Pauli: Paloma-Viertel – Stillstand sorgt für Empörung
Das Abendblatt berichtet regelmäßig über dieses XXL-Projekt der Bayerischen Hausbau, die die rund 6100 Quadratmeter große Fläche, auf dem auch die berühmte Esso-Tankstelle stand, vor mehr als 14 Jahren von Jürgen Schütze gekauft hatte.
Die Bayerische Hausbau hat bis heute keinen Bauantrag gestellt. Das bestätigte das Immobilienunternehmen, das zur Schörghuber Gruppe mit Hauptsitz in München gehört, auf Abendblatt-Anfrage. Dementsprechend gibt es auch keinen Zeitplan für die Umsetzung des Großprojekts.
Hamburg-St. Pauli: Bayerische Hausbau spricht von „sehr komplexem Projekt“
Ein Sprecher der Bayerischen Hausbau sagte zum aktuellen Stand: „Beim Paloma-Viertel handelt es sich um ein sehr komplexes Projekt, bei dem weiterhin ein nicht unerheblicher Planungsanpassungsbedarf aufgrund bevorstehender Gesetzesnovellierungen, unter anderem Gebäudeenergiegesetz GEG, besteht.“ Details nennen die Projektentwickler nicht.
Aber, und das wird seit Jahren immer wieder betont: „Wir stehen, das galt bislang und gilt auch weiterhin, in regelmäßigem Austausch mit Verwaltung und Politik“, sagt der Bayerische-Hausbau-Sprecher.
Aus dem für den Spielbudenplatz verantwortlichen Bezirksamt Mitte heißt es dazu: „Wir hoffen, es geht bald voran.“ Dass man in regelmäßigen Kontakt mit dem Bauherrn stehe, wird auch von der Sprecherin bestätigt.
Paloma-Viertel: Bauantrag hätte im November 2021 gestellt werden können
Zur Erinnerung: Den Bauantrag hätte das Unternehmen schon im November 2021 einreichen können, nachdem die Bezirksversammlung die Vorweggenehmigungsreife für das Bauvorhaben beschlossen hatte. Im Mai 2022 hatte der Bayerische-Hausbau-Niederlassungsleiter Matthias Reuner noch angekündigt, dass die Bauanträge im Sommer eingereicht werden sollten.
Politik, Anlieger und Anwohner auf dem Kiez sind sich einig: Das Paloma-Viertel muss dringend kommen. Das wird auch im Abendblatt-Gespräch mit Tobias Piekatz deutlich. Der SPD-Stadtentwicklungsexperte im Bezirk Mitte sagt: „Das Paloma-Viertel ist für St. Pauli und für die gesamte Stadt von größter Bedeutung. Deshalb besteht hier dringender Handlungsbedarf seitens der Bayerischen Hausbau.“
Entweder müsse das Unternehmen das Grundstück zu einem fairen Preis auf dem Markt anbieten und an einen Projektentwickler verkaufen, der hier dann „endlich baut“ oder „selber umgehend tätig werden“.
Bereits im Januar dieses Jahres hieß es auf Anfrage zum Thema Verkauf seitens der Bayerischen Hausbau: „Dass für uns alle Optionen denkbar sind, ist grundsätzlich unser Geschäftsgebaren.“
SPD-Stadtentwicklungsexperte: „Es sollte hier endlich etwas passieren“
Der Bezirksabgeordnete Piekatz führt weiter aus: „Es gibt wohl kaum ein Bauvorhaben, an dem so lange und intensiv geplant wurde. Deshalb sollte hier endlich etwas passieren. Es ist doch auch für das Image der Bayerischen Hausbau nicht zuträglich, wenn man hier einfach ein Grundstück in bester Lage brach liegen lässt und den dringend benötigten Wohnraum einfach nicht schafft.“
Obwohl es einen jahrelangen Planungs- und Abstimmungsprozess für das Paloma-Viertel gab, signalisiert die Politik Gesprächsbereitschaft. „Wenn es aus Sicht des Bauherren Auflagen für das geplante neue Quartier gibt, die so nicht umsetzbar sind, dann muss man das Gespräch mit der Stadt und der Politik suchen“, sagt Tobias Piekatz. „Allen ist an einer schnellen Lösung gelegen.“
St.-Pauli-Theater-Chef Thomas Collien: „Projekt ist eine Farce geworden“
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Lars Schütze, dessen Vater Jürgen das Areal damals verkauft hatte, weiß zu berichten: „Dass auch fast zehn Jahre nach dem Abriss der Esso-Häuser hier noch immer keine Bautätigkeit zu erkennen ist, ist das Gesprächsthema auf dem Kiez.“
Lars Schütze betreibt die Reeperbahn Garagen und ist zudem als Quartiersmanager für das BID Reeperbahn+ auf dem Kiez bestens vernetzt. „Das ist hier eine sehr prominente Lage im Herzen des Stadtteils. Wir brauchen dringend den Wohnraum, und zudem würde das neue Quartier auch zu einer Aufwertung des Spielbudenplatzes beitragen“, sagt er. „Es müsste doch auch im unternehmerischen Interesse der Bayerischen Hausbau liegen, das Projekt endlich zu realisieren.“
Immobilien Hamburg: Paloma-Viertel – „Der ganze Kiez wartet auf einen Baubeginn“
In unmittelbarer Nachbarschaft liegt das berühmte St. Pauli Theater. Und auch Thomas Collien, den Chef des Hauses, beschäftigt das Thema. „Der ganze Kiez wartet auf einen baldigen Baubeginn. Nach fast zehn Jahren ist das gesamte Projekt eine Farce geworden. Die Bayrische Hausbau wird weiter taktieren und Zeit schinden“, sagt er.
„Die Stadt ist gefragt, dem Ganzen ein Ende zu setzen. Eine Option wäre, dass die Stadt das Grundstück vom Investor kauft und entwickelt.“ Das hatte SPD-Fraktionschef Dirk Kienscherf bereits im April im Abendblatt gefordert.
Paloma-Viertel: Saga prüft Realisierung öffentlich geförderten Wohnungsbaus
Offenbar gibt es aber Gespräche zwischen der Bayerischen Hausbau und der Saga. Wie Michael Ahrens als Sprecher des kommunalen Wohnungsunternehmens in Hamburg auf Anfrage mitteilte, sei das unbebaute Paloma-Grundstück auf St. Pauli der Saga Unternehmensgruppe von der Bayerischen Hausbau zum Kauf angeboten worden. „Die Saga prüft ein mögliches Engagement unter der Maßgabe der Realisierung öffentlich geförderten Wohnungsbaus. Wir bitten um Verständnis, dass wir mit Blick auf laufende Gespräche zum jetzigen Zeitpunkt keine darüber hinaus gehenden Aussagen treffen“, erklärt Ahrens.
Auch die Bayerische Hausbau möchte keine „Wasserstandsmeldungen herausgeben.“ Man stehe einem möglichen Angebot der Saga aber offen gegenüber, heißt auf Abendblatt-Anfrage. Als Grund für die Verhandlungen gibt das Unternehmen an: „Aufgrund der veränderten Rahmenbedingungen in der Immobilienwirtschaft, die sich weiter zugespitzt haben, suchen wir nach einer Lösung für die Zukunft des Paloma-Viertels.“