Hamburg. Seit Jahren geht es bei den Kiez-Bauvorhaben langsam voran. SPD-Fraktionschef Dirk Kienscherf will Bewegung in die Sache bringen.
Der wohl prominenteste Stadtteil in Hamburg ist St. Pauli. Das Vergnügungsviertel ist Touristen aus dem In- und Ausland ein Begriff. Mit Gastronomie und Hotellerie lässt sich hier gutes Geld verdienen. Und die Grundstücke sind begehrt, vor allem wenn man diese neu entwickeln kann. Doch es gibt drei Flächen, die am Spielbudenplatz und an der Reeperbahn liegen, bei denen nur ein Wort passt: Stillstand.
Nehmen wir das bekannteste Beispiel: Im kommenden Monat ist es bereits 14 Jahre her, dass das rund 6100 Quadratmeter große Esso-Hochhäuser-Areal am Spielbudenplatz/Ecke Taubenstraße von der Bayerischen Hausbau erworben wurde. Die Gebäude, die einsturzgefährdet waren, wurden 2014 ebenso wie die dazugehörende Kulttankstelle abgerissen. Nach einer endlos langen Bürgerbeteiligung, die vor allem auch die Stadt viel Geld gekostet hat, standen endlich die Eckdaten für das Paloma-Viertel.
St. Pauli: Paloma-Viertel mit 200 Wohnungen geplant
Ein städtebaulicher Vertrag wurde bereits im Oktober 2018 von Bezirk und Bauherrn unterschrieben. Geplant sind rund 200 Wohnungen, davon mehr als 60 Prozent öffentlich gefördert, ein Hotel mit 150 Zimmern und Flächen für Gewerbe sowie der Musikclub Molotow. Aber es passiert nichts. Die Bayerische Hausbau scheint keine Eile zu haben, obwohl dieser selbst verursachte Stillstand zu deutlichen Mehrkosten führen dürfte.
Den Bauantrag hätte das Unternehmen schon im November 2021 einreichen können, nachdem die Bezirksversammlung die Vorweggenehmigungsreife für das Bauvorhaben beschlossen hatte. Im Oktober vergangenen Jahres hatte Bezirksamtsleiter Ralf Neubauer (SPD) den vorhabenbezogenen Bebauungsplan St. Pauli 45 unterschrieben und damit offiziell festgestellt. Damit war die letzte Hürde für das Projekt genommen.
Ein Bauantrag wurde bis heute nicht gestellt. Auf Abendblatt-Anfrage sagt der Bayerische-Hausbau-Niederlassungsleiter Matthias Reuner: „Wir befinden uns weiterhin in der Überarbeitung und Aktualisierung der Planung und stehen in regelmäßigem Austausch mit Verwaltung und Politik, um das Paloma-Viertel weiter voranzubringen.“
Stillstand bei Kiez-Bauvorhaben – Spektakulärer Vorschlag von Dirk Kienscherf
Dringenden Handlungsbedarf sieht unterdessen Dirk Kienscherf. Der SPD-Fraktionschef sagte dem Abendblatt: „Wir brauchen hier eine klare Entscheidung des Investors, ob dieser tatsächlich dieses wichtige Bauvorhaben zügig realisiert.“ Und Kienscherf hat einen spektakulären Vorschlag: „Ansonsten wäre es eine Option, dass die Stadt der Bayerischen Hausbau das gesamte Areal abkauft.“
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Der bei der Finanzbehörde angesiedelte Landesbetrieb Immobilienmanagement und Grundvermögen (LIG) hatte sich bereits 2020 mit der Bayerischen Hausbau darauf geeinigt, das Baufeld 5 zu erwerben, damit dort günstiger Wohnraum für Baugemeinschaften geschaffen werden kann.
Aber was hält die Finanzbehörde von Kienscherfs Vorschlag, das gesamte Areal zu erwerben? Ein Sprecher sagte dem Abendblatt: „Derzeit gibt es aus Sicht der Freien und Hansestadt Hamburg keinen Anlass, ein solches Szenario zu bewerten.“
Bauvorhaben auf dem Kiez – Bayerische Hausbau schließt Verkauf nicht aus
Wie berichtet, hatte eine Sprecherin der Bayerischen Hausbau zum Thema Verkauf bereits im Januar bestätigt: „Dass für uns alle Optionen denkbar sind, ist grundsätzlich unser Geschäftsgebaren. Wir prüfen dies bei all unseren Projekten und Objekten. Hier ist die finale Entscheidung noch nicht gefallen.“
Vor allem der Bezirk Mitte dürfte größtes Interesse daran haben, dass endlich Bewegung in diese wichtige Projektentwicklung kommt. Allerdings gibt sich Bezirksamtsleiter Neubauer diplomatisch: „Aufgrund der Komplexität des Vorhabens und der aktuellen bauwirtschaftlichen Lage haben wir Verständnis dafür, dass die Dinge länger dauern, als wir uns das wünschen.“
Aber ein wenig Druck macht Neubauer dann doch: „Dennoch ist es wichtig, dass dieses Vorhaben nun auch vorankommt, deshalb stehen wir fortlaufend in engen Gesprächen mit der Bayerischen Hausbau.“
St. Pauli: Quartiersmanager Lars Schütze hofft auf eine Bebauung
Die Stimmung auf St. Pauli schildert Lars Schütze. „Das tut dem Stadtteil nicht gut, dass wir hier Grundstücke in Eins-a-Kiezlage haben, die nicht bebaut werden. Jeder Tag kostet Geld, deshalb müsste es doch auch im Interesse der Bayerischen Hausbau sein, so schnell wie möglich den Bauantrag zu stellen“, sagt der 54-Jährige.
Sein Vater Jürgen hatte 2009 das Esso-Hochhäuser-Grundstück an die Bayerische Hausbau verkauft. Der Junior ist bis heute eng mit dem Stadtteil verbunden. Er ist Geschäftsführer der familieneigenen Reeperbahn-Garagen GmbH, zu der 200 Stellplätze unterhalb des Spielbudenplatzes gehören und seit 2014 einer der Quartiersmanager vom BID (Business Improvement District) „Reeperbahn+“. Dort liegt auch das Heiße-Ecke-Grundstück.
Auf dem Heiße-Ecke-Grundstück soll ein Hotel gebaut werden
Das ist ein weiteres Sorgenkind. Nachdem das nur 190 Quadratmeter große Eckgrundstück, auf dem einst der Kultimbiss „Heiße Ecke“ stand, rund 30 Jahre lang brach lag, begannen dort im Dezember 2020 die Bauarbeiten für ein Hotel mit 117 Gästezimmern.
Nun schreiben wir das Jahr 2023 und bislang gibt es dort nur eine Baugrube. Die Baustelle ist verwaist. Der Bauherr ist die Hansische Hotel Reeperbahn GmbH & Co KG. Eine Abendblatt-Anfrage lässt der Bauherr unbeantwortet. Der Bezirk ist machtlos. „Als Bauaufsicht haben wir keine Möglichkeit, an dem zeitlichen Ablauf etwas zu verändern“, sagt Neubauer.
St. Pauli: Grundstück am Spielbudenplatz liegt seit 20 Jahren brach
Kommen wir zum Spielbudenplatz 26. Dort steht nur noch eine stuckverzierte Fassade und das seit bald zwei Jahrzehnten. Das Gebäude dahinter wurde bereits 2004 abgerissen. Geblieben ist ein rund 630 Quadratmeter großes unbebautes Grundstück. Der Grundeigentümer scheint darauf zu spekulieren, das Areal irgendwann einmal zu einem Höchstpreis zu verkaufen.
Bereits im November 2017 hatte der damalige Mitte-Bezirksamtschef Falko Droßmann (SPD) angekündigt: „Wir bereiten für das Grundstück am Spielbudenplatz 26 ein Baugebot vor. Das heißt, der Eigentümer müsste dann dort bauen. Das ist das erste Mal, dass wir zu diesem Mittel greifen.“ Daraus wurde nie etwas. Sein Nachfolger Ralf Neubauer sagt: „Der Bezirk hat hier keine Handhabe, den Eigentümer zum Bauen zu zwingen, da die rechtlichen Voraussetzungen dafür nicht vorliegen.“