Hamburg. Seit dem Großbrand geht das Bezirksamt Mitte gegen die Missstände im Industriegebiet vor. Jetzt gibt es einen neuen Vorstoß.
Lange ist es noch nicht her, dass die Billstraße in Hamburg-Rothenburgsort ungewollt zum Gegenstand zahlreicher Schlagzeilen wurde: Im April war dort auf dem Gelände eines Autohofs ein Feuer ausgebrochen, in dessen Folge zahlreiche Hallen in Flammen aufgingen. Nach dem Feuer, das die Feuerwehr später als einen der größten Brände der letzten Dekade in Hamburg bezeichnete, gründete das Bezirksamt Hamburg-Mitte umgehend eine Taskforce.
Ziel dieser war, mithilfe regelmäßiger Kontrollen die seit Jahren vorherrschenden Missstände an der Billstraße zu beseitigen. Doch was ist seitdem passiert? Diese Frage beantwortete Bezirksamtsleiter Ralf Neubauer (SPD) gemeinsam mit Einsatzleiter Joscha Heinrich am Donnerstagmittag im Rahmen einer Presserunde.
Billstraße: Nach Brand deckt Hamburger Behörde immer wieder Missstände auf
„Nach dem Brand war uns sofort klar, dass wir die Kontrolldichte erhöhen müssen“, erinnert sich Neubauer, „wir wollten, dass es in der Billstraße wieder zu geordneten Zuständen kommt.“ Deshalb führte das Bezirksamt in Zusammenarbeit mit zahlreichen Behörden sowie Polizei und Feuerwehr in den vergangenen Monaten immer wieder Großrazzien in der 1,2 Kilometer langen Straße durch, zuletzt am Dienstag.
Die erschreckende Bilanz: Bei jedem einzelnen der insgesamt vier Verbundseinsätze seit April fanden die Einsatzkräfte teils gravierende Missstände vor. Fehlende Fluchtwege, unzureichender Brandschutz, Mängel beim Arbeitnehmerschutz (wie ungesicherte Gasflaschen), unerlaubte bauliche Anlagen, Schädlingsbefall in gastronomischen Betrieben – die Liste ist lang. „Man findet da wirklich alles. Die Zustände dort sind im wahrsten Sinne des Wortes brandgefährlich“, beschreibt Bezirksamtsleiter Neubauer die Situation vor Ort.
„Zustände an Billstraße können wir nicht tolerieren“
So habe man bei einem der Einsätze zum Beispiel einen ungenehmigten Beherbergungsbetrieb vorgefunden, der aus einem alten Bürotrakt bestand. In jedem der Zimmer seien mehrere Betten aufgebaut gewesen, vor den Fenstern stapelten sich die Autoreifen. „Wenn es dort angefangen hätte zu brennen, wären die Menschen nicht herausgekommen“, so Neubauer weiter, „solche Zustände können wir nicht tolerieren.“
Insgesamt 17 solcher Unterkünfte hat das Bezirksamt seit dem Brand schließen lassen, bilanziert Einsatzleiter Josha Heinrich. Ebenfalls in ihrer Nutzung untersagt wurden vier Einzelhandelsverkaufsstellen und sechs gastronomische Betriebe. Neben 36 Ordnungswidrigkeitsverfahren seien auch 14 Strafverfahren eingeleitet worden, so Heinrich weiter. Weiterhin gebe es 48 Verfahrenseinleitungen zur „Herstellung ordnungsgemäßer Zustände“.
Stadt Hamburg sichert sich Vorkaufsrecht für Billstraße
Eine „Besonderheit der Billstraße“ stelle die Behörde dabei immer wieder vor Probleme: Oft befinden sich auf einem einzigen Grundstück zahlreiche verschiedene Betriebe und Mieter, sagt Ralf Neubauer. Dabei gebe es dann immer wieder Eigentümer, die vorgäben, nicht zu wissen, was auf ihrem Grund und Boden passiert.
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Und wegen genau dieser Probleme sollen künftig nicht nur die Großrazzien für mehr Ordnung sorgen: Seit dem 21. November besitzt die Stadt Hamburg ein Vorkaufsrecht für den Großteil der Grundstücke an der eng besiedelten Straße. „Niemand muss jetzt Angst haben, dass die Stadt alle Grundstücke aufkauft. Eben weil ein Vorkaufsrecht ein starker Eingriff ins Eigentumsrecht ist, kann jeder sicher sein, dass das Vorkaufsrecht sehr gut begründet ist“, so Bezirksamtsleiter Neubauer.
Billstraße: Bezirksamt Hamburg-Mitte will „industriekonforme Zustände herstellen“
Erste Maßnahme sei immer, mit den aktuellen Eigentümern ins Gespräch zu kommen und über Zukunftslösungen für die Flächen zu beraten. Denn, und das betont Ralf Neubauer eindringlich, es gibt ein Zielbild für die Billstraße: „Wir wollen hier wieder industriekonforme Zustände herstellen.“ Und auch Einsatzleiter Joscha Heinrich stellt klar: „Wir sind an der Billstraße noch nicht fertig.“