Hamburg. Das Straßenmagazin feiert 30. Geburtstag. Dafür wurde an der Shanghaiallee ein gigantisches Porträt an eine Hausfassade gemalt.
Den Rummel unterhalb des Hebekrans bekam Aches (sprich Ey-x) am Donnerstagnachmittag nur am Rande mit. In knapp sieben Meter Höhe sprühte der irische Künstler penibel die Farben auf die 400 Quadratmeter große Häuserwand in der HafenCity. Fotos oder Interviews? Keine Zeit!
Eigentlich sollte das Kunstwerk anlässlich des 30. Geburtstags des Hamburger Straßenmagazins „Hinz&Kunzt“ bereits fertig sein, doch das berühmt-berüchtigte Hamburger Schmuddelwetter hat dem Plan einen Strich durch die Rechnung gemacht. „Er hat zwei Tage Rückstand, den will er jetzt erst mal aufholen“, sagte Jörn Sturm, Geschäftsführer von „Hinz&Kunzt“.
HafenCity Hamburg: XXL-Kunstwerk zum 30. Geburtstag von „Hinz&Kunzt“
Doch auch im noch nicht komplett fertigen Zustand bekommt man eine Ahnung, wie außergewöhnlich das Kunstwerk an der Shanghaiallee ist. Der Künstler aus Dublin, der stets sein Gesicht verbirgt, hat unter dem Namen „Dear Uwe x 30 Jahre Hinz&Kunzt“ ein riesiges fotorealistisches Porträt von Uwe Dierks angefertigt.
27 Jahre lang arbeitete dieser als leidenschaftlicher „Hinz&Kunzt“-Verkäufer in der Hamburger Innenstadt. Die Wahl für das Motiv ist kein Zufall. Dierks, der 1996 damit begann, das Straßenmagazin rund um das Hamburger Rathaus unter die Menschen zu bringen, ist ein besonderer Mensch für das Magazin. Seine Kunden haben ihn für seinen unerschütterlichen Optimismus geschätzt. Auch in der Politik war der Mann, der stets mit Hausschuhen an den Füßen in der Rathauspassage seine Magazine verteilte, ein bekannter Mann.
2016 erhielt das Hamburger Stadtmagazin das Bundesverdienstkreuz. Als die damalige Chefredakteurin Birgit Müller den Preis entgegennahm, sagte sie, dass es eine Auszeichnung für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist. Dierks heftete sich daraufhin das Bundesverdienstkreuz voller Stolz an. Diesen besonderen Moment hielt Aches als Detail auf seinem Bild fest.
Vor zwei Jahren verstarb Dierks an Krebs. Auf der wohl größten Leinwand der Stadt soll sein Porträt zeigen, dass es trotz aller Widrigkeiten Wege aus dem Leid gibt. „Uwe ist ein Symbol für Zuversicht. Ganz viele Leute in Hamburg mochten ihn. Er war bekannt wie ein bunter Hund. Er ist im Kinderheim aufgewachsen, hatte ein schwieriges Leben. ‚Hinz&Kunzt‘ war der Wendepunkt in seinem Leben. Mit uns hat er eine Wohnung gefunden, und er hat das Magazin mit so viel Hingabe verkauft. Trotz vieler Probleme war er stets ein positiver Mensch, der uns im Team und die Menschen auf der Straße berührt hat. Er steht für unsere Arbeit“, sagt Gabriele Koch vom Spendenservice des Straßenmagazins.
Neu ist die Idee eines großen Open-Air-Kunstwerks in Hamburg übrigens nicht. Koch: „Wir haben uns schon lange ein solches Wandbild gewünscht, bereits zum 20. Geburtstag wollten wir ein solches Projekt umsetzen, haben aber nicht die geeignete Wand gefunden.“
Kunstwerk in der HafenCity wurde durch Spenden finanziert
Maßgeblich beteiligt war der Verein Urban Arts Museum, der mit „Walls can Dance“, Norddeutschlands größter Freiraumgalerie für großflächige Fassadenkunst, bereits für Aufsehen gesorgt hat. Alleine, daraus macht „Hinz&Kunzt“ keinen Hehl, hätte man ein solches Projekt nicht umsetzen können.
Der Verein war es auch, der den irischen Künstler kontaktiert und überzeugt hat, das bunte Porträt von Dierks in die Tat umzusetzen. „Aches ist ein unfassbar sympathischer junger Mann und ein außergewöhnlicher Künstler. Wir sind sehr glücklich, dass er dieses tolle Bild für uns macht. Wir sind überwältigt und finden, dass es ein toller Auftakt zu unserem Geburtstag ist“, schwärmt Koch.
Nach Abendblatt-Informationen hat das gesamte Kunstwerk eine Summe im fünfstelligen Bereich gekostet. Finanziert wurde das Werk über Spenden. So haben sich die Behörde für Kultur und Medien, die HafenCity GmbH, die Mara-und-Holger-Cassens-Stiftung sowie der Farbenhersteller Imparat aus Glinde beteiligt. Spendengelder von „Hinz&Kunzt“ wurden nicht verwendet. Weil auch die Häusergemeinschaft des Gebäudes in der HafenCity begeistert von der Idee war, konnte das farbenfrohe Projekt schließlich realisiert werden.
Am vergangenen Sonnabend begann der international anerkannte Künstler mit seiner Arbeit. Nachdem die Wand komplett weiß war, hat der Ire mit Skizzen die Vorarbeit geleistet. Zu Wochenbeginn nahm das Werk dann auch farblich Gestalt an.
Aches ist für seine riesigen fotorealistischen, sich farblich überlagernden Bilder in präzise ausgewählte CMYK-Farbkombinationen bekannt. Seine Werke sind in Städten rund um den Globus zu sehen. Erstmals ist die Kunst des irischen Fassadenkünstlers nun auch in Deutschland zu bewundern.
XXL-Kunstwerk zu Ehren von „Hinz&Kunzt“ wird zunächst für zwei Jahre zu sehen sein
Darauf ist man auch in der HafenCity stolz. Der neueste Hamburger Stadtteil ist alles andere als ein sozialer Brennpunkt, umso mehr freut sich Theresa Twachtmann, Geschäftsführerin der HafenCity GmbH, dass dieses XXL-Kunstwerk unweit des neuen Westfield-Einkaufszentrums entstanden ist.
„Es ist wahnsinnig faszinierend, wie auf dieser großen Fläche dieser Perspektivwechsel, diese Wärme, diese unterschiedliche Art, aufs Leben und die Gesellschaft zu gucken, dargestellt wird. Für die HafenCity ist es wichtig, dass wir als vielschichtiger und diverser Stadtteil wahrgenommen werden. Mit all den Facetten und den unterschiedlichen Menschen, die hier leben. Wir haben auch sozialen Wohnungsbau bei uns, und wir finden, dass dieses Statement in Form dieses Kunstwerks hier am richtigen Platz ist“, sagt Twachtmann.
Lesen Sie auch
- „Die Blaue Mauer“ – Geheimnis um riesiges Kunstprojekt gelüftet
- Warum im Überseequartier jetzt 33 riesige Porträts hängen
- Digital Art Museum: Kunstgenuss der neuen Dimension in Hamburg
Nach der Fertigstellung zum Wochenende soll das XXL-Kunstwerk zunächst für zwei Jahre an der Häuserwand zu sehen sein. Danach könnte es passieren, dass auf dem angrenzenden, noch unbebauten Grundstück ein Neubau dafür sorgen könnte, dass die Würdigung für Uwe Dierks verschwindet.
„Die HafenCity entwickelt sich ja stetig. Es ist wichtig, dass man Erwartungsmanagement betreibt. Wir sind in einem Entwicklungsgebiet, und irgendwann werden wir auch dieses Grundstück nutzen. Da wollen wir einfach transparent sein und keine falschen Versprechungen machen. Wir sind froh, dass das Kunstwerk hier ist und den Menschen Freude bereitet“, sagt Twachtmann.