Hamburg. Ein Lichtkonzept sorgt dafür, dass die Stadt nachts zum visuellen Erlebnis wird. Ein Rundgang zu den eindrucksvollsten Orten.
Es ist kalt, windig und dunkel. Letzterem kann man nicht entgehen – und da es Ende Mai vielleicht wärmer, aber erst später dunkel geworden wäre, spazieren wir an einem ungemütlichen Aprilabend mit Vertretern des Hamburger Lichtbeirats entlang der Binnenalster und durch die City.
Tatsächlich ist es an diesem Abend besonders dunkel. Denn als Energiesparmaßnahme sind etliche Fassaden und Schaufenster unbeleuchtet. Aber davon lassen sich weder die Lichtberater Peter Andres und Michael Batz noch Stadtentwicklungssenatorin Karen Pein (SPD) oder Oberbaudirektor Franz-Josef Höing beeindrucken. Neben einer ansprechenden Illuminierung ist es schließlich Ziel des Lichtbeirats, Licht möglichst sparsam einzusetzen.
Hamburg City: Nachts wird die Stadt zum visuellen Erlebnisraum
Auf dem Rundgang soll das Wirken des Lichtbeirats vorgestellt werden. „Wir wollen mit möglichst wenig Energie möglichst viel Wirkung erzielen“, fasst Lichtplaner Andres zusammen. Warum der Beirat nicht nur wegen der Kosten zum sparsamen Einsatz von Beleuchtung rät, wird schon am Start – auf dem Rathausmarkt – deutlich.
Obwohl die Geschäfte schon längst geschlossen haben, leuchten die Fenster des Modehändlers Uniqlo, der 2020 in den Kopfbau der historischen Gebäudezeile am Alten Wall gezogen ist, extrem hell. Dass das dem Rathaus auch in Zeiten, in denen es voll erleuchtet ist, die Show stiehlt, ist offensichtlich. Es kann also gut sein, dass Uniqlo demnächst empfohlen wird, das Licht zu dimmen.
Michael Batz: Lichtkünstler kritisiert Lichtverschmutzung in Hamburg
Der ehrenamtliche Lichtbeirat entwickelte bereits 2005 mit der Stadtentwicklungsbehörde ein Lichtkonzept für die Innenstadt. Franz-Josef Höing hat einen Ausdruck mitgebracht. Darauf ist gut zu erkennen, wie man durch Illuminierung einzelne Gebäude und Plätze, aber auch Straßenzüge und Ufermauern hervorheben wollte.
Doch abgesehen von Binnenalster-, Rathausmarkt- und Alsterfleetverordnung gibt es keine Vorschriften, wie viel Licht in der City eingesetzt werden darf. Daher hat Lichtkünstler Michael Batz schon die Lichtverschmutzung in Hamburg – etwa durch den Hafen, Reklame und zu viele helle Schaufenster – kritisiert.
Hamburg City – helles, weißes Licht für Augen „der reinste Horror“
Auch kaltes, weißes Licht – wie etwa der Schriftzug der Bank of China am Reesendamm – ist den Lichtplanern ein Dorn im Auge. „Dadurch soll mehr Aufmerksamkeit für ein Unternehmen geschaffen werden“, weiß Peter Andres, der das LED-Licht „aggressiv“ nennt. „Für die Vogelwelt, aber auch für unsere Augen, ist es der reinste Horror.“
Das Problem sei, dass die leistungsfähigen LED-Leuchten nur wenig Strom verbrauchen und daher oft inflationär eingesetzt würden. Dabei könne durch sparsam eingesetztes Licht oft viel mehr Wirkung erzielt werden – die Unternehmen müssten sich nur von dem Konkurrenzdenken in puncto Beleuchtung verabschieden.
Ohne Lichtbeirat würde es rund um die Alster anders aussehen
Da Licht und Beleuchtung prägende Faktoren für das Gesicht der Stadt sind, sollte man sie möglichst nicht dem Zufall oder den Hauseigentümern überlassen. Das leuchtet einem – im wahrsten Sinne des Wortes – an der Binnenalster ein. Der „nächtliche Rahmen für die dunkle Wasserfläche“, wie Oberbaudirektor Höing die illuminierten Gebäude an Jungfernstieg, Ballindamm und Neuem Jungfernstieg nennt, würde ohne den Lichtbeirat ganz anders aussehen.
„Es war eines der ersten Male, dass wir bei der Beleuchtung einzelner Gebäude eingegriffen haben“, berichtet Dramaturg und Lichtkünstler Michael Batz.
Nachdem damals eine neue Fassadenbeleuchtung am Hapag-Lloyd-Haus am Ballindamm installiert worden sei, habe auch das Hotel Vier Jahreszeiten auf der anderen Alsterseite lichtmäßig „aufgerüstet“, erinnert sich Batz. „Der Hamburger Hof wollte dann noch eins draufsetzen, aber dem konnten wir zum Glück Einhalt gebieten.“
Lichtbeirat verhindert 70-Quadratmeter-Medienwand an Hotel-Hochhaus
Verbote würden sie nicht aussprechen, betonen die Lichtberater, sondern lediglich Empfehlungen. „Nur einmal haben wir: Nein! gesagt. Und das war, als am Radisson Blu Hotel eine 70 Quadratmeter große LED-Medienwand installiert werden sollte.“
„Hätte der Lichtbeirat das nicht getan, wäre die Stadt an dieser Stelle nicht mehr dieselbe gewesen“, betont Oberbaudirektor Höing. Auch, weil das sicher ein „Beleuchtungswettrüsten“ nach sich gezogen hätte. Und das passe vielleicht nach Berlin, aber nicht nach Hamburg.
Hamburg City: Nicht alles muss nachts beleuchtet werden
Hamburg gehe sparsam mit Licht um, und das sei gut so. „Nicht alles muss nachts beleuchtet werden.“ Ziel sei vielmehr, städtebauliche Zusammenhänge durch Licht zu erhellen und zu veranschaulichen – und nur einzelne, wichtige Gebäude durch Licht zu akzentuieren. „Genauso gut darf es anderswo aber auch mal dunkel sein“, sagt Höing. „Der Lichtbeirat hat dafür ein feines Gespür entwickelt und berät die Stadt in dieser Hinsicht mit großer Expertise.“
Regelmäßig stehe man etwa gemeinsam an der Lombardsbrücke und betrachte die nächtliche Silhouette der Innenstadt. Da falle dann schon auf, ob Gebäude, Eingangsbereiche, Schaufenster oder auch grüne Kupferdächer zu hell angestrahlt werden.
Senatorin Pein: Beleuchtung der City ist eine Daueraufgabe
Auch Karen Pein lobt das Gremium, dem neben den fünf ehrenamtlichen Lichtplanern auch der Oberbaudirektor sowie je ein Vertreter des Denkmalschutzamtes und der Hamburger Verkehrsanlagen angehören. Es sei eine „Daueraufgabe“, eine sich stets wandelnde Stadt durch Licht in Szene zu setzen. „Gute und qualitätsvolle Beleuchtung gibt uns im Dunkeln ein Gefühl der Sicherheit, bringt bedeutende architektonische Bauwerke zur Geltung, schafft Räume und dient damit der Stadtgestaltung.“
Am kürzlich erst umgestalteten Ballindamm erläutern die Lichtplaner die Vorteile der neuen Straßenlaternen. Im Gegensatz zu den früheren Kugelleuchten strahlen die zylindrischen Leuchten nicht nach oben, sondern geben Lichtkegel nach unten ab, die Gehwege und Begleitflächen „fast boulevardartig“ ausleuchten.
Lichtbeirat hat auch Insektenschutz und Lichtverschmutzung im Blick
„Neben unserem Ziel, die Stadt zu einem nächtlichen Erlebnis zu machen, haben wir stets auch die Sicherheitsinteressen der Bürger und Bürgerinnen sowie Energieverbrauch, Insektenschutz und Lichtverschmutzung im Blick“, betont Andres.
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Einer dieser nächtlichen Erlebnisräume wäre die sogenannte Kunstmeile am Glockengießerwall – hätte man nicht die Beleuchtung an der Galerie der Gegenwart ausgeschaltet. Doch Michael Batz zeigt die rings um das Gebäude eingelassenen Bodenleuchten, die die Fassade normalerweise von unten anstrahlen.
Innenstadt Hamburg: Durch Licht werden Plätze in Szene gesetzt
Im Zusammenspiel mit dem ebenfalls von ihm illuminierten Gründungsbau und dem zum Hauptbahnhof hin gelegenen Erweiterungsbau von Fritz Schumacher dürfte sich die Kunstmeile in „normalen Zeiten“ durch die Beleuchtung auch nachts als eindrucksvolle Gebäudeflucht präsentieren.
Dass man auch weniger prominente Orte sehr gut in Szene setzen kann, sieht man an dem kleinen Platz an der Ernst-Merck-Straße. Die von unten angestrahlte Platane und das Reiterstandbild daneben sind so angestrahlt, dass sie „fast etwas Theatralisches haben“, wie der Oberbaudirektor sagt.