Hamburg. Nach dem Vorstoß von Schwimmerin Hella Kemper fragen sich viele Hamburger: Wie stehen die Chancen für eine Fluss-Badeanstalt?
Der Vorstoß von Elbschwimmerin Hella Kemper für ein Strandbad in Blankenese elektrisiert aktuell viele Menschen in Hamburg. Wie berichtet, setzt sich Kemper dafür ein, im Zuge der mit Abriss und Neubau der Blankeneser Leuchttürme verbundenen Umgestaltungen vor Ort eine offizielle Badestelle einzurichten. Das Faszinierende an der Idee: Ein neuer Badeplatz könnte an eine lange Tradition anknüpfen. Bis zum Zweiten Weltkrieg hatte es an beiden Uferseiten der Elbe einen bunten Mix aus Badeschiffen, Badekarren und Freibädern gegeben.
Die wohl bekannteste Elbe-Badeanstalt lag auf der südlichen Seite: Das „Wilhelminenbad“ befand sich am Steinwerder Ufer, schräg gegenüber der heutigen Landungsbrücken. Es wurde 1864 gebaut und 1875 erweitert, hatte einen – bei Flut – rund zehn Meter breiten Strand und mehrere Sprungbretter und -türme. Im Wasser bildeten mit kleinen Brücken verbundene Pontons ein rechteckiges Becken. Gegen Sog und Schwell vorbeifahrender Schiffe war die Anlage durch eine in den Fluss gebaute Mauer geschützt. Die Anlage war beliebt: Im heißen Sommer 1889 kamen 320.000 Besucher – ein Rekord.
Viele Bademöglichkeiten
Auch das nördliche Elbufer bot damals viele Bademöglichkeiten. Einige Beispiele: Von 1892 an gab es vor Neumühlen Badekarren, in denen sich Frauen blicksicher umkleiden konnten, um dann über eine kleine Leiter ins Wasser zu steigen. Bei Blankenese lag um 1900 ein rund 150 Meter langes Badeschiff, das in 20 Badezellen unterteilt war. Männer und Frauen badeten streng getrennt voneinander, und das Wasser aus dem Strom wurde über verstellbare Klappen durch die Badeabteilungen geleitet.
Beliebt war auch eine 1912 auf der Insel Schweinesand eingerichtete Freibadeanstalt. Mit einer Motorbarkasse wurden die Besucher hinüber zur „Blankeneser Badedüne“ gebracht, von wo sie einen herrlichen Blick auf die andere Elbseite hatten.
Von 1925 an wurde das Baden am nördlichen Elbufer stärker reguliert. Der Aufenthalt im Badeanzug war am Strand von Oevelgönne bis zur westlichen Stadtgrenze erlaubt, die Badestellen genau ausgewiesen. Das Freibad Wittenbergen vor dem Wittenbergener Kurhaus lockte im Sommer 1925 zeitweise fast 10.000 Tagesgäste an. Außerhalb der Anlage war das Baden verboten.
Bomben stoppten Badebegeisterung
Mit dem Beginn des Zweiten Weltkriegs und den Bombenangriffen auf Hamburg ebbte die Badebegeisterung in und an der Elbe ab, und die Verwüstungen des Krieges bedeuteten auch das Ende für das offizielle Baden in der Elbe. Durch die Zerstörung von Siel- und Abwasseranlagen gelangten über viele Jahre Schmutzwasser weitgehend ungereinigt in den Fluss, erst Anfang der 1960er-Jahre waren die Kläranlagen wieder instand gesetzt beziehungsweise neu gebaut. Zeitzeugen berichten, dass sich unverdrossene Schwimmer damals nach einem Elbebad ausgiebig mit Seife reinigen mussten, Erkrankungen waren nicht selten.
Auch die deutsche Teilung trug zur Wasserverschmutzung bei: Die Elbe transportierte Unmengen von Schwermetallen und anderen Giften aus Richtung Osten zur Nordsee. Viele Jahre lang war das Baden in der Elbe offiziell verboten, heute raten die Behörden davon ab, tolerieren es aber. „Die Elbe könnte wieder ein Badegewässer werden, Erholungsraum und Freizeitgebiet – nicht nur am Ufer“, schreibt Hella Kemper in ihrem Buch „Elbschwimmer. Die Rückkehr einer Badekultur“ (Verlag KJM, antiquarisch erhältlich). Es gehe darum, den Fluss „wieder ins Bewusstsein der Menschen zu bringen“, so Kemper, „ als neuen alten Badeort“.
Folgen für Flora und Fauna
Björn Marzahn, Sprecher der Umweltbehörde, kann Kempers Vorschlag nicht viel abgewinnen. „Der Vorschlag von Frau Kemper zielt auf eine Umgestaltung des Ufers zur besseren Erreichbarkeit der Elbe ab“, so Marzahn. „Dagegen ist nichts einzuwenden, die Sicherheitsrisiken für ein Baden in der Elbe werden damit aber nicht weniger. Eine abgetrennte Badeanstalt an der Elbe zu errichten ist natürlich immer eine Option, dies würde aber einem technischen Bad entsprechen, da das Becken massiv sein müsste, um gegen den Sog, Schwell und die Strömung gesichert zu sein, und es sonst auch bei Tideniedrigwasser leerlaufen würde.“
Laut Marzahn würde das hohe Betriebs- und Investitionskosten bedeuten, für die sich erst einmal ein Investor beziehungsweise Betreiber finden müsste. „Abgesehen davon hat ein massives Becken am Elbufer aus Sicht der Umweltbehörde, ökologisch betrachtet, für die gesamte dortige Flora und Fauna nur negative Folgen“, so Marzahn.
Kemper fühlt sich „missverstanden“
Hella Kemper fühlt sich „missverstanden“ und weist die Bedenken zurück. „Ich habe stets den Plan von einem offenen, natürlich belassenen Sandstrand skizziert, wie es ihn ja an manchen Uferabschnitten bereits gibt, und der eben gerade ohne großen Aufwand einzurichten ist.“ So könnte man aus Pontons und kleinen Stegen ein Geviert bilden, in dem das Schwimmen und Baden gefahrlos möglich wäre. Auch könne das Ufer dort nach dem Abtransport der schwarzen Schlackensteine ökologisch viel sinnvoller gestaltet werden als heute.
Ihren Kritikern wirft Kemper vor, künstlich Gegenargumente aufzubauen, um jede Diskussion über das Projekt frühzeitig zu beenden. Das gilt auch für die angebliche Anfälligkeit einer solchen Anlage für den Gezeitenwechsel. „Überall an der Elbe gibt es Pontons und Stege, die werden durch das auf- und ablaufende Wasser ja auch nicht beschädigt oder ruiniert“, sagt Kemper.