Blankenese. Die Chancen für den faszinierenden Plan stehen laut Elbschwimmerin Hella Kemper so gut wie nie, da vor Ort vieles im Umbruch ist.

Hella Kemper ist leicht zu finden. Wenn es die Zeit erlaubt, schwimmt sie vom Frühjahr bis zum späten Herbst täglich in der Elbe, an guten Tagen auch dreimal. Zwei Bücher hat sie schon über diese Leidenschaft geschrieben, die längst mehr Teil ihrer Identität als bloßes Hobby ist. Egal, ob man sie nun vor oder nach einem erfrischenden Bad antrifft, Kemper, im Hauptberuf Journalistin, ist immer gleich munter und eloquent, wenn es um dieses Thema geht. Zurzeit trifft das besonders zu, weil es ihr eine faszinierende Idee angetan hat: ein offizieller Badestrand in Blankenese. Die Chancen dafür stehen gut wie nie, erläutert Kemper, weil vor Ort sowieso gerade vieles im Umbruch ist.

Wie berichtet, kommen große Veränderungen auf die Blankeneser Uferlinie zu: Beide Leuchttürme stehen kurz vor dem Abriss und werden durch neue ersetzt. Erste Vorarbeiten laufen bereits, und schon im Sommer nächsten Jahres soll vor Blankenese alles ganz anders aussehen. Für Kemper und ihre Mitstreiter ist die groß angelegte Umgestaltung die einmalige Gelegenheit, dort endlich einen Badeplatz einzurichten, den jeder nutzen kann. Einen Namen und einen möglichen Platz dafür gibt es auch schon: Kemper spricht vom „Leuchtturmstrand“, der zwischen dem Anleger Bulln und dem Blankeneser Segelclub (BSC) liegen könnte. „Wir sollten jetzt die Chance nutzen, ein Stück Ufer ganz anders zu gestalten“, sagt Kemper. Und: „Die Elbe gehört allen, die Ufer sollen leben.“

Kemper: Aus der Vision kann Realität werden

Eine faszinierendes Bild hat sie gleich mitgebracht: einen Computer-Entwurf, gefertigt von der Landschaftsarchitektin Julia Schulz. Genauso könnte er also aussehen, der Leuchtturmstrand, und Kemper ist sicher, dass aus der Vision Realität werden kann.

So könnte der neue Strand aussehen.
So könnte der neue Strand aussehen. © Hella Kemper | Bild: Julia Schulz, Rabe Landschaften

Folgt man ihren Argumenten, passt alles zusammen: Geschwommen und gebadet wird seit vielen Jahren in der Elbe, denn es ist nicht verboten. Die Behörden haben im Raum Hamburg zwar keine offiziellen Badestellen ausgewiesen und raten vom Schwimmen und Baden ab. Wer’s trotzdem tut, wird nicht bestraft, ist aber natürlich auf eigene Gefahr unterwegs. Statt sich wie bisher selbst irgendeinen Platz zum Gang ins Wasser zu suchen, könnten Hamburger und Hamburg-Besucher, so Kempers Plan, künftig an einer geeigneten, dafür ausgewiesenen Stelle gemeinsam abtauchen. Und: Die Wasserqualität ist schon lange ausgezeichnet, die Elbe den Hamburgern insgesamt sehr vertraut.

Das Hauptargument, mit dem die zuständigen Behörden die offizielle Genehmigung – auch für das Baden in der Alster – immer wieder verweigern ist die geringe Sichtweite unter Wasser. Dadurch würden Rettungsmaßnahmen zu sehr erschwert, es drohe die Gefahr, dass ein Ertrinkender nicht schnell genug gefunden werde. Hinzu kommt, dass Schwimmer in unmittelbarer Nähe der Fahrrinne stark gefährdet sein könnten: Es drohen Strudel und Sog.

Kemper zieht ihre Bahnen parallel zum Ufer

Kemper schwimmt schon seit rund 18 Jahren in der Elbe, nie war sie irgendwelchen Gefahren ausgesetzt. Ihre Bahnen zieht sie auch gar nicht in der Nähe der Schiffe, sondern parallel zum Ufer, relativ weit weg von der Fahrrinne. „Man kann Menschen nicht vor allem beschützen“, sagt sie kategorisch und verweist auf die vielen vergleichbaren Badeplätze auf der ganzen Welt. Sie zeigt eindrucksvolle Fotos von skandinavischen Badeplätzen mitten in den Städten: Kopenhagen, Malmö, Oslo, Västervik.

In Basel darf offiziell im Rhein geschwommen werden, in Bern in der Aare. Die Menschen tummeln sich im Wasser, erleben ihre Flüsse und ihre Lebensräume aus ganz anderen Perspektiven. „Warum soll das, was dort wunderbar klappt, in Hamburg nicht möglich sein“, fragt Kemper rhetorisch. Was die Gestaltung betrifft, ist sie auch sowieso flexibel, gerade wenn es darum geht, ein irgendwie doch vorhandenes Gefahrenpotenzial zu reduzieren. Vielleicht könne es eine kleine Bucht mit Sand geben, eventuell mit vorgelagerten Pontons. „So würden dann ein Schutzraum für Schwimmer entstehen Der Badeplatz könnte so ähnlich aussehen, wie das Schwimmbad im Stadtpark – eine insgesamt natürlich belassene Anlage, die gleichwohl sicher ist.

Strand könnte zur Begegnungsstätte oder zum Touristenmagneten werden

Statt über angebliche Nachteile und Gefahren spricht die aparte, vitale Frau lieber über all das, was der Leuchtturmstrand einmal sein könnte. Eine Begegnungsstätte zum Beispiel oder ein Touristenmagnet. Die Menschen würden den Fluss ganz anders wahr- und annehmen. Der „harte“ Uferschutz mit den schwarzen Schlackensteinen hat sich überlebt, weiß Kemper. „Längst nicht alle bestehenden Uferbefestigungen sind notwendig, und eine weichere Ufergestaltung würde mehr Räume schaffen für Tiere und Pflanzen.“ Kemper verweist auf eine Studie der Stiftung Lebensraum Elbe von 2013. Ein Ergebnis: Neun Bereiche mit insgesamt fünf Kilometern Länge sind potenziell rückbaubar.

Mit Charme, Hartnäckigkeit und – vor allem – etlichen guten Argumenten wirbt Kemper entschlossen für ihren Plan. Viele wichtige Gruppen hat sie schon überzeugt – Namen von bekannten Stadtarchitekten und Ökologen fallen, auch wissenschaftliche Expertisen liegen schon vor. Kemper macht bei Podiumsdiskussionen mit, war schon im Fernsehen, hielt erst kürzlich einen Vortrag in der HafenCity-Universität.

Hella Kempers lyrische Huldigungen an die Elbe

Wer sich davon nicht überzeugen lässt, sollte sich in Kempers Bücher vertiefen, in denen sie die lange Tradition des Schwimmens und Badens in der Elbe nachzeichnet. Fakt ist: Vom Stand-up-Paddling bis zur Elbphilharmonie – nichts davon gäbe es heute, wenn sich immer nur Bedenkenträger durchgesetzt hätten. Und wer den harten Argumenten nicht zugänglich ist, könnte durch Kempers lyrische Huldigungen an die Elbe zumindest mal nachdenklich werden.

In ihrem Buch „Elbschwimmer. Die Rückkehr einer Badekultur“, beschreibt sie im Rahmen eines „Elbtagebuchs“ ihr erstes Bad des Jahres Anfang Mai: „Es ist, als streife das kühle Wasser die winterlichen Schuppen von der Haut, als öffne es die Poren für die Sonne, die nun kommen mag. Das Grau beginnt sich zu lösen, von der Haut und von der Seele. Ich atme den Frühling.“ Und in dem Buch „Leben am Fluss“ heißt es „Auch mich hat die Elbe gerettet. Getröstet hat sie mich, beruhigt. Erfreut und beglückt. (...) und auf welch wunderbare Weise hat mich die Elbe immer wieder getragen, gewiegt, getrieben, die Unruhe, die Sorgen, die Ängste fortgespült.“