Hunderte Menschen feiern Hamburgs neues Wahrzeichen
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Hamburg. Trotz Regen verfolgen zahlreiche Schaulustige die spektakuläre Lichtinstallation. Stimmung am Hafen wie zu Silvester.
Es ist einfach nur eklig – diese Nässe, diese Kälte. Schlimmer geht es kaum. Hamburger Schmuddelwetter eben. Na und? Die lang ersehnte Eröffnung derElbphilharmonielassen sich die Menschen hier draußen nicht entgehen. Schon Stunden bevor es überhaupt losgeht, stehen Gabi und Regine am Absperrgitter vor dem Konzerthaus. „Wir freuen uns, dass Hamburg ein neues Wahrzeichen bekommt“, sagt Regine. Weil der Wind so eisig kalt bläst, wollen sie sich das ganze Spektakel aber lieber im Fernsehen anschauen.
Etliche Menschen trotzen indes der ungemütlichen Witterung. Am Abend sind es Hunderte, die sich auf der Überseebrücke, den Landungsbrücken und vor der Elbphilharmonie versammelt haben. Mit all der Prominenz drinnen und den Schaulustigen draußen ist das Konzerthaus nicht nur das glamouröseste Gebäude der Stadt, sondern auch das am besten gesicherte.
Elbphilharmonie: Die grandiose Eröffnung
Elbphilharmonie: Die grandiose Eröffnung
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Etliche Beamte sind rundherum im Einsatz. Den Sandtorkai und den Kaiserkai säumen Dutzende an riesige Legosteine erinnernde Betonpoller, die schon zum Schutz der Weihnachtsmärkte nach dem Terroranschlag in Berlin eingesetzt worden waren. Überall Einsatzwagen, Absperrgitter, Polizeibeamte. „Die Sicherheitskonzeption, die zum Einsatz kommt, umfasst auch die Erfahrungen aus dem Terroranschlag in Berlin“, sagt Polizeisprecher Timo Zill. Am frühen Abend dann eine Schrecksekunde: In der Tiefgarage entdeckt die Polizei ein „auffälliges Auto“. Nach der Überprüfung mit Spürhunden gibt es jedoch Entwarnung.
Es ist 20.18 Uhr. Das digitale Metronom an der Fassade der Elbphilharmonie – es zählt die Sekunden bis zur Eröffnung herunter – zeigt drei, zwei, eins, null. Auf der Überseebrücke, wo eine ähnlich ausgelassene Stimmung herrscht wie zu Silvester, knallen Sektkorken. Doch es passiert – nichts. Stattdessen fehlt jetzt die Sekunden-Anzeige. Und das Metronom pendelt weiter. Und weiter. Und weiter.
Richtig los, und zwar mit Verve, geht es um 20.35 Uhr. Drinnen erleben sie jetzt, wie das NDR Elbphilharmonie Orchester im Großen Saal spielt, wie Chefdirigent Thomas Hengelbrock seinen Taktstock hebt und senkt. Die Menschen draußen – zumindest die mit dem richtigen Blickwinkel – kommen dafür in den Genuss eines optischen Schmankerls: der Lichtinszenierung an der Fassade.
Als die ersten Klänge ertönen – das Eröffnungskonzert wird per Lautsprecher live übertragen –, kriechen Lichtschleier über die Fassade. Einige Zuschauer auf der Überseebrücke kichern, wohl auch weil hier die Musik im Zusammenklang mit der Show viel zu leise ankommt. Eine Zuschauerin leicht enttäuscht: „Das hatte mehr Potenzial.“
Im weiteren Verlauf erinnert die Installation dann ein bisschen an Weltraumimpressionen, mithin an abstrakte geometrische Figuren. Entwickelt hat die weltweit einzigartige Programmierung der Lichtshow die Hamburger Werbeagentur Jung von Matt. Der Code macht die Töne aus dem Großen Saal am Gebäude sichtbar.
Dabei werden Klänge der einzelnen Instrumentengruppen über Mikrofone verteilt und über eine Art Datenautobahn in eine Box geleitet. Dort wandelt ein Algorithmus sie in Muster um. So erscheinen die Töne als Linien, Formen, Farben, Verläufe, Kurven und Silhouetten auf der Fassade des historischen Kaispeichers.
Den besten Blick auf die Show haben jene, die clever waren und sich ein Barkassenticket gekauft haben. Einige Barkassenfirmen bieten Touren an, auf denen die Menschen das optische Spektakel bewundern können. Allein Barkassen Meyer hat vier Schiffe im Einsatz – alle ausgebucht. Volker Skusa hat von der Barkasse „Hamburger Deern“ aus einen Panoramablick auf die Lichtinstallation.
Während der Kapitän alle Mühe hat, die Barkasse bei gedrosseltem, schön leise schnurrendem Motor im Strom zu halten, verharren die Passagiere in andächtiger Stille, wechseln die auf die Fassade projizierten Farben und Formen im Sekundentakt. „Von hier sieht die Elbphilharmonie aus wie ein großes Schiff, das direkt auf uns zufährt“, sagt Skusa.
Stimmen zur Elphi-Eröffnung
Bundespräsident Joachim Gauck
„Die Elbphilharmonie ist für mich auch ein Bau, der unserer offenen Gesellschaft entspricht. Ihre Architektur führt Unterschiedliches zusammen, ohne es gleichmachen zu wollen.“
Choreograf John Neumeier
„Der Klang des Hauses ist fantastisch.“ (In der Halbzeitpause bei der Eröffnung)
Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz:
„Die Elbphilharmonie, die wir heute eröffnen, ist eine Einladung an die Welt, nach Hamburg zu kommen, sich dieses großartige Gebäude anzuschauen und die Musik zu genießen.“
Altbürgermeister Ole von Beust:
„Wir wollten etwas schaffen, was vielleicht irgendwann mal wird – ohne vermessen zu sein – wie der Tower in London, der Eiffelturm in Paris oder das Opernhaus in Sydney.“
Anjes Tjarks, Die Grünen:
„Es heißt so schön: Musik verbindet. Ich bin mir sicher, die Elbphilharmonie verbindet uns in der Kultur- und Musikstadt Hamburg noch mehr als zuvor.“
André Trepoll, CDU:
Neben der Neugestaltung des Reichstagsgebäudes in Berlin und dem Wiederaufbau der Dresdener Frauenkirche gehört der Neubau der Elbphilharmonie ohne Frage zu den wichtigsten Bauwerken Deutschlands der letzten 30 Jahre.“
Katja Suding, FDP:
„Trotz einer langen, oftmals komplizierten und auch teuren Umsetzung ist (...) heute ein Tag der Freude. Die Entstehungsgeschichte zeigt zudem, dass man manchmal einen langen Atem braucht, um Großes zu erreichen.“
Norbert Hackbusch, Die Linke:
„Die Luxus-Eröffnung ist das logische i-Tüpfelchen auf der irren Verschwendungs-Geschichte der Elbphilharmonie.“
Jörn Kruse, AfD:
„Man darf auch nicht vergessen, dass es gravierende Planungs- und Umsetzungsfehler gab. Aus Fehlern sollte man lernen und zukünftig Großprojekte realistischer und mit klarer Verantwortungszuordnung planen.“
Schauspieler Armin Mueller-Stahl
„Ich finde, lieber für Kultur viel Geld ausgeben als für reiche Leute.“ Der 86-Jährige hoffe sehr, dass Intendant Christoph Lieben-Seutter es schaffe, die Elbphilharmonie zu einem der ersten Konzerthäuser der Welt zu machen.
Elbphilharmonie-Intendant Christoph Lieben-Seutter
„Die Elbphilharmonie ist das schönste Schiff, das nie in See stechen wird.“
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Auch wer keinen der begehrten Barkassenplätze ergattert hat, kann die Lichtinstallation genießen – sogar ganz bequem, sitzend und im Trockenen an Bord des proppevollen Feuerschiffs. Dort gibt es zur Deluxe-Perspektive die passende Degustation: ein dreigängiges Elbphilharmonie-Eröffnungs-Menü für 58 Euro. Etwas weniger komfortabel, dafür in locker-geselliger Runde, lässt sich die Inszenierung an Land erleben.
Auf der Überseebrücke feiern Hunderte Menschen das neue Wahrzeichen mit Bier, Sekt oder einem Heißgetränk in der Hand. Die Freundinnen Kerstin Gabriel und Heike Blanck haben sich hier zum Lichtshow-Gucken verabredet – natürlich mit gefechtsbereiten Kameras. Sie hatten und haben so ihre Zweifel, ob die teure und so lange unvollendet gebliebene Elbphilharmonie das Richtige ist für die Stadt. „Doch heute, an diesem speziellen Tag, zählt das nicht“, sagt Heike Blanck gut gelaunt. Die zwei Freundinnen wollen auf jeden Fall ein Konzert in der Elbphilharmonie besuchen. Wann, das steht noch nicht fest. Zeitdruck hätten sie ja nicht. Warum auch? „Die Elphi läuft uns ja nicht weg“, sagt Heike Blanck.
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