Unmöglich, aber wahr: über das Wunder der Elbphilharmonie-Eröffnung
Wie die Elbphilharmonie Hamburg verändern kann, zeigt ein an sich nebensächliches Detail des gestrigen Eröffnungskonzerts. Normalerweise sind bei solch großen Ereignissen langes Abendkleid für die Frauen und Smoking für die Herren Pflicht. In der Elbphilharmonie, die ja ein „Haus für alle“ sein möchte, gab es dagegen für den 11. Januar keine Kleiderordnung. Jeder sollte und durfte so kommen, wie er „sich feierlich und elegant fühlt“.
Hamburg ist im wahrsten Sinne des Wortes nicht wiederzuerkennen. Selten war die Grundstimmung in der Stadt so fröhlich, gelöst, weltoffen wie am Eröffnungstag, an den viele ja schon nicht mehr geglaubt hatten.
Wahrscheinlich kann man gar nicht anders als glücklich sein, wenn das Unmögliche Realität wird. Wenn man staunend in oder vor einem Gebäude steht, das man dem zwar schönen, aber über Jahrzehnte eher verschlafenen Hamburg nicht zugetraut hatte. Die Elbphilharmonie ist deshalb ein so starkes Signal von und aus dieser Stadt, weil sie es trotz aller Widrigkeiten, ja, gegen die hanseatische Vernunft bis zur Vollendung geschafft hat.
Es grenzt an ein Wunder, dass dem Konzerthaus auf seinem langen Weg von der Idee bis zur Eröffnung ein Volksentscheid (und damit vermutlich das sichere Aus) erspart geblieben ist. Es ist bemerkenswert (und hoffentlich nicht einmalig), dass im 21. Jahrhundert in Deutschland noch die Eröffnung eines großen Bauwerks gefeiert werden kann. Dies zumindest ist ein ermutigendes Signal in einer Zeit, in der selbst viel kleinere Projekte gestoppt werden, weil durch sie bisher unbekannte Tierpopulationen bedroht sein könnten.
Und so eignet sich das Jahrhundertprojekt, das zwischendurch zum Albtraum wurde, gerade mit all seinen Fehlern als Vorbild für Kommendes. Die entscheidende Lehre daraus hat keiner so gut zusammengefasst wie Bundespräsident Joachim Gauck. Er sagte bei der Eröffnung: „Was wir aus der Baugeschichte der Elbphilharmonie lernen können, ist dies: Manchmal muss man sehr wohl ein Wagnis eingehen und Widerstände überwinden, um einer guten Idee zur Wirklichkeit zu verhelfen.“ Ja, manchmal muss man Menschen und Städten sogar etwas zumuten, sie zu ihrem Glück zwingen. Und dabei das Risiko eingehen zu scheitern. Es bleibt so platt, wie es immer schon war: Wer nicht wagt, der nicht gewinnt.
Wie groß das Wagnis Elbphilharmonie war, zeigt sich im Nachhinein daran, wie Architekten und andere Experten aus der Baubranche heute über das Haus urteilen. Wer mit den Fachleuten spricht, erlebt nicht nur deren grenzenlose Begeisterung über Konstruktion und Verarbeitung. Er erfährt auch, dass sich aus heutiger Sicht kaum jemand so ein Projekt an der Grenze der Baubarkeit zutrauen würde. Und wenn, müsste man mit Kosten rechnen, die jenseits der einen Milliarde Euro liegen.
Wie gesagt: Etwas zu bauen wie die Elbphilharmonie ist eigentlich unmöglich. Dass ausgerechnet Hamburg es trotzdem geschafft hat, ist vielleicht das größte Kompliment für alle Beteiligten. Und damit sind ausdrücklich auch jene gemeint, die das Ganze bezahlt haben: die Hamburger, die sich zu Recht all die Jahre gefragt haben, was „die da oben auf dem Kaispeicher eigentlich mit unserem Geld“ machen. Die jetzt aber sehen, dass die Elbphilharmonie nicht nur sehr teuer, sondern auch sehr, sehr schön geworden ist. Ein Gebäude und eine Idee, die man mit gutem Gewissen vor kommenden Generationen rechtfertigen und die man künftigen Stadtgesellschaften als Erbe hinterlassen kann.
„Die Elbphilharmonie ist geboren worden aus dem Willen, der Stadt Hamburg (...) eine neue, zukunftsbezogene Perspektive zu geben sowie die Interessen und Bedürfnisse der Bürger zu mobilisieren“, schreibt Generalmusikdirektor Kent Nagano in einem Beitrag für das Hamburger Abendblatt. Wir können behaupten: Wir sind dabei gewesen.
Oder, um es mit den Worten von Abendblatt-Leserin Gisa Petri zu sagen: „Liebe Hamburgerinnen und Hamburger, dies ist ein großer Tag für unsere Stadt. Ein wunderbares Klang-Bauwerk wird endlich eröffnet. Unsere Elbphilharmonie. Die ganze Welt schaut nach Hamburg. Ich bin stolz auf alle, die daran mitgewirkt haben, und ich beglückwünsche uns Hamburger.“ Und dann fügt sie in ihrer Mail an das Hamburger Abendblatt etwas hinzu, das vielen Hamburgern wichtig ist und das zeigt, welche Bedeutung das neue Aushängeschild der Stadt heute bereits hat: „Es heißt Elbphilharmonie. Bitte, liebes Abendblatt, sagt und schreibt es immer wieder. Dieses Bauwerk heißt Elbphilharmonie und darf niemals nur mit den ersten zwei Silben genannt werden. Das ist unwürdig und tut mir in den Ohren weh.“
Da hört sich dieser an sich so einfache, aber so lange unaussprechliche Satz doch gleich viel besser an: Die Elbphilharmonie ist eröffnet.
Klingt gut, oder?