Hamburg. Die ganze Welt soll die Freude über die fertige Elbphilharmonie mit Hamburg teilen. Das wünscht sich Kent Nagano.
Der Bau ist fertig, das Haus vollendet! Es kann bezogen und bewohnt werden! Ja, es ist wahr! Die Hamburger dürfen sich freuen, und besonders die, denen die Musik am Herzen liegt, die ohne das live erlebte Konzert nicht leben können, weil das Erleben von Musik, von musikalischen Kunstwerken und „großer“ Musik zu ihrem Leben dazugehört – nicht nur einfach so, sondern als etwas, was dem Leben Sinn und Form gibt. Alle Hamburger, alle und auch ihre Gäste aus nah und fern sind herzlich willkommen, an diesem Erleben teilzunehmen und unsere Freude mit uns zu teilen.
Elbphilharmonie-Eröffnung: So funktioniert der Livestream
Dass wir in Hamburg uns freuen dürfen und nun mit Spannung und natürlich hochgestimmten Erwartungen der musikalisch-kulturellen Entwicklung in der Elbmetropole entgegenblicken, ist nicht so selbstverständlich. Baustellen können zur Belastung werden, die schwer auszuhalten sind, die zermürben und oft am Ende nicht nur politischen, sondern auch gesellschaftlichen Sprengstoff in sich bergen.
Das gilt insbesondere für solche Prestigeprojekte, die das Mittelmaß an ästhetischer Faszination vorziehen und denen letztlich die wahrhaft künstlerische und gesellschaftsbezogene Inspiration, der perspektivische Entwurf für eine neue gesellschaftlich-kulturelle Realität fehlt.
Kisseler war die Ermöglicherin der Kunst
Mag sein, dass da die demokratischen Verhältnisse eher hemmend als förderlich sind, weil die Sorge um die Mehrheiten des Wählervolks und um deren Stimme für die Politik mehr zählt als das gewagte Besondere, das Ausgefallene, das Zukunftsträchtige und auf kommendes und künftiges Leben Verweisende. Kultur aber, die mehr ist als übertragene Verwaltung, die getragen wird vom Willen und Drang zur Kreativität und zur Gestaltung von Lebensrealitäten, bedeutet immer Wagnis und Mut, Durchsetzung und doch auch zugleich Verantwortung – Verantwortung für ein Leben in Zukunft.
Dass die Elbphilharmonie trotz einer ungewollten Generalpause, die fast zum Desaster und Spielabbruch geführt hätte, doch dann noch in einem akzeptablen Zeitrahmen fertiggestellt werden konnte, das ist der Politik hoch anzurechnen, insbesondere jener couragierten Barbara Kisseler, die als Kultursenatorin, als Ermöglicherin künstlerischer Initiativen und zugleich als Vertreterin der Politik sehr schnell bei ihrem Amtsantritt vor fünfeinhalb Jahren merkte und in vollem Umfang begriff, was da für Hamburg auf dem Spiel stand.
Interaktiv: Im Flug die Elbphilharmonie erobern
Ihrem mutigen Anpacken und diplomatischen Geschick ist es zu danken, dass die Elbphilharmonie direkt zu Beginn des neuen Jahres 2017 den öffentlichen Spielbetrieb aufnehmen kann.
Dass es Barbara Kisseler nicht vergönnt ist, das mitzuerleben, ist tief bedauerlich; für das Philharmonische Staatsorchester und mich als dessen Chefdirigenten insbesondere – war sie es doch, die unsere Verbindung gestiftet und mir jenes Vertrauen vermittelt hat, auf dessen Basis eine derart große und verantwortungsvolle Aufgabe wie Oper und Philharmonisches Konzert in Hamburg nur sinnvoll zu erfüllen ist.
Barbara Kisseler sei gedankt
Dieser besonderen Frau, Barbara Kisseler, sei hier aufrichtig gedankt und gedacht. Sie nämlich hat als Kultursenatorin in dem, wie und was sie dachte, und vor allem, was sie tat, eine schöpferische Kulturarbeit vertreten und unermüdlich inspiriert, deren Wert sie stets als eine gesellschaftliche und menschenbezogene Kondition erkannt und entsprechend auch in ihrer Praxis als Kulturpolitikerin verfolgt hat.
Die Elbphilharmonie ist geboren worden aus dem Willen, der Stadt Hamburg und seinen Traditionen als weltoffener Handelsstadt, aber auch als immer wieder gewichtiges Zentrum bedeutender künstlerischer Leistungen, eine neue, zukunftsbezogene Perspektive zu geben sowie die Interessen und Bedürfnisse der Bürger zu mobilisieren.
360-Grad-Rundgang:
Handel und Kultur stehen seit urdenklichen Zeiten in engem Verhältnis zueinander. Und große Handelsstädte zeichnen sich immer dadurch aus, dass sie es zu kulturellen Blütezeiten gebracht haben, dass sie für Offenheit, Begegnung und Austausch stehen und darin eine bedeutende Repräsentanz entfalten. An der besonderen, so ausgesprochen symbolträchtigen Architektur von Hamburgs Elbphilharmonie kommt man nicht vorbei. Sie ist zeichenhafter „Ausdruck“, sie ist markant und vereint in sich kompakte Geschlossenheit mit einer wunderbaren Spiegeltransparenz sowie im Inneren mit einer räumlichen Melodik aus weiten Schwingungen und harmonischem Maß!
Elbphilharmonie ein Meisterwerk der Fantasie
Dieses „Haus“ lässt uns staunen und fordert Bewunderung. Jeder Schritt und jeder Blick schafft Erlebnisse – bis hinein in die landschaftsähnliche Wunderwelt des Großen Saals. Dort wird bald unser Herz zu schlagen und zu singen beginnen im Zusammenspiel und im übereinstimmenden Klang zwischen uns Musikern und dem Publikum.
Die Elbphilharmonie ist ein Meisterwerk aus kreativer und inspirierender Fantasie. Auch wenn sie teuer war, dieser Fantasie wird die Stadt bald nur mehr dankbar sein. Denn sie trägt ein hohes Maß an Verantwortung und an Herausforderung in sich. Ihre Verantwortung – das ist der gesellschaftliche und darin eben der „philharmonische“ Wert dieses Konzerthauses.
Die Elbphilharmonie ist ein Statement und ist ein Einspruch gegen eine Zeit, die „aus den Fugen geraten“ ist. Die Elbphilharmonie wird die Menschen zusammenführen und vereinen, indem sie diese lockt und einfängt in die Welt eines gemeinsamen geistigen und sinnlichen Erlebens.
Plaza-Eröffnung in der Elbphilharmonie:
Plaza-Eröffnung in der Elbphilharmonie
Verantwortung bedeutet dieses neue Konzerthaus aber auch darin, dass es an erster Stelle der großen europäischen Musikkultur dienen wird und ein Forum sein will, in dem diese Kultur und ihre Traditionen sich den Bedürfnissen, den Erwartungen und den modernen Forderungen der Besucher stellen müssen; wo, zugespitzt gesagt, die Zukunft und Zukunftsfähigkeit unserer Musikkultur auf dem Prüfstand stehen werden.
Darin freilich liegt auch die besondere Herausforderung, die sich mit diesem Konzerthaus verbindet und die uns Musiker letztlich an erster Stelle meint. Wir werden diesem fantastischen Haus gerecht werden, also denen jenes besondere Erlebnisglück schenken müssen, die aus der Besonderheit und sichtlich erkennbaren Einzigartigkeit dieser Elbphilharmonie Hoffnungen und Erwartungen auf besondere musikalische Erlebnisse ableiten.
Auch das ist ihr volles Recht. Wir als Musiker, die zukünftig dieses Konzerthaus mit klingendem „Inhalt“ füllen, wissen um diese Aufgabe. Diese Aufgabe ist verpflichtend und anspruchsvoll, sie wird viel Kraft und Energie verlangen; doch sie bedeutet die große Chance, im Verbund mit dem neuen „Haus“ unserer musikalischen Kultur, ihrer Zukunft und ihrer Entwicklung ein „neues Leben“ zu schaffen.
Elbphilharmonie-Querschnitt: