Hamburg. Kita an der Osterstraße kündigte Familien und Erziehern wegen „massiven Schädlingsbefalls“. Eltern erheben nun schwere Vorwürfe.
Von einem „massiven Schädlingsbefall“ war die Rede und von einer notwendigen „Sanierung bis auf die Grundmauern“. So stand es jedenfalls in den Kündigungen, die rund 30 Eltern und ihre Kinder sowie mehrere Erzieherinnen und Erzieher der Kita Schmusebacke an der Osterstraße in Eimsbüttel kurz vor Weihnachten erhalten hatten.
Wie berichtet, hatte die Geschäftsführerin der Kita angegeben, eine Maus gesichtet zu haben. Daraufhin sei ein Kammerjäger gerufen worden. Schlussendlich wurden alle Verträge „zu sofort“ gekündigt.
Eimsbüttel: Kita Schmusebacke – gab es „massiven Schädlingsbefall“ nie?
Eltern sowie Erzieherinnen und Erzieher hatten von Anfang an Zweifel an dem „massiven Schädlingsbefall“ geäußert. Neuere Informationen bestärken ihren Verdacht. Denn: Inhalte aus einem Gutachten, die dem Abendblatt vorliegen, legen nahe, dass es einen „massiven Schädlingsbefall“ so nicht gegeben hat. Gleichzeitig kündigt der Kita-Träger, der insgesamt fünf Kitas betreibt, auf seiner Homepage die Neueröffnung des Standortes an der Osterstraße im Frühjahr an. Eine Sanierung bis auf die Grundmauern hat bislang nicht stattgefunden.
Die Eltern werfen der Kita-Geschäftsführung nun „Täuschung“ vor – und der Sozialbehörde, der das Gutachten von Anfang an vorlag, die bewusste Zurückhaltung relevanter Informationen und fehlende Unterstützung.
Was ist geschehen? Am 2. Dezember 2023 will die Geschäftsführerin der Kita Schmusebacke eine Maus in den Räumlichkeiten an der Osterstraße gesichtet haben. Dies teilte sie den Eltern per E-Mail mit. Zwei Tage später veranlasste sie die vorläufige Schließung der Kita. Am 19. Dezember erhielten Eltern und Erzieher eine fristlose Kündigung.
Kita Schmusebacke: Eimsbütteler Eltern forderten Einsicht in das Gutachten
In dem Schreiben, das dem Abendblatt vorliegt, heißt es: „(...) So hat der massive Schädlingsbefall die Bausubstanz (Decken und Wände) derart beschädigt, dass das ganze Objekt bis auf die Grundmauern saniert werden muss.“ Und weiter: „In diesem Zusammenhang haben wir uns auch die Wirtschaftlichkeit der Osterstraße angeschaut. Die Auslastung und der Fachkräftemangel bereiten uns schon lange große Sorgen.“ Vor den „nunmehr anstehenden Problemen“ würden diese Wirtschaftlichkeitsfragen eine neue Bedeutung erlangen.
Eltern und Erzieher äußerten von Anfang an Zweifel an der Begründung, da ein Nachweis für den Befall fehlte. Nachdem die Eltern von heute auf morgen ohne Betreuung für ihre Kinder dagestanden hatten, forderten sie von der Sozialbehörde und der Kita-Aufsicht mehrfach Auskunft und Einsicht in das Gutachten. Auch das Abendblatt bat wiederholt um Informationen aus dem entsprechenden Gutachten.
Die Sozialbehörde lehnte die Herausgabe der Informationen mit Verweis auf datenschutzrechtliche Gründe ab. Erst ein formaler Antrag des Abendblatts auf Einsicht – mit Berufung auf eine Einschätzung des Hamburgischen Beauftragten für Datenschutz – führte dazu, dass die Behörde Inhalte des Gutachtens herausgab.
Kita Eimsbüttel: Informationen aus Gutachten werfen Fragen auf
Das Ergebnis: Laut Sozialbehörde wurde bei einem Termin am 14. Dezember Mäusekot festgestellt. Bei den weiteren Vor-Ort-Terminen am 20. Dezember und 1. Januar wurde dokumentiert: „Kein Mäusebefall mehr sichtbar“.
Im zeitlichen Verlauf heißt das konkret: Einen Tag nachdem Eltern und Mitarbeitern gekündigt worden und von einem „massiven Schädlingsbefall“ sowie einer „Sanierung bis auf die Grundmauern“ die Rede war, war kein Mäusebefall sichtbar. Wie kann das sein?
Betroffene Eltern der Kita Schmusebacke fühlen sich von dem Kita-Träger getäuscht und der Sozialbehörde schlecht informiert. Eine betroffene Mutter berichtet, sie und andere Eltern hätten bei der Behörde mehrfach um Auskunft gebeten. Ohne Ergebnis. „Wir haben aus nachvollziehbaren Gründen wissen wollen, ob es einen Beleg für die Begründung der Kündigung gab, und haben keine Antwort bekommen.“ Der Kita-Träger selbst reagierte auf Rückfragen des Abendblatts nicht auf die Vorwürfe.
Eimsbüttel: Kita-Eltern sprechen von meldepflichtigem Personalmangel
Wolfgang Arnhold, Sprecher der Sozialbehörde, gibt an: „Eine fachliche Beurteilung des Mäusebefalls und der daraus abzuleitenden Maßnahmen kann nicht durch die Kita-Aufsicht erfolgen. Die Schließung der Kita als Folge des Schädlingsbefalls liegt in der Verantwortung des Trägers.“ Die Kündigung der Verträge sei eine privatrechtliche Angelegenheit.
Aus Behandlungsnachweisen gehe weiter hervor, dass die Einrichtung „trotz fehlenden sichtbaren Befalls“ gegen Schädlinge behandelt worden ist. „Dieses wurde durch die Kita-Aufsicht allerdings nicht weiter bewertet“, so Arnhold weiter.
Aber noch andere Punkte treiben die Eltern um. Sie berichten übereinstimmend, dass es im Jahr 2023 einen meldepflichtigen Personalmangel in der Kita gegeben habe. „Insbesondere im dritten und vierten Quartal waren so wenige Erzieher im Einsatz, dass das Kindeswohl zum Teil gefährdet war.“ Ehemalige Mitarbeiter bestätigen dies.
Kita Schmusebacke: Eltern teilten ihre Sorgen der Geschäftsführung mit
Erzieherinnen und Erzieher hätten ihrer Kernarbeit nicht nachkommen können, hätten bis zu 80 Stunden pro Woche gearbeitet und seien krank zur Arbeit gekommen, um den Betrieb aufrecht zu erhalten. Mitte November sei die Krippengruppe zudem wegen Personalmangels geschlossen worden.
Eltern und Erzieher hätten nach mehreren zum Teil krankheitsbedingten Ausfällen um eine Aufstockung des Personals gebeten. Dies sei monatelang nicht geschehen. Erst einen Monat vor dem angeblichen Mäusevorfall seien zwei Zeitarbeiterinnen dazu gekommen. Kurz bevor die Maus gesichtet worden sei, hatten sich Eltern und Angestellte mit sorgenvollen E-Mails an die Geschäftsführung gewandt.
Nach der Schließung der Kita wandten sich zudem mehrere Eltern an die Kita-Aufsicht – und stellten Fragen: Wurde der Personalmangel gemeldet? Wie viele Erzieher waren im Einsatz? Wurde die Einrichtung überprüft? „Antworten haben zum Teil lange auf sich warten lassen, wenn sie denn überhaupt gekommen sind“, sagt eine betroffene Mutter. „Inhaltlich wurden unsere Fragen in keinem Fall beantwortet.“
Eimsbüttel: Kritik an Kita – Eltern wandten sich an die Sozialbehörde
So hieß es etwa: „Eine statistische Erfassung aktueller und zurückliegender meldepflichtiger Ereignisse und Beschwerden wird nicht geführt.“ Auch auf Abendblatt-Nachfragen – etwa zum Personalstand in der Kita – lasen sich die Antworten der Behörde ähnlich: „Eine Auswertung der geforderten Daten (Fachpersonal) kann nicht erfolgen, weil diese Daten statistisch nicht erfasst werden.“
Auf Abendblatt-Nachfrage erläutert Sozialbehördensprecher Arnhold: „Nach der angekündigten temporären Schließung der Einrichtung gab es erste Beschwerden. Nachdem bekannt gegeben wurde, dass die Kita für einen deutlich längeren Zeitraum schließen wird und die Betreuungsverträge gekündigt wurden, kamen weitere Beschwerden hinzu.“ Themen seien zum einen die Schließung und die Kommunikation des Trägers mit den Eltern, aber auch Betreuungseinschränkungen in den Monaten zuvor gewesen.
Und weiter: „Die Betreuungseinschränkungen waren uns zuvor nicht gemeldet worden, diese Meldung wurde nachgeholt.“ Laut Arnhold handelte es sich um Beschwerden von fünf verschiedenen Personen, die sich unterschiedlich häufig an die Kita-Aufsicht und die Kita-Trägerberatung gewandt haben.
Eimsbüttel: Kita Schmusebacke will im Frühjahr 2025 neu eröffnen
Er gibt an: „Der Träger hat insgesamt fünf Betriebserlaubnisse. Die Zuverlässigkeit des Trägers wurde geprüft. Dabei war kein Fehlverhalten zu erkennen, welches weitere Schritte betreffend der anderen Einrichtungen nötig gemacht hätte beziehungsweise rechtfertigen ließe.“
Wie es nun um die geplante Neueröffnung der Schmusebacke an der Osterstraße im kommenden Frühjahr steht? „Die Betriebserlaubnis für die Kita Osterstraße wird rechtzeitig vor der geplanten Neueröffnung rechtlich überprüft werden. Aktuell besteht kein Handlungsbedarf, da keine Kinder betreut werden“, so Arnhold.
- Werden Straßen vor Schulen in Eimsbüttel für Autos gesperrt?
- Kita Hamburg: Kita-Plätze in Eimsbüttel – Nachfrage bei großen Trägern sinkt
- Elbkinder-Kitas: Zu hohe Kosten – Hamburgs größter Träger spart Personal ein
Unterdessen hat sich eine betroffene Mutter auch an Petra Lotzkat, Staatsrätin der Sozialbehörde, gewandt. „Ich habe ihr den Fall geschildert, um Hilfe und Unterstützung gebeten“, erzählt die Mutter. Das ist nun sieben Wochen her. Eine Antwort hat sie bislang nicht erhalten.