Hamburg. Niendorfer fürchten, dass Bereiche des Stadtteils an Lebensqualität verlieren könnten. Doch sie haben Alternativvorschlag. Wie der aussieht.

Die Frage, wie ihr Stadtteil in der Zukunft aussehen könnte, mobilisiert derzeit viele Menschen in Hamburg-Niendorf. Wird es künftig viergeschossige Wohnhäuser mit Staffelgeschoss geben, wo jetzt mehrheitlich Einfamilienhäuser mit viel Platz und Grün drum herumstehen? Die Initiative Niendorf e. V. lehnt diese Planungen, die der im März verabschiedete Bebauungsplan Niendorf 93 (N93) vorsieht, weiterhin vehement ab.

Bei einem Politik-Talk am Mittwochabend in der Aula der Stadtteilschule Niendorf haben sich die Fraktionsvorsitzenden im Bezirk Eimsbüttel, Gabor Gottlieb (SPD), Ali Mir Agha (Grüne), Rüdiger Kuhn (CDU), Benjamin Schwanke (FDP) und Mikey Kleinert (Linke), nun den Fragen der Anwohner gestellt.

Hamburg-Niendorf: Anwohner legen Alternativvorschlag für Bebauung vor

Auf einer Leinwand über der Bühne läuft anfangs ein animierter Kurzfilm, der das Schreckensszenario zeigt: Erst sieht man fünf kleine Einfamilienhäuser mit Bäumen dazwischen, die nach und nach von fünf hohen Mehrfamilienhäusern ohne Abstand verdrängt werden. Tobias Albrecht, Sprecher der Initiative, bekommt viel Applaus aus dem Saal, als er die Maxime des neu gegründeten Vereins vorträgt: „Wir sind für ein lebenswertes Niendorf, in der auch künftige Generationen gern leben.“

An vielen Häusern und Gartenzäunen in Hamburg-Niendorf hängen Protestplakate. Die Bewohner wehren sich gegen den Bebauungsplan für ihren Stadtteil.
An vielen Häusern und Gartenzäunen in Hamburg-Niendorf hängen Protestplakate. Die Bewohner wehren sich gegen den Bebauungsplan für ihren Stadtteil. © Elisabeth Jessen | Elisabeth Jessen

Für die angrenzenden Straßen arbeitet die Bezirksverwaltung derzeit am Bebauungsplan Niendorf 95. Die Zielvorgaben bei beiden Bebauungsplänen zusammen sehen zwischen 500 und 950 neuen Wohneinheiten vor.

Nachverdichtung in Hamburg: Pläne für Niendorf sehen bis zu 950 neue Wohnungen vor

„Wir sind nicht gegen Wohnungsbau in Niendorf“, versichert Tobias Albrecht, aber das müsse maßvoll geschehen. Er und seine Mitstreiter stellen folgende Alternative vor: offene Bauweise, damit die Luft zwischen den Gebäuden weiter zirkulieren könne, maximal drei Geschosse und eine Begrenzung der Bauhöhe. Dafür ernten sie wieder großen Applaus aus dem Saal.

Beim Politik-Talk in Niendorf nahmen alle Fraktionsvorsitzenden des Bezirks Eimsbüttel Stellung – hier Gabor Gottlieb (l.) und Ali Mir Agha.
Beim Politik-Talk in Niendorf nahmen alle Fraktionsvorsitzenden des Bezirks Eimsbüttel Stellung – hier Gabor Gottlieb (l.) und Ali Mir Agha. © Elisabeth Jessen | Elisabeth Jessen

Auch der FDP-Politiker Benjamin Schwanke unterstützt diese Idee: „Wir sind gegen eine geschlossene Bebauung und halten die Vorlage der Initiative für eine Alternative.“ Man dürfe keine Betonwüste schaffen, fordert er.

Niendorf: Warum wird nicht im Gewerbegebiet am Krähenweg nachverdichtet?

Eine alternative Idee präsentiert auch ein Anwohner: Er fragt, warum der Bezirk nicht das Gewerbegebiet um den Krähenweg in den Blick nimmt, wo vier große Supermärkte und ein Baumarkt mit großen Parkflächen angesiedelt sind, sowie den Recyclinghof, der in absehbarer Zeit umziehen soll. Andernorts würden ja auch Wohnungen über Supermärkten entstehen, sagt der Niendorfer Architekt.

Rund um den Krähenweg in Hamburg-Niendorf gibt es vier Supermärkte, einen Baumarkt, einen Recyclinghof und viele Firmen. Hier könnte nach Ansicht eines Anwohners gut nachverdichtet werden.
Rund um den Krähenweg in Hamburg-Niendorf gibt es vier Supermärkte, einen Baumarkt, einen Recyclinghof und viele Firmen. Hier könnte nach Ansicht eines Anwohners gut nachverdichtet werden. © Elisabeth Jessen | Elisabeth Jessen

Rüdiger Kuhn (CDU) sagt dazu, man habe schon mehrere diesbezügliche Versuche gestartet, und man sollte das nicht aus dem Blick verlieren, allerdings sei der Boden dort sehr kontaminiert. Gabor Gottlieb (SPD) erwartet, dass sich durch den Wegzug des Recyclinghofs mittelfristig ohnehin Änderungen ergeben.

Eimsbüttel: Grünen-Fraktionchef setzt sich für bezahlbaren Wohnraum ein

Ali Mir Agha von den Grünen betont mehrfach, seine Partei setze sich für bezahlbaren Wohnraum ein, inzwischen gebe es in dem nachverdichteteten Bezirk Eimsbüttel aber nur noch schwierige B-Plan-Verfahren. Die Beteiligung von Bürgern sei wichtig: „Wir müssen uns über die Transparenz bei B-Plänen und die Bürgerbeteiligung unterhalten. Dafür ist Niendorf eine Blaupause.“

In der Aula der Stadtteilschule Niendorf war der Andrang am Mittwochabend beim Politik-Talk groß.
In der Aula der Stadtteilschule Niendorf war der Andrang am Mittwochabend beim Politik-Talk groß. © Elisabeth Jessen | Elisabeth Jessen

Auch Rüdiger Kuhn kritisiert, dass die Einwände der Anwohner in Niendorf ignoriert worden seien. Für Mickey Kleinert (Linke) ist der beschlossene B-Plan in Ordnung.

Hamburg-Niendorf: Grüne wollen Antrag für Nachbesserungen in Bezirksversammlung stellen

Ein Thema an diesem Abend ist auch die Versiegelung des Stadtteils, in dem zahlreiche Gebäude regelmäßig Wasser im Keller haben. Ali Mir Agha betont, eines der Ziele des B-Plans N93 sei, die Versiegelung einzuschränken. Wie das allerdings mit der geplanten, mächtigen Bebauung zusammengehen soll, darüber werden sich Anwohner und Politiker nicht einig. Für den Grünen-Fraktionschef ist die Paul-Sorge-Straße jedenfalls deshalb der richtige Standort, weil die künftigen Bewohner direkt in die U-Bahn steigen könnten, um in die Stadt zu kommen.

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Die Grünen in Eimsbüttel hatten am Donnerstagabend (25. April) in der Bezirksversammlungen einen Antrag gestellt, um das Plangebiet des Bebauungsplans Niendorf 95 zu erweitern und damit Nachbesserungen für das Plangebiet Niendorf 93 möglich zu machen. „Durch unseren Antrag machen wir das Verfahren wieder auf“, sagt Ali Mir Agha.

Allerdings wurde das Thema an dem Abend in den Stadtplanungsausschuss am 7. Mai geschoben. „Da liegt mir jetzt viel Arbeit vor, um es zwischen uns und anderen Fraktionen mehrheitsfähig zu machen. Wir werden uns da mit den Änderungswünschen von FDP und SPD auseinandersetzen müssen“, so der Grünen-Fraktionsschef nach der Bezirksversammlung.