Hamburg. Die beiden neuen Obdachlosenunterkünfte treffen auf Skepsis, eine Spur Neid, aber auch auf Wohlwollen. Am 22. April geht es los.
Nach all der Aufregung und den Bedenken im Vorfeld wollen viele Niendorfer gern selbst sehen, wie es in den beiden Obdachlosenunterkünften aussieht, die hier bald eröffnet werden. Am 22. April sollen die ersten 30 Frauen und Männer am Garstedter Weg 79–85 einziehen, der Garstedter Weg 20 soll erst Ende Juni 2024 bezogen werden.
Beim Abend der offenen Tür am Donnerstagabend an beiden Standorten stehen viele Mitarbeiter von Fördern & Wohnen in den beiden Häusern in in Hamburg-Niendorf bereit, um die Fragen der Besucherinnen und Besucher beantworten. Dabei zeichnet sich ab, dass es bereits die ersten Ehrenamtlichen gibt, die sich engagieren wollen, aber auch immer noch viel Skepsis herrscht.
Hamburg-Niendorf: Im April ziehen die ersten Obdachlosen am Garstedter Weg ein
Ein Mann aus der unmittelbaren Nachbarschaft sagt: „Vielleicht sind die Befürchtungen ja unbegründet und es stimmt alles, was uns bei dem Informationsabend in der Kirche erzählt wurde. Wir werden sehen.“ Mit dem Altenheim habe er gut leben können, „die waren um 20 Uhr alle in der Heia. Hoffentlich halten sich die neuen Bewohner auch mehr im Innenraum auf. Ich fände es nicht cool, wenn die alle draußen herumkrakeelen. Dann ist das PK 24 gefragt. Auf die Polizei wird noch Arbeit zukommen“, mutmaßt der 55-Jährige. Das Polizeikommissariat 24 liegt ebenfalls an dieser Straße.
Die Altenheimbewohner hätten manchmal draußen „geplanscht“, sagt er, aber damit habe er gut leben können. Ob die neuen Bewohner den Swimmingpool nutzen, wird sich zeigen. Im Moment präsentiert sich das Becken mit grünem Wasser und winterlich ungepflegt.
Anwohner kritisiert Unterbringung Obdachloser in einer Wohngegend
Er könne jedenfalls nicht verstehen, warum man solche Menschen mitten in einer Wohngegend unterbringe. Er habe auch Bedenken, wie sich der Tibarg, die nahegelegene Fußgängerzone im Herzen von Niendorf, dadurch entwickeln werde. „Am Busbahnhof ist es jetzt schon spooky. Ich komme jeden Tag mit der U-Bahn aus der Stadt und schon jetzt fahren zwei solche Leute durch bis zum Tibarg. Es bleibt spannend.“
Der 55-Jährige und seine Frau wollen bald ihr Haus verkaufen, allerdings nicht wegen der neuen Nachbarn, sondern weil sie ohnehin aus Hamburg wegziehen wollten. „Eigentlich wollten wir das letztes Jahr schon.“ Sorgen, dass niemand sein Haus wegen der neuen Obdachlosen-Pflegeeinrichtung haben wolle, plagen ihn aber nicht. „Ich denke schon, dass wir trotzdem einen Käufer für unser Haus finden.“
Zwei Obdachloseneinrichtungen in einer Straße: Angst vor Drogenproblemen
Ein Niendorfer Ehepaar, das mit dem Rad gekommen ist, begrüßt die Pflegeeinrichtung, stört sich aber daran, dass mit der Fett‘schen Villa gleich noch eine zweite Obdachloseneinrichtung in unmittelbarer Nähe neu eröffnet wird. „Das wird der Integration der pflegebedürftigen Menschen hier schaden“, sagt Cordula Meyer (Name geändert). Sie und ihr Mann Harald sorgen sich, dass vor allem in der Fett‘schen Villa auch Menschen mit Drogenproblemen unterkommen werden, obwohl die Sozialbehörde versichert hat, dass keine Drogenabhängigen aufgenommen würden.
Sozialstaatsrätin Petra Lotzkat hatte bei der Informationsveranstaltung am 12. Mai nicht Drogenscreenings versprochen, aber zugesagt, die rechtlichen Anforderungen für verpflichtende Drogentestungen zu prüfen. Diese Prüfungen sind laut Sozialbehörde noch nicht abgeschlossen. Cordula Meyer erwartet dadurch Probleme für den Tibarg. „Frau Lotzkat hat doch selbst gesagt, dass es große Unterbringungsbedarfe für so viele Gruppen gibt.“ Warum man dann nicht Frauen mit Kindern oder minderjährige Flüchtlinge unterbringe, sei ihr ein Rätsel. Ihr Mann äußert zudem Zweifel am geplanten Personalschlüssel an beiden Standorten.
Die großen schicken Räume schüren auch ein wenig Neid
Ein anderer Besucher, der davor die schönen Räume im Pflegeheim begutachtet hat, sagt: „Hier geht niemand mehr raus. Das ist alle so schick hier.“ Den Eindruck hat auch Anke Lembke, die mit ihrem Mann Peter beide Einrichtungen besichtigt hat. „Ich wäre froh, wenn ich einmal so unterkommen würde. Meine Mutter war in einem Altenheim in der Blumenstraße, ihr Zimmer war sehr viel kleiner. Ich musste dafür mitbezahlen“, denn die Rente ihrer Mutter habe nicht ausgereicht. „Es tut mir auch leid für die ganzen Rentner, die nicht so schicke große Bäder haben wie die Leute, die jetzt hier einziehen, aber nie was für unsere Gesellschaft beigetragen haben.“
Sie lebe seit 1970 in Niendorf, damals sei der Stadtteil noch ein Idyll gewesen, sagt die 79-Jährige, die es auch sehr unglücklich findet, dass gleich zwei Standorte für schwierige Klientel am Garstedter Weg eröffnen. „Aber darauf hat man ja gar keinen Einfluss.“
Garstedter Weg: Die Pflegeeinrichtung freut sich über Spenden
Ute Wegner wohnt am Garstedter Weg auf halber Strecke zwischen den beiden neuen Obdachloseneinrichtungen. Sie hat sich an diesem Abend auf der Liste der ehrenamtlichen Helfer eingetragen und möchte gern an einem Tag in der Woche in der Pflegeeinrichtung mithelfen. Sie sei auch in der Flüchtlingshilfe in der Alten Schule in Niendorf engagiert, erzählt die 65-Jährige. „Ich habe keine Berührungsängste mit Obdachlosen“, sagt die pensionierte Versicherungskauffrau.
Nicht nur helfende Hände, auch sonstige Unterstützung ist willkommen. Die Unterkunftsleiterin Katrin Wollberg hofft auf Spenden aus der Bevölkerung für die pflegebedürftigen Bewohnerinnen und Bewohner: „Wir können Fernseher für die Zimmer gebrauchen, aber auch Porzellan“, sagt sie, als sie konkret danach gefragt wird. Kleiderspenden könne sie nach Bedarf bei Hanseatic Help bestellen. Auch Hygieneartikel seien willkommen. „Wir bekomme eine große Spende an Windelhosen. Diese Pantys sind sehr teuer“, sagt sie.
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Fett‘sche Villa: Hier verzögert sich der Einzug etwas. Alles riecht nach Farbe
In der Fett‘schen Villa ist der Zulauf etwas verhalten. Hier sollen im Modellprojekt Übergangswohnen 16 obdachlose Männer und Frauen eine Perspektive für ihr weiteres Leben entwickeln. Noch ist das beeindruckende Gebäude nicht möbliert, aber es gibt auf zwei Etagen 16 Betten in Ein- und Zweibettzimmern, etliche Bäder und zwei Gemeinschaftsküchen.
Hier sollen sich die Bewohnerinnen und Bewohner selbst versorgen – anders als im Pflegeheim, wo es eine Gemeinschaftsverpflegung geben wird. Überall riecht es noch nach Lack, denn Türen und Treppengeländer sind frisch gestrichen. Derzeit laufen nach Angaben von Fördern und Wohnen die Bewerbungsgespräche für die künftigen Mitarbeiter.