Hamburg. Frank Heidenreich begrüßt rund 1000 Menschen am Tag. Wie er Besuchern hilft – und mit zunehmender Aggressivität umgeht.
Wer als Patient oder Besucher ein Krankenhaus betritt, steht in der Regel unter Anspannung: Nervosität vor einer Untersuchung oder Operation, Sorge um erkrankte Familienangehörige oder Freunde oder Aufregung ob der Geburt eines Kindes. Umso wertvoller ist es, wenn die Menschen positiv begrüßt werden und sich während ihres Aufenthaltes in der Klinik gut begleitet und aufgehoben fühlen.
Frank Heidenreich ist Leiter des Empfangs im Agaplesion DiakonieklinikumHamburg in Eimsbüttel. Im Abendblatt-Podcast „Hamburger Klinikhelden“ spricht er über die emotionale Bandbreite seines Arbeitsalltags, zunehmende Aggressivität der Besucher und verrät sein Rezept für einen versöhnlichen Ausgang schwieriger Gespräche.
Krankenhaus Hamburg: Empfangschef sagt tausendmal Hallo am Tag
„Die Menschen, die zu uns kommen, stehen in der Regel unter Leidensdruck“, weiß Frank Heidenreich. Bei der Begrüßung in der Klinik ist es dem Empfangschef daher wichtig, ihnen Zuversicht zu vermitteln: „Hier sind Sie richtig, Ihnen wird hier geholfen.“ Ein Lächeln ist dabei, „aber nicht das aufgesetzte, sondern das, das von Herzen kommt“, betont der erfahrene Krankenhausmitarbeiter.
Wer nicht in einem ähnlichen Beruf wie Frank Heidenreich arbeitet, wird nur auf einen Bruchteil der Frequenz kommen, in der er und seine Kollegen innerhalb von 24 Stunden „Hallo“, „guten Morgen“ oder „guten Tag“ sagen. Seit der Corona-Zeit, in der jeder Besucher registriert werden musste, hat der Empfangsprofi einen genauen Überblick: „Das waren ungefähr 700 bis 800 Kontakte. Dann kommen noch die Patienten und Klinikmitarbeiter dazu, sodass wir etwa bei 1000 sind.“
Agaplasion Diakonieklinikum: Heidenreich hat Empfangsarbeit mitgestaltet
Vor vier Jahren hat Heidenreich die Leitung des Empfangs am Agaplesion Diakonieklinikum Hamburg übernommen, ist aber bereits seit mehr als 15 Jahren für das Haus tätig, dessen Wurzeln in den traditionsreichen evangelischen Krankenhäusern Alten Eichen, Bethanien und Elim liegen. Als er damals anfing, habe er sich sofort wohlgefühlt, erinnert er sich.
2011 wurden die drei Häuser in einem Klinikneubau an der Hohen Weide vereint. Die psychologische wie physische Zusammenführung der Teams zu einem großen Team sowie die Neuorganisation der Empfangsarbeit aktiv mitgestalten zu können hat er als Privileg wahrgenommen: „Ich habe mich ein klein bisschen auch als Architekt mitempfunden, an diesem Prozess teilhaben zu können“ erzählt er.
Klinik Hamburg: Empfang muss Tag und Nacht besetzt sein
Der Empfang in der Klinik muss Tag und Nacht besetzt sein. Im Tagesgeschäft gehören neben dem Begrüßen und kompetenten Weiterleiten der Besucher und Patienten zur Terminvergabe, den Ambulanzen, der Notaufnahme oder auf eine Station, Auskünfte am Telefon und Durchstellen von Anrufen zu den Aufgaben am Empfang. In der Frühschicht klingelt Frank Heidenreichs Wecker um viertel nach vier am Morgen. „Die Nachtschicht, speziell bei mir, ist geprägt von vielen Verwaltungstätigkeiten, da habe ich einen vollen Arbeitszettel“, so der Empfangschef.
Antrieb von außen brauche er für seinen Job nicht: „Wenn Motivation nötig ist, motiviere ich mich selbst. Es ist einfach der Umgang mit den Menschen, wohlwissend, dass Patienten vor mir stehen, die eine Behandlung vor sich haben und denen ich transportieren möchte ‚alles wird gut’“.
Krankenhaus in Hamburg-Eimsbüttel: Besucher sind aggressiver geworden
Der erste Mensch, mit dem Patienten und Besucher in der Klinik in Kontakt kommen, ist manchmal auch Prellbock für blank liegende Nerven – unangenehme Momente für Frank Heidenreich: „Das Schwierigste ist eine zunehmende Aggressivität aus dem Nichts heraus, also tatsächlich Angriffe gegen das Krankenhaus, verbal oder gegen einzelne Mitarbeiter“, berichtet er.
Vor Corona habe er so etwas nicht erlebt, in der Pandemie häuften sich die Fälle: „In der Corona-Zeit war es sehr schlimm, sodass wir eine Liste erstellt haben, in der die Angriffe notiert worden sind. Am Ende des Monats war es schon erschreckend, dass fast durchgehend, ob in der Früh-, Spät- oder Nachtschicht, verbale Attacken stattgefunden haben“, erinnert sich Heidenreich.
Empfangschef Heidenreich kann sein Gegenüber in drei Sekunden einschätzen
Um solche Situationen einzufangen, gilt es, besonnen zu bleiben, aber auch bereit zu sein, Konsequenz zu zeigen: „Manche lassen sich einfach beruhigen, andere muss man da lassen, wo sie sind, kompetent und sachlich Auskunft geben und ihnen verdeutlichen, sich bitte an die Hausordnung zu halten.“
In den meisten Fällen schafft es Kommunikationstalent Heidenreich, dass die Barrieren fallen und ein vernünftiges Gespräch möglich ist. Durch seine jahrelange Erfahrung nimmt er die Schwingungen der unterschiedlichsten Menschen, mit denen er es zu tun hat, sehr schnell auf.
Nach spätestens drei Sekunden kann ich in der Regel mein Gegenüber einschätzen und spüre, wer einen flotten Spruch verträgt und wer ein einfaches Nicken – und schon hat man eine Basis gefunden, auf der man miteinander reden kann.“ Dann vermittelt er ihnen: „Hier wird sich gekümmert, ganz speziell um Sie.“
„Es macht mir Freude, Menschen von Herzen zu begrüßen“
An Frank Heidenreich müssen nicht nur die Patienten und Besucher vorbei, auch die Ärzte, Pflegekräfte und Verwaltungsmitarbeiter des Agaplesion Diakonieklinikums werden am Empfang begrüßt und nach Hause verabschiedet. Damit sind er und sein Team auch intern ein wichtiger psychologischer Baustein im Klinikalltag.
„Wir haben sehr viele gute Seelen hier, aber es ist richtig, dass wir die Schnittstelle sind, und mir macht es einfach Freude, von Herzen die Menschen zu begrüßen und zu verabschieden, ganz gleich, in welcher Abteilung sie arbeiten.“
Mit dem Pflegepersonal der Stationen tauscht sich das Empfangsteam aus, besonders wenn es um die Weiterleitung von Besuchern geht, „die sich nicht so gern an die Regeln halten wollen“, erklärt der Rezeptionschef, „da suchen wir dann gemeinsam nach einer professionellen Ebene im Umgang“.
Am Agaplesion Diakonieklinikum Hamburg werden jährlich 1500 Babys geboren
Etwa 1500 Babys werden jährlich in der Eimsbütteler Frauenklinik geboren, in der medizinisch-geriatrischen Klinik hat es Frank Heidenreich mit Menschen zu tun, die am Ende ihrer Zeit auf der Erde stehen – ein Spektrum, das den 64-Jährigen persönlich beeindruckt: „Wenn ich die jungen Eltern und das Neugeborene sehe, wenn sie die Klinik verlassen, ist einfach eine große Freude in mir.“
Bei den Besuchern, die kommen, um ihre versterbenden Angehörigen zu verabschieden „ist natürlich mein ganzes Mitgefühl da“, berichtet Heidenreich. „Wenn ich bei der Bearbeitung der Unterlagen eines Verstorbenen sehe, dass er dasselbe Geburtsjahr hat wie ich, dann bin ich schon sehr berührt.“
Heidenreichs Einschätzung kann dazu beitragen, Leben zu retten
Seiner Verantwortung, am Klinik-Empfang hellwach und geistesgegenwärtig handeln zu müssen, ist er sich bewusst. Seine routinierte Einschätzung kann durchaus dazu beitragen, Leben zu retten, weiß Heidenreich.
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„In einer Nachtschicht rief ein Mann an, der beschrieb, seine Frau habe plötzlich starke Schmerzen im Bauchraum. Ich bin keine medizinische Fachkraft, habe mir über die Zeit jedoch einiges angeeignet und weiß, dass ein mögliches akutes Abdomen lebensbedrohlich sein kann. Ich habe den Mann gebeten, seine Frau umgehend in die Notaufnahme zu bringen, und die Kollegen dort informiert. Drei Tage später rief der Mann bei mir an, um sich zu bedanken. Seine Frau kam direkt auf die Intensivstation, und alles war gut ausgegangen.“
Krankenhaus Hamburg: Am Empfang gibt es keinen Promi-Bonus
Einen Promi-Bonus gibt es bei Frank Heidenreich nicht. Bei ihm am Empfang werden alle gleich behandelt: „Da mache ich keine Unterschiede. Ich habe schon diverse prominente Hamburger bei uns begrüßen können, angefangen von Köchen über ehemalige Fußballspieler bis hin zu Persönlichkeiten aus der Literatur.“
Um am Ende einer Begegnung, egal wie schwierig sie erst scheint, dem Gegenüber ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern, stellt Gesprächsprofi Heidenreich einen Vergleich aus der Küche an: „Rezepte gibt es viele. Meiner Meinung nach kommt es jedoch auf die Zubereitung an: Wenn ich die Zutaten für einen guten Apfelkuchen mit Achtsamkeit, Aufmerksamkeit und Zeit zusammenrühre, dann habe ich einen tollen Kuchen, und dann schmeckt man die Lust am Backen, und so ist das übertragbar.“