Hamburg. Gewerkschaft und Geschäftsführer beschuldigen sich gegenseitig in öffentlichen Schreiben. Kommt jetzt der unbefristete Streik?
Erneut wird eine Auseinandersetzung zwischen dem Geschäftsführer des Tierparks Hagenbeck und der zuständigen Gewerkschaft öffentlich ausgetragen. Dieses Mal macht die IG BAU einen Aushang öffentlich, mit dem Zoo-Chef Dirk Albrecht an die Beschäftigten appelliert, nicht für den von der Gewerkschaft angekündigten unbefristeten Streik zu stimmen.
Wie berichtet, hatte die Gewerkschaft vor wenigen Tagen gedroht, ihren Forderungen nach Tarifverträgen für alle Tierparkmitarbeitenden mit einem unbefristeten Streik Nachdruck verleihen zu wollen. Daraufhin hatte Albrecht seine „große Sorge“ um das Wohl der Tiere zum Ausdruck gebracht und der Gewerkschaft vorgeworfen, sie wolle „Tiere sterben lassen“. Diese hatte das mit dem Hinweis auf einen Notfallplan von sich gewiesen.
Tierpark Hagenbeck: Streit zwischen Gewerkschaft und Zoo-Chef eskaliert
Nun wirft die IG BAU Albrecht vor, die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des Tierparks durch den Aushang unter Druck zu setzen – und falsche Informationen zu verbreiten. In einer detaillierten „Einschätzung“ geht die Gewerkschaft auf vier Din-A4-Seiten jeden der von Albrecht im Aushang aufgeführten Punkte durch, widerspricht diesen und nimmt dazu Stellung.
Im Begleitschreiben dazu heißt es zusammengefasst: „Leider ist gut zu erkennen, wie Dr. Albrecht keine Möglichkeit auslässt, mit mindestens unterschwelligen Drohungen und Einschüchterungen die Beschäftigten des Tierparks davon abzubringen, ihr Streikrecht wahrzunehmen.“
Gewerkschaft IG BAU geht nicht juristisch gegen Einflussnahme an
Die Entscheidung, so „resolut gegen seine eigenen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen vorzugehen“, statt ihre Interessen ernst zunehmen, finde man „äußerst besorgniserregend“. Dass man „ein derartiges Verhalten in der heutigen Zeit in einer weltoffenen Stadt wie Hamburg noch erleben müsse“, sei „schade“.
Ob die Einflussnahme geltendem Recht widerspricht, lässt Gewerkschaftssekretär Pascal Lechner offen. „Wir sehen das als grenzwertig an, haben uns aber entschieden, nicht juristisch dagegen vorzugehen.“
Und das schreibt Albrecht in seinem Aushang: Die IG BAU habe einen unbefristeten Streik angekündigt, um damit Verhandlungen über Tarifverträge zu erzwingen. Die Beschäftigten könnten aber auch von einer möglichen Zustimmung zum Streik wieder zurücktreten, „wenn Sie sich von diesem Schreiben haben überzeugen lassen“.
Hamburg: Bei Hagenbeck haben sich schon 2500 Überstunden angesammelt
Dann verweist der Zoo-Chef darauf, dass die streikenden Mitarbeiter für die Streiktage keine Gehaltszahlungen erhielten, die Streiktage die freiwilligen Urlaubstage anteilig reduzierten und dass – falls der Tierpark schließen müsse – Geld fehle, was sich auf die Höhe des Weihnachtsgeld und auf die Sanierung der Gehege auswirken könne.
Die Tierpflege, so Albrecht weiter, könne sich ohnehin nicht an dem Streik beteiligen: Schon jetzt reichten die vorhandenen Personalkapazitäten zur Versorgung der Tiere nur durch den Einsatz von massiven Überstunden aus (derzeit hätten sich bereits rund 2500 Überstunden angesammelt). Würden sich Tierpfleger und -pflegerinnen am Streik beteiligen, werde das die nicht streikenden Kollegen „unverantwortlich überlasten“. Bereits ohne Streik gebe es eine Überlastungsanzeige eines Mitarbeiters.
Dirk Albrecht warnt, dass Streikgeld entgangenes Gehalt nicht ausgleicht
Die beiden Gewerkschaftsangestellten, die den während des Streiks geltenden Notfallplan ausarbeiten wollen, hätten keine zoologische Erfahrung. Der Betriebsrat könne sich an der Ausarbeitung aber nicht beteiligen, da er zu Neutralität verpflichtet sei. Letztlich, so Albrecht, werde das Streikgeld der IG BAU nicht das entgangene Gehalt auffangen und bei Vollzeitmitarbeitern zu einem Verlust von 300 bis 600 Euro führen.
Die Gewerkschaft führt in ihrem öffentlichen Brief unter anderem an, dass streikende Mitarbeiter für die Streiktage keine „Gehaltszahlungen“ erhielten, sondern Lohnzahlungen, deren Ausfall durch das Streikgeld kompensiert würde. Des weiteren dürfe der Arbeitgeber die am Streik Teilnehmenden nicht benachteiligen und deshalb weder Urlaubstage (gesetzliche oder freiwillige) noch Stunden aus dem Arbeitszeitkonto mit den Streiktagen verrechnen.
Gewerkschaft: „Verhandelt Albrecht mit uns, geht alles seinen gewohnten Gang“
Dass die Streikunterstützung nicht die Höhe der normalen Lohnsumme erreiche, sei richtig. Sie sei aber abhängig von der Höhe der Mitgliedsbeiträge und der Länge der Mitgliedschaft und damit individuell unterschiedlich. Albrechts pauschale Aussage sei falsch.
Die Ankündigungen, dass mögliche Tierparkschließungen sich auf die Höhe des Weihnachtsgelds oder auf die Sanierung von Tiergehegen auswirken könnten, zerpflückt die Gewerkschaft ebenfalls. Albrecht liefere hier selbst ein Argument, warum der von der IG BAU angestrebte Tarifvertrag wichtig sei – eben, weil darin zwei von „irgendwelchen Erfolgsfaktoren“ unabhängige Jahressonderzahlungen enthalten seien.
Im Übrigen habe der Hagenbeck-Geschäftsführer es selbst in der Hand, ob der Zoo geschlossen werde oder nicht. „Verhandelt er mit uns, geht alles seinen gewohnten Gang.“
Hagenbeck-Chef fordert Betriebsrat auf, an Verhandlungstisch zurückzukehren
Albrecht verweist im Aushang darauf, dass nur der Betriebsrat – und nicht die Gewerkschaft – mit der Geschäftsleitung verhandeln dürfe. „Wir brauchen die Gewerkschaft nicht, die derzeit verzweifelt versucht, sich zwischen Betriebsrat und Geschäftsführung zu drängen.“
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Wenn der Betriebsrat „endlich“ in inhaltliche Verhandlungen über eine neue Betriebsvereinbarung treten würde, könnte alles „kurzfristig geklärt“ werden. Die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sollten einem Streik nicht zustimmen, denn dieser „beschädige nur weiter das Image unseres schönen Tierparks“.
Tierpark Hamburg: Albrecht nennt Einschätzung der IG BAU „teilweise unrichtig“
Die „Einschätzung“ der IG BAU nennt er „leider wieder polemisch und teilweise unrichtig“. Deren bekanntes Ziel sei, durch einen Streik einen „Gewerkschaft-Haustarif“ im Tierpark zu erzwingen. Dieser gelte dann aber nur für Gewerkschaftsmitglieder.
„Der Tierpark verhandelt aber schon seit mehr als einem Jahr intensiv mit dem für alle Mitarbeiter zuständigen Betriebsrat, um eine neue Betriebsvereinbarung schließen“, betont Albrecht. Diese gelte dann für alle Mitarbeiter. „Der Betriebsrat muss nur endlich die Verhandlungen fortführen, dann kommen wir schnell zu einer für alle Mitarbeiter guten neuen Betriebsvereinbarung.“
Tierpark Hagenbeck: Laut Gewerkschaft ist ein Streik wahrscheinlich
Ob sich ein unbefristeter Streik noch vermeiden lässt? Laut Lechner von der IG BAU haben bereits etliche der rund 80 gewerkschaftlich organisierten Hagenbeck-Beschäftigten für den Streik gestimmt. „Montag werden die Stimmen ausgezählt. Wir gehen aber davon aus, dass das Quorum für einen unbefristeten Streik erfüllt ist“, so der Gewerkschaftssekretär.
Bereits im vergangenen August hatte etwa die Hälfte der insgesamt rund 130 Mitarbeiter für zwei Stunden die Arbeit niedergelegt – ein Novum in der Geschichte des Tierparks.