Hamburg. Seit Jahren steht das Wohnhaus an der Grindelallee nahe der Uni leer und beschäftigt das Gericht. So machtlos sind die Behörden.
Immer wieder sorgt das seit 2019 leer stehendeHaus an der Grindelallee 80 mit 26 Wohnungen für Diskussionen und für Kritik am Bezirksamt Eimsbüttel – zuletzt nach einem Vorstoß der Linken, die für das Gebäude in Toplage die Einsetzung eines Treuhänders forderten.
Jetzt scheint Bewegung in die Sache zu kommen: Am 1. Juni beschloss die Bezirksversammlung den schon im März vorgestellten Antrag der Linksfraktion – allerdings mit einer Einschränkung.
Haus am Grindel: Zwangsversteigerungsverfahren eingeleitet?
Denn ein Treuhänder wird nur eingesetzt, solange das Gebäude nicht in den kommenden sechs Monaten zwangsversteigert oder der Wohnraum tatsächlich wieder hergestellt wird – so heißt es aus dem Büro der Linken. Doch hier liegt der Knackpunkt: Es soll bereits ein Zwangsversteigerungsverfahren für das gelbe Haus im Jugendstil eingeleitet worden sein.
Auf Anfrage will das Bezirksamt diesen Sachverhalt nicht bestätigen. Mikey Kleinert, Vorsitzender der Eimsbütteler Linkenfraktion, verrät jedoch, dass es „gesichert ein Zwangsversteigerungsverfahren“ gebe. Ob ein Treuhänder eingesetzt werde oder nicht, hänge nun von der Dauer dieses Verfahrens ab.
Grindelallee: Haus seit Jahren leer – reagierte Bezirksamt zu spät?
Seit Jahren verfolgt Rolf Bosse, Vorsitzender des Mietervereins zu Hamburg, die Entwicklungen um das Wohnhaus an der Grindelallee – und die Reaktionen auf die Machenschaften des Eigentümers. „Wir haben es so erlebt, dass die Mieter vom Eigentümer regelrecht rausgeekelt wurden“, sagt Bosse, der schon vor Jahren zu einer Treuhänderschaft geraten habe. Er nimmt auch den Bezirk in die Verantwortung: „Der Bezirk hat sich sehr lange zurückgehalten, etwas dagegen zu tun.“
Erst als bekannt wurde, dass keine ausreichenden Fluchtwege für Brandfälle eingerichtet worden waren, habe das Bezirksamt laut Bosse reagiert – und alle Mieter und Mieterinnen umgesiedelt. Seiner Einschätzung nach habe aber genau dieser Schritt dem Eigentümer in die Karten gespielt. Schon 2017 soll dieser das Wohnhaus als leer stehend zum Verkauf inseriert haben – und das mit Erfolg.
Leer stehendes Haus an der Grindelallee – Streit um Verkauf
Nach Abendblatt-Informationen wollte eine Hamburger Baugesellschaft das Objekt erwerben und abreißen – und ließ sogar schon eine Auflassungsvormerkung in das Grundbuch eintragen. Dr. Moritz Lembcke, Anwalt in der Hamburger Kanzlei Osgard, will keine Auskunft über den Namen der Kaufpartei geben, bestätigt aber den Sachverhalt rund um den Rechtsstreit.
Als klar wurde, dass entgegen den Angaben des Eigentümers die Mietverhältnisse nicht geklärt sind, habe es Diskussionen um den Kaufpreis gegeben. Seine Klientin – die Käuferin – sei nicht bereit, den ursprünglichen Kaufpreis zu bezahlen, der in dem Glauben, das Haus werde leer verkauft, vereinbart worden war. Der Verkäufer hingegen weigere sich deshalb, den Verkauf abzuwickeln.
Haus am Grindel – Einsetzung eines Treuhänders „Augenwischerei“
„Seit 2018 verklagen wir den Verkäufer jetzt vor dem Landgericht Hamburg“, sagt Rechtsanwalt Lembcke. Doch schon seit Jahren habe es in dem Verfahren trotz Nachfragen keinen Fortschritt gegeben, auch an den Eigentümer komme niemand mehr ran. Das Bezirksamt verhängte mit der Auflage, Wohnraum herzustellen, zwar immer wieder Buß- und Zwangsgelder gegen den Eigentümer – doch auch diese Maßnahme blieb ohne Erfolg.
„Wir würden die Zustände gerne beheben und auch die Mietverträge erfüllen“, sagt Lembcke. Das sei aber nur durch eine Bearbeitung des Verfahrens möglich. In dieser Situation sei auch die Einsetzung eines Treuhänders vor allem „ein politisches Signal, eigentlich aber „Augenwischerei“, so Lembcke.
Zwangsversteigerungsverfahren offenbar von Bank eingeleitet
Denn: Das Haus sei seiner Einschätzung nach mittlerweile so hoch verschuldet, dass auch ein Treuhänder kein Geld generieren könnte. Es sei eine „Pattsituation“, deren einziger Ausweg der Verkauf an seine Klientin sei, weil diese schon seit 2017 mit der Auflassungsvormerkung im Grundbuch stehe und deshalb keine Schuldenforderungen bedienen müsse, die erst nach dem besagten Jahr entstanden sind.
Das Zwangsversteigerungsverfahren, das nun im Raum steht, sei laut Lembcke von der Bank des Eigentümers eingeleitet worden. „Wahrscheinlich bedient er das Darlehen nicht mehr, schließlich generiert er auch keine Mieteinnahmen“, so der Rechtsanwalt. Er stellt zu dem Verfahren aber klar: „Zu einer Zwangsversteigerung wird es im Ergebnis nicht kommen.“ Die Vormerkungsberechtigte habe jederzeit die Möglichkeit, die Versteigerung zu verhindern, indem sie den offenen Betrag zahle.
Haus am Grindel: Landgericht Hamburg bestätigt laufendes Verfahren
Finanziell könnte es langsam aber auch für die Käuferin eng werden, die das Gebäude vor Jahren mit einer Finanzierung erwerben wollte, auf die sie nun 18 Prozent Zinsen zahlen muss. „Wir haben langsam den Verdacht, dass das Landgericht wartet, bis wir pleite sind“, so Lembcke. Er hoffe inständig, dass das Verfahren nun wieder aufgenommen werde.
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Auf Anfrage bei der Pressestelle des Gerichts wird bestätigt, dass das Verfahren weiterhin laufe. Die Einholung eines Sachverständigengutachtens habe Zeit in Anspruch genommen – mit diesem sollte die Behauptung des Noch-Eigentümers überprüft werden, dass die Wohnungen nicht mehr bewohnbar und die Mietverträge deshalb ungültig seien. Der Anwalt des Eigentümers reagierte nicht auf mehrfache Anfragen des Abendblatts.
Haus am Grindel: Mieterverein prophezeit düsteres Szenario
Auch wenn der Beschluss der Bezirksversammlung Eimsbüttel nun also wieder Aufmerksamkeit auf den Fall zieht, könnte das womöglich zu spät zu sein.
„Bei dem Haus stehen schon seit Jahren immer mal wieder die Fenster offen, es gab schon einen Brand und einen Wasserschaden. Letztendlich steht es sich kaputt. Wahrscheinlich wird das schöne Gebäude aus unserem Stadtbild verschwinden“, prophezeit Rolf Bosse vom Mieterverein zu Hamburg.