Hamburg. Wie die Psycho-Onkologin Dr. Wiebke Kluth Patienten im Albertinen Krankenhaus hilft, mit ihren Ängsten umzugehen.

Krebs. Das ist wohl eine der schlimmsten Diagnosen, die ein Mensch bekommen kann. Sie ist ein Schock, löst nie dagewesene Ängste aus, bringt größte Sorgen mit sich. Um die Krankheit selbst, kümmern sich die behandelnden Ärzte. Aber was ist mit der emotionalen Seite, den Gedanken, denen der Patient plötzlich ausgesetzt ist?

Hier können Experten wie Dr. Wiebke Kluth helfen. Sie ist Psycho-Onkologin im Albertinen Krankenhaus in Schnelsen und Ansprechpartnerin für betroffene Patienten im gynäkologischen Krebszentrum, im Brustzentrum, in der Allgemein- und Viszeralchirurgie sowie in der Palliativeinheit.

Krebs – die Diagnose ist immer eine extreme Erfahrung

„Der Name Krebs ist ganz schnell mit der Angst vor fortschreitender Erkrankung verbunden. Der Tod steht auf einmal mit im Raum, das ist eine extreme Erfahrung“, sagt Dr. Kluth. „Damit verknüpft kommen dann natürlich auch Gedanken: Was ist mit meiner Familie, was ist mit meinem weiteren Leben? Was ist mit meinem Beruf, wenn ich lange ausfalle, darf ich wieder zurück und darf ich überhaupt darüber reden?“

Gerade zu Beginn, kurz nach der Diagnose, wenn viele noch gar nicht genau wissen, wie weit die Krankheit eigentlich fortgeschritten ist und wie es weitergeht, käme es zu solchen Gedankenketten. Als Psycho-Onkologin geht sie darauf ein, hört zu, steht beratend zur Seite.

Was die Betroffenen gar nicht gebrauchen können, ist Mitleid

Die Patienten können selbst um ein Gespräch mit einem Experten bitten, in der Regel kommt der Kontakt aber über behandelnde Ärzte oder das Pflegepersonal zustande, die erkennen, ob jemand psychologische Betreuung benötigt. In den Tumor-Zentren in der Gynäkologie gehört der Besuch durch einen Psycho-Onkologen zum Standardprozedere.

Der Vorteil daran, mit einem Experten zu sprechen, sei dessen Distanz. „Ich bin nicht Teil des Privatlebens, und das ermöglicht es den Betroffenen manchmal, über Dinge zu sprechen, über Ängste, über Gedanken, die einem vielleicht ein bisschen kurios oder auf jeden Fall fremd vorkommen“, sagt Dr. Kluth. „Bei bei mir ist man sich sicher, ich begegne dieser Person nicht bei der nächsten Familienfeier und betrachte sie nicht mit einem sorgenvollen Blick oder gerate in den Verdacht, Mitleid zu haben. Mitleid ist etwas, das die meisten überhaupt nicht brauchen können.“

Schon das erste Gespräch kann helfen, sich zu fangen

Gleichzeitig müssten Patienten sich ihr gegenüber nicht zurücknehmen, um sie zu schonen. Sie könnten alle Ängste loswerden, die sie vielleicht ihrem engeren Umfeld nicht zumuten wollen.

Vielen reiche zunächst nur ein Gespräch, das bis zu 50 bis 60 Minuten dauere. Nach dieser Zeit sei meist ein guter Punkt erreicht, an dem das Gespräch erst einmal beendet werden könne. Je nach dem, wie lang der Aufenthalt im Albertinen dauere, könne man noch einen weiteren Termin vereinbaren. Schon dieses eine Gespräch könne aber sehr helfen, weil es darin darum gehe, „sich zunächst zu fangen und zu hören, dass es auch andere gibt, die in derselben Situation sind, und denen es genauso geht“.

Diagnose Krebs: Soll man es denn Kindern sagen?

Ein Teil der Arbeit einer Psycho-Onkologin liegt aber auch in der Beratung. Zum Beispiel wird mit dem Patienten besprochen, was man in der Wartezeit tun kann, bis das histologische Ergebnis da ist. Oder, wenn der Patient oder die Patientin Familie hat, bei der Frage, ob man den Kindern von der Erkrankung erzählen sollte. Dr. Kluths Antwort: „Ganz klar, Kinder sollen aufgeklärt werden, egal wie klein sie sind.“

Natürlich müsse das altersgerecht passieren, ein fünfjähriges Kind könne weniger von der Erkrankung verstehen als ein Jugendlicher. Doch sei es wichtig, dass die Erkrankung benannt werde, dass tatsächlich der Name Krebs falle, auch wenn viele Eltern sich das zunächst nicht vorstellen könnten. Doch gerade weil alle Menschen ein Bild von der Krankheit haben und wissen, was die Diagnose Krebs bedeuten kann, sollten Kinder auch den Namen hören. Wenn vielleicht die Großmutter eines anderen Kindes aus der Kita an Krebs gestorben ist, könnten die Eltern erklären: „Ja, bei der Oma von XY war das so und so – bei mir sagen die Ärzte aber, das ist so und so“, sagt Dr. Kluth.

Was man den Kinder niemals verspreche dürfe

Ganz wichtig sei aber, Kindern niemals etwas zu versprechen, was man nicht halten kann. „Also nicht sagen, ich werde auf jeden Fall wieder gesund – denn was ist, wenn man zu denjenigen gehört, bei denen die Erkrankung wiederkommt?“, sagt die dreifache Mutter. Das könne als schlimmer Vertrauensbruch wahrgenommen werden. „Darum gibt es andere Möglichkeiten, das zu formulieren, zum Beispiel: ,Die Ärzte tun alles, damit ich geheilt werde’.“

Zudem würde es massiv Ängste nehmen, wenn Kinder wissen, was passieren wird, zum Beispiel, dass Mama oder Papa die Haare verliert. In vielen Familien seien die Kinder dabei, wenn die Haare abrasiert werden oder das Elternteil sich eine Perücke aussucht.

Warum es auch die Kita und die Schule wissen sollten

Auch die Schule oder der Kindergarten sollten in der Regel Bescheid wissen, auch weil Lehrer und Erzieher eng an den Kindern dran sind und die Möglichkeit haben, zu beobachten, wie diese mit der Krebserkrankung eines Elternteils umgehen. Zudem könnten sie es besser einordnen, wenn das Kind vielleicht auch mal einen Ausraster hat und dieses Verhalten dann richtig deuten.

In Hamburg könnten sich betroffene Eltern hinsichtlich dieser und weiterer Fragen auch an die Beratungsstelle der Stiftung Phönikks oder an die Beratungsstelle für Kinder krebskranker Eltern (COSIP) im UKE wenden.

Sollten Betroffene Kollegen von der Krankheit erzählen?

Beim Thema Job dagegen gebe es keinen so klaren Rat. Hier komme es sehr auf die individuelle Situation an, wie das Klima im Betrieb ist, ob es schon Kollegen gab, die ebenfalls länger ausgefallen sind, und wie darauf reagiert wurde.

„Die meisten Patienten möchten in der Regel schon, dass zumindest ein, zwei Personen bei der Arbeit Bescheid wissen“, sagt Dr. Kluth. „Dann kann man überlegen, ob man das in einem persönlichen Gespräch macht oder vielleicht lieber einen Brief schreibt. Manche entscheiden auch, dass so ein Brief dann dem ganzen Team vorgelesen wird.“ Hier könne man gemeinsam im Gespräch ganz individuelle Lösungen erarbeiten.

Krebs – wie eine psychologische Betreuung helfen kann

Zu der Frage, ob psychologische Betreuung auch die Heilung einer Krebserkrankung unterstützen kann, gibt es zahlreiche Forschungen. Dr. Kluths Ansatz ist es, durch psycho-onkologische Betreuung die Lebensqualität des Patienten zu verbessern. „Und manchmal geht es auch einfach darum, die notwendigen Ressourcen zu mobilisieren, um die Behandlung weiter durchzuhalten“, sagt die Psychologin. Schließlich könne es kräftige Durststrecken geben.

„Dass die Patienten sich trauen, zur nächsten Therapie zu gehen, auch wenn sie nach der letzten so lange im Bett gelegen haben, es ihnen einfach schlecht ging oder sie sogar stationär aufgenommen werden mussten – daran hat unser Fach, glaube ich, einen wichtigen Anteil. Daran, dass die Patienten sich in der Lage fühlen, weiterzumachen.“