Harvestehude. Mitglieder der Lampedusagruppe und das Schwabinggrad Ballett treten an der Sophienterrasse auf. Ihre Botschaft ist laut und schrill.

Um 18 Uhr ist es am Sonnabend mit der Ruhe in Harvestehude vorbei. Vom Mittelweg nähert sich eine tanzende Truppe dem ehemaligen Kreiswehrersatzamt an der Sophienterrasse. Halb Ballett, halb zuckende Militäreinheit bespielen die Künstleraktivisten des Schwabinggrad Balletts zusammen mit Mitgliedern der Gruppe Lampedusa die per Gerichtsbeschluss stillgelegte Baustelle.

Ihre Botschaft ist laut und schrill, sie kommt meist mit Sprechgesang und Trommelschlägen daher und findet nicht zufällig an diesem Ort statt, wo sich drei Anwohner bisher erfolgreich juristisch gegen den Bau einer Flüchtlingsunterkunft wehren: Egal wie hoch die Zäune noch wachsen, das Europa der Kommenden sei längst Realität.

Bereits am Tag zuvor fand die Uraufführung der „Chöre der Kommenden“ an der Flüchtlingsunterkunft in der Schnackenburgallee in Bahrenfeld statt. Sie endete am Freitagabend nach rund drei Stunden mit einem fröhlichen Fest von rund 700 Menschen. In Harvestehude haben sich vielleicht halb so viele eingefunden, um zusammen zu singen, zu tanzen und den öffentlichen Raum zu bespielen. Manche Anwohner kommen vorbei. Sie sind interessiert und finden das Engagement für Menschen aus aller Herren Länder, die unsere Hilfe so dringend brauchen, um zu überleben, vorbildlich. Andere schütteln den Kopf und gehen stumm weiter. Mancher klettert gleich über den Zaun und tanzt auf der Grünfläche vor der eingezäunten Baustelle mit.

Es seien Orte und Aktionen wie diese, die Hamburg davor bewahren, als schlafende Schöne zu ergrauen. Oder wie Barbara Kisseler sagt, eine rein durchökonomisierte Stadt zu werden. Die Kultursenatorin ist vorbeigekommen, um sich selbst ein Bild von der Aktion zu machen, die Teil des Kampnagel Live Art Festivals „Choreographie & Protest“ ist. Kisseler findet es bemerkenswert, wie viele Hamburger an diesem Sonnabend hierher gekommen sind, um zu zeigen, dass sie in einer bunten und vielfältigen Stadt leben. Und dass das, bitte schön, auch so bleiben soll. „Die Stimmung ist entspannt und friedlich“, sagte die Politikerin.

Auch einige Kinder werden von den Künstlern zum Mittanzen animiert. Es ist nicht wichtig, woher sie kommen. Sondern dass sie da sind. Denn: „Die Deutschen sterben aus“, singen sie jetzt. Was tun? „Kommt, wir machen Liebe und schenken der Kanzlerin ein Kind – ein Kind für Angela“, schallt es runter bis zur Alster. Wohl eine Art Weckruf.