Hamburg. Bezirk will weitere Gebiete unter die soziale Erhaltungsverordnung stellen. In einigen Vierteln ist es dafür aber zu spät.
Horrende Mieten, Luxussanierungen und noch mehr Eigentumswohnungen: Diese Entwicklung soll in drei weiteren Hamburger Vierteln gebremst werden. Der Norden Eimsbüttels, Stellingen-Süd sowie Teile von Hoheluft-West werden voraussichtlich noch in diesem Jahr unter Milieuschutz gestellt. Eine sogenannte soziale Erhaltungsverordnung will der Bezirk schnellstmöglich auf den Weg bringen. Besonders Gering- und Normalverdiener könnten so vor Verdrängungsprozessen geschützt werden. Gerade im Norden Eimsbüttels, so das Prüfergebnis des Bezirks, sei die Tendenz zur Gentrifizierung groß.
Die soziale Erhaltungsverordnung wird in Hamburg seit den 1990er-Jahren für den Milieuschutz eingesetzt. Sie macht bestimmte Um- und Ausbauten genehmigungspflichtig, um damit einhergehende Mieterhöhungen zu verhindern. Auf die Mietpreise bei Neubauten, Nachverdichtungen sowie Neuvermietungen hat sie keinen Einfluss.
Mittlerweile umfasst die Verordnung Gebiete in der südlichen Neustadt, auf St. Pauli, in St. Georg, Eimsbüttel-Süd, in der Sternschanze, im Osterkirchenviertel nahe des Bahnhofs Altona sowie in Altona-Altstadt (siehe Karte). In Hamburg wird sie zusammen mit einer Umwandlungsverordnung erlassen, die die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen einschränkt. In Eimsbüttel wurden nun die Viertel Hoheluft-West, Stellingen und der Norden des Eimsbüttler Kerngebiets untersucht. Die Prüfung habe ergeben, dass in Hoheluft-West die Gentrifizierung nahezu abgeschlossen sei. Der überwiegende Anteil der Wohnungen sei Eigentum, das Viertel werde fast ausnahmslos von Besserverdienern geprägt. Seit 2011 fanden hier kaum noch Umwandlungen in Eigentumswohnungen statt. Insofern sei die Unterschutzstellung insbesondere des Generalsviertels sinnlos, heißt es in dem Prüfbericht. Das Gleiche gelte für die Straßen um den Park Am Weiher: Das Gebiet sei „ausverkauft“.
In Hoheluft-West ist die Gentrifizierung nahezu abgeschlossen
Verschiedene Hamburger Mieterverbände sind von der Wirksamkeit der Milieuschutzmaßnahmen überzeugt. „Die soziale Erhaltungsverordnung ist im Grunde das einzige Instrument, mit dem man Spekulanten abschrecken und Verdrängungsprozesse abmildern kann“, sagt Siegmund Chychla, Geschäftsführer des Mietervereins zu Hamburg. Dafür aber müsse sie rechtzeitig erlassen werden.
In Hoheluft-West könne laut Bezirksamt nur nördlich der Gärtnerstraße eine soziale Erhaltungsverordnung noch greifen, ebenso in Eimsbüttel-Nord, das bis 2003 schon Milieuschutz genoss. Grund: In diesen Gebieten wurden viele Mietwohnungen bereits zu Eigentumswohnungen umgewandelt, die Zahl der Anträge sei in letzter Zeit gestiegen. Verwaltung und Politik sehen deshalb akuten Handlungsbedarf. Auch der Süden Stellingens als angrenzendes Viertel sei gefährdet. Der Druck auf alteingesessene Mieter in dieser sogenannten Urbanisierungszone sei schon heute „hoch“. Seit Eimsbüttel-Süd Milieuschutz genieße, verlagere sich der Druck in Richtung Norden.
„Ich bin froh, dass man in diesen Gebieten eine Bremse einziehen kann. Das ist eine sinnvolle Ergänzung zum Wohnungsbauprogramm des Senats“, sagt Torsten Sevecke (SPD), Bezirksamtsleiter in Eimsbüttel. Die Bezirkspolitik befürwortet die Pläne; allein die CDU mahnte, die Verordnungen seien kein Allheilmittel.
Dass die Milieuschutzmaßnahmen vor Spekulationen mit Wohnraum schützen können, räumt auch Ingrid Breckner, Professorin für Stadt- und Regionalsoziologie an der HafenCity Universität ein. Zugleich warnt sie aber vor Konflikten, die bei Eingriffen in die Eigentumsrechte der Wohnungsbesitzer entstehen könnten. Entsprechend sieht auch Peter Hitpass vom Verband norddeutscher Wohnungsunternehmen die Verordnungen kritisch: „Die soziale Erhaltungsverordnung kann im Einzelfall Investitionen verzögern oder verhindern.“
Die Mieterverbände wiederum bemängeln eine Gesetzeslücke beim Schutz vor Umwandlungen: Wenn sich der Eigentümer verpflichtet, die Wohnungen sieben Jahre lang nur den Mietern anzubieten, kann er anschließend frei verkaufen. Die Käufer können nach drei statt zehn Jahren Eigenbedarf anmelden. Mieter in Milieuschutzgebieten sind somit gar nicht länger geschützt. Eine entsprechende Gesetzesinitiative der Hamburgischen Bürgerschaft liegt zurzeit beim Bundesrat. Sie soll den Kündigungsschutz für Mieter in Milieuschutzgebieten auf die üblichen zehn Jahre verlängern.