Hamburg. Wo ist Hamburg am schönsten? 50 leidenschaftliche Plädoyers.Teil 42: Natur, historische Straßenzüge und ein besonderes Hotel.

Es gibt böse Zungen, die behaupten, das Schönste am Hamburger Süden sei die S-Bahn in die Innenstadt. Um es vorwegzunehmen: Diese Menschen sind offensichtlich noch nie südlich der Elbe gewesen, und in der völlig überfüllten, unpünktlichen sowie in den Sommermonaten an eine Sauna erinnernde S-Bahn haben sie sich definitiv auch nicht aufgehalten. Und sie sind nicht nach Heimfeld gekommen, diesem idyllischen, multikulturellen Kleinod mit Straßenzügen, die an einen Spielfilm aus der Buddenbrook-Zeit erinnern sowie einem riesigen Waldgebiet, in dem man sich während des Joggens selbst als Ur-Heimfelder schnell verlaufen kann.

Der Name „Heimfeld“ ist Programm, man kommt heim. Nach Hause. Hier, wo vor allem Familien mit kleinen Kindern sich heimisch fühlen. In einen Stadtteil, der auf den ersten Blick in mancher Zeile an Herbert Grönemeyers einzigartiges Liebeslied „Bochum“ erinnert. „Du bist keine Schönheit, vor Arbeit ganz grau.“ Ja, das denkt man zunächst, wenn man am S-Bahnhof Heimfeld aussteigt. Rechts der wenig ansehnliche Penny, daneben ein Döner-Imbiss, gegenüber ein Kiosk und der nette Blumenverkäufer, der gerne mal eine Rose kostenlos mitgibt. „Für deine Frau“, sagt er dann.

„Du liebst dich ohne Schminke, bist ‘ne ehrliche Haut.“ So ist es nicht nur in Bochum, Herbert! So ist es auch hier. Authentisch. Kein Schickimicki, sondern normal. Angenehm normal. Wenn beim Harburger Turnerbund auf der Jahnhöhe Menschen aus zehn Nationen in einer Mannschaft zusammen spielen, kämpfen, feiern. Wenn sich die Jugend an lauen Sommerabenden Bei Angelo an der Heimfelder Straße trifft. Wenn gefühlt ganz Heimfeld auf dem alljährlichen Flohmarkt in der Friedrich-Naumann-Straße feilscht, klönt, bei Bier, Tee, Falafel, Bratwurst und Pommes zusammenkommt. Dann ist es egal, woher jemand stammt und wie viel Geld er auf dem Konto hat.

Heimfeld: Das sind die Fakten

  • Einwohner: 22.106
  • Davon unter 18: 3801
  • Über 65: 3440
  • Durchschnittseinkommen: 30.132 € (2013)
  • Fläche: 11,7 km²
  • Anzahl Kitas: 8
  • Anzahl Schulen: 2 Grundschulen; 2 Gymnasien
  • Wohngebäude: 2488
  • Wohnungen: 10.551
  • Niedergelassene Ärzte: 27
  • Straftaten im Jahr 2018: Erfasst: 1607; Aufgeklärt: 678

Aber Heimfeld ist eben nicht nur normal und dadurch im doch so oft besonderen Hamburg ganz anders. Heimfeld kann auch eine gewisse Noblesse zur Schau stellen, hat mit dem Lindtner ein Fünf-Sterne-Hotel direkt am Wald, verfügt im immer noch attraktiven Villenviertel über eine selbst für Hamburger Verhältnisse hohe Dichte an Sportwagen der Marke Porsche – sogar ein roter Ferrari wird dann und wann gesichtet.

Und Heimfeld hat Flair, vor allem in dem kleinen Viertel, unweit der evangelischen St.-Paulus-Kirche, welches den Besucher ins 19. Jahrhundert zurückversetzt. Ob Meyer-, Bansen-, Wattenberg- oder Feldnerstraße – überall blickt man auf liebevoll restaurierte Hausfassaden, wenn man mit dem Fahrrad über das Kopfsteinpflaster rattert oder zu Fuß durch die Straßen schlendert.

Wunderbare Wanderwege

Wer sich gerne in der Natur aufhält, ist in der Haake, diesem riesigen Waldgebiet in Heimfeld, richtig. Hier findet man nicht nur wunderbare, schier endlose Wanderwege, sondern auch den Ponyhof Meyers Park. In einer mit viel Liebe errichteten Stallung sind mehrere Pferde untergebracht, auf denen die Kleinen – ob mit oder ohne Handicap – reiten lernen können. Ohnehin bietet der Stadtteil viel für Kinder und Jugendliche – nicht zuletzt durch das Engagement der Heimfelder. Mitten in dem einst als „sozialen Brennpunkt“ verschrienen Norden des Stadtteils steht seit 1994 das Treffpunkthaus, in dem es zahlreiche Angebote für alle Heimfelder gibt – vom Kochkursus über Kinofilme bis zu Tanz-Workshops.

Mit dem Heisenberg- und Friedrich-Ebert-Gymnasium (FEG) befinden sich zudem zwei renommierte weiterführende Schulen in Laufdistanz. Wobei das FEG, Hamburgs zweitälteste Schule nach dem Johanneum, wohl eine der spannendsten musikalischen Geschichten zu erzählen hat. Im Juni 1961 nahmen die legendären Beatles einige ihrer ersten Musikstücke in der Halle des Heimfelder Gymnasiums auf. Noch heute finden Konzerte in dem Saal statt, der rund 1100 Besuchern Platz bietet. So spielte erst vor wenigen Monaten der australische Kultmusiker Nick Cave sein einziges (!) Hamburg-Konzert im FEG. Die Karten waren innerhalb weniger Minuten vergriffen. Und wer da war, der schwärmt noch heute von der familiären Atmosphäre und dem tollen Sound.

In der Friedrich-Ebert-Halle gastieren große Stars, im Geschäftsleben versuchen sich derweil kleine, besondere Läden gegen die mächtige Konkurrenz der Discounter und Drogerieketten zu behaupten. Dabei sind sie so anders, dass ihnen das sogar gelingt. Ob der Friseur Jeanettes Haarburg an der Heimfelder Straße, der Schmuckladen Perlenträume an der Feldnerstraße oder die traditionsreiche Buchhandlung Leicher’s an der Meyerstraße – sie alle punkten mit gutem Service und unbändiger Kreativität.

Uni verändert den Stadtteil

Jenseits der Bundesstraße 73 liegt ein etwas stiefmütterlich behandelter, aber nicht weniger wichtiger Teil Heimfelds. An der heutigen vierspurigen Hauptstraße standen einst die Villen reicher Industrieller aus der Region. Heute ist die B 73 von Mehrfamilienhäusern geprägt, aber die Industrie gibt es wenige Hundert Meter entfernt immer noch. Denn schließlich wollen die Heimfelder es nicht zu weit zur Arbeit haben. So findet sich in Bostelbek mit dem Mercedes-Werk weiterhin einer der größten Hamburger Arbeitgeber mit rund 2600 Beschäftigten. In der Autofabrik verdienen sich vor allem Studenten aus der Region in den Semesterferien gerne etwas dazu. Nicht wenige von ihnen sind an der mittlerweile weit über Hamburg hinaus bekannten Technischen Universität in Harburg eingeschrieben, die ihren Sitz direkt an der Grenze zu Heimfeld hat.

Die Uni verändert den Stadtteil, macht ihn noch spannender, attraktiver, vielfältiger. Denn immer mehr Studenten ziehen nach Heimfeld, gründen WGs und geben dem Viertel eine neue Note. Die Studenten fühlen sich mittlerweile wohl im Süden der Stadt, fahren maximal noch am Wochenende zum Feiern mit der S-Bahn Richtung Innenstadt – genauer: auf die Reeperbahn. Ansonsten haben sie Hamburgs besten Stadtteil längst für sich entdeckt. Und das keineswegs nur, weil die Mieten auch mit schmalem Geldbeutel zu bezahlen sind.

Heimfeld: Das sind die Highlights

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Grün, grün, grün
Wer sich entspannen und erholen will, ist im ausgedehnten Waldgebiet, der Haake, genau richtig. Für ambitionierte Jogger besonders interessant: Die meisten Wege gleichen einer Berg-und-Tal-Fahrt.

Historisches Viertel
Nahe der S-Bahn-Station befindet sich das wohl schönste Viertel. Durchzogen von Kopfsteinpflaster faszinieren Meyer-, Bansen- und Wattenbergstraße mit Häusern, die an das 19. Jahrhundert erinnern.

Sportlich, sportlich
Heimfeld bietet tolle Sportstätten für Fußballer, Tennisspieler oder Leichtathleten. Besonders ambitioniert sind die Hockeyspieler der TG Heimfeld, die auf der Anlage Am Waldschlösschen aktiv sind.