Hamburg. Wo ist es in der Stadt am schönsten? 50 leidenschaftliche Plädoyers. Teil 4: Blankenese, sein Charakter und missratene Söhne.

Wenn Hamburg das Tor zur Welt ist, dann ist Blankenese die Gartenpforte zur Welt. Das liegt nicht nur an den öffentlichen Parks, die es dort gibt. Der Geesthang rechts und links des Treppenviertels ist mit hohen Bäumen bewachsen und von Spazierwegen durchzogen. Die Blankeneser haben, sofern sie nicht in den dicht an dicht stehenden Häuschen des Treppenviertels wohnen, meist große Gärten um ihre schönen Villen herum. Elbblick nicht immer, aber oft inklusive.

Ganz unten, am Strandweg, liegt vor den Gartenpforten der Glücklichen, die dort wohnen dürfen, tatsächlich die weite Welt. Die Elbe mit ihren Ozeanriesen ist eine ständige Aufforderung, den Horizont zu weiten. Die Elbe mahnt: Hier draußen, liebe Blankeneser, gibt es noch viel mehr als euer kleines Dorf am Geesthang.

Blankenese war mal ärmlich

Vielleicht trägt das zu der ganz besonderen, so nirgendwo sonst in Hamburg zu findenden Atmosphäre dieses Stadtteils bei. Unten, im Treppenviertel, ist es eng und klein. Die Armut der Blankeneser Fischer ist vielleicht nicht mehr sichtbar, weil sie der Vergangenheit angehört – aber sie ist doch noch spürbar. Weiter oben, auf der Hangkuppe, ist alles groß und weit, manchmal gar prunkvoll und prahlerisch.

Aber der gegenwärtige Reichtum paart sich eben mit der Ahnung, dass es auch mal ärmlich zuging in Blankenese. Und mit dem Wissen, dass man letztlich nur ein Sandkorn ist im Getriebe und Geschiebe der Welt.

Die Blankeneser sind erst seit 1937 Hamburger

Die Fischer waren natürlich zuerst da. 1301 wurde das Dorf erstmals urkundlich erwähnt. Rund 400 Jahre lang gehörte es zum Herzogtum Holstein und damit zum Königreich Dänemark. Dagegen nehmen sich die Jahre als Hamburger Stadtteil recht dürftig aus. Erst die Nazis schlugen Blankenese (und zugleich ganz Altona) 1937 der Hansestadt zu. Prägend war Hamburg dennoch, schon in der dänischen Zeit. Blankenese wuchs rasch, wurde erst zum Sommersitz für reiche hanseatische Kaufleute, dann zu einem bevorzugten Dauerwohnort für die, die es sich leisten können.

Heute ist Blankenese bürgerlich durch und durch. Bei der Bezirksversammlungswahl im Mai konnte sich die CDU über 31,7 Prozent freuen (2004 waren es noch 63,7 Prozent), die immer bürgerlicher werdenden Grünen (29,7) folgten in Sichtweite. Wenig Zustimmung ernteten AfD (4,3) und Linke (4,4). In Blankenese hält man es mit der Mitte. Gewählt wird, wer eine gewisse Beschaulichkeitsgarantie liefert.

Blankenese: Das sind die Fakten

  • Einwohner: 13.686
  • Davon unter 18: 2532
  • Über 65: 3758
  • Durchschnittseinkommen: 117.139 € /(2013)
  • Fläche: 7,7 km²
  • Anzahl Kitas: 8
  • Anzahl Schulen: 1 Grundschule, 3 Gymnasien, 1 Stadtteilschule
  • Wohngebäude: 3424
  • Wohnungen: 6898
  • Niedergelassene Ärzte: 111
  • Straftaten im Jahr 2018: Erfasst: 868, Aufgeklärt: 286

Denn diese Beschaulichkeit prägt eigentlich den Stadtteil. Der nächste Park ist immer nur einen Steinwurf weit entfernt. Wer Blankeneses grüne Idylle kennenlernen will, kann gleich am Bahnhof beginnen: Goßlers Park. Ein Park mit langer Geschichte, wie es sich in Blankenese gehört. 1790 erwarb John Blacker das damalige Ackerland. Blacker war Chef der Ratsversammlung der englischen Kaufleute in Hamburg.

Bedeutendstes Zeugnis des Klassizismus im Norden

Ab 1897 war John Henry Goßler der Eigentümer. Goßlers Vater leitete die Firma Berenberg, Goßler & Co. Die gibt es heute noch, bekannt als Berenberg Bank. John Henry arbeitet in der Firma seines Vaters, musste aber ausscheiden, weil er gegen den Rat des Seniors mit Zucker spekuliert und dabei viel Geld verloren hatte. Ein Familiendrama, über das damals ganz Hamburg sprach. „Die Verluste gehen in die Hunderttausende, bringen andere Beteiligungen des Hauses in Schieflage, immer neue Forderungen türmen sich auf“, ist in der Firmengeschichte der Berenberg Bank nachzulesen.

Das Goßlerhaus gilt als bedeutendstes Zeugnis des Klassizismus im Norden.
Das Goßlerhaus gilt als bedeutendstes Zeugnis des Klassizismus im Norden. © HA | Andreas Laible

Der Zorn des Vaters entlädt sich in deutlichen Worten. Dem Junior werden 839.144,08 Reichsmark „auf Zukunft debitiert“. Mit anderen Worten: Diese damals unfassbare Summe muss John Henry zurückzahlen. Damit nicht genug:

Er wird testamentarisch von der Firmennachfolge ausgeschlossen. Danach hätte es auch tragisch weitergehen können. Aber Verluste, selbst schlimme, wurden damals nicht lange betrauert, sondern als Ansporn verstanden. Und so ist aus dem missratenen Sohn doch noch etwas geworden. John Henry machte nach dem Zuckerschock einfach weiter, gründete eine eigene Firma, verdiente gut und baute sich das hübsche Haus in Blankenese. Es gilt heute als bedeutendstes Zeugnis des Klassizismus im Norden. Wenn das Papa Goßler geahnt hätte!

Zwischen mächtigen Bäumen glitzert die Elbe

Goßlers Park ist nicht die einzige Grünanlage, die Blankenese Hamburger Kaufleuten verdankt. Georg Friedrich Baur (1768–1865) war Reeder in Altona und brachte es unter anderem mit Geldgeschäften in Nordeuropa zu ziemlich viel Geld. In Blankenese ließ er einen englischen Landschaftsgarten anlegen.

In diesem Park lässt sich die Seele des Stadtteils vielleicht am reinsten wahrnehmen. Zwischen mächtigen Bäumen glitzert die Elbe. Vom Kanonenberg aus begrüßte der Reeder seine Schiffe mit Böllerschüssen. Bereichernde Erfahrungen, gelungene Geschäfte, geglückte Heimkehr: So ein Blankeneser Böllerschuss kann ganz schön viel ausdrücken.

Im Baurs Park denkt man: Er hallt heute noch nach – an der Gartenpforte zur Welt.

Blankenese: Bauers Park

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    Blankenese: Das sind die Highlights

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    Bahnhof Blankenese

    Ohne den Bahnhof wäre Blankenese vielleicht noch immer ein Fischerdorf. 1867 etwas abseits des Ortes errichtet, ist das hübsche Gebäude mit den umliegenden Läden und Arztpraxen mittlerweile Blankeneses pulsierendes Zen­trum. Staus auf dem Erik-Blumenfeld-Platz inbegriffen – in Blankenese wird immer noch viel Auto gefahren.

    Goßlerhaus

    Blankenese: Goßler Haus

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      Das Goßlerhaus diente den Blankenesern auch schon mal als Rathaus. Seit 2006 ist es eine Art Kulturhaus. Ein Mäzen erwarb die prächtige Immobilie. Heute ist dort die Janssen-Bibliothek untergebracht. Das Hamburger Konservatorium nutzt das Gebäude für Ausbildung und Konzerte, der Förderverein Goßlerhaus bietet dort ein Kulturprogramm an.

      Kaffeegarten Schuldt

      Der Kaffeegarten Schuldt (Süllbergsterrasse 30) hat einen wunderbaren Blick auf die Elbe. Das Lokal gibt es seit mehr als 100 Jahren. So um 1900 herum hatte die Frau eines Fischers die Idee, den Ausflüglern nicht nur den Kaffee aufzubrühen, sondern ihnen im Gemüsegarten Kuchen zu servieren. Keine Hamburgensie, sondern eine echte Blankenesie.