Hamburg. Wo ist es in Hamburg am schönsten? Teil 41: Multikulti und Technologie treffen am Binnenhafen auf maritimes Flair.

Dies ist die Geschichte von Walters und Werners Welten. Walter ist Arbeiter und abends in seiner Stammkneipe zu finden, so wie es in der Indus­triestadt Harburg im 20. Jahrhundert Usus war. Heute sind in der City mehr Cafés als Kneipen zu finden, dazu Döner-Läden, Asia-Imbisse, Shisha-Bars.

Werner lebt in einem ganz anderen Harburg, im Binnenhafen jenseits der B 73 und der Bahntrasse nach Cuxhaven. Er ist Künstler und Journalist, liebt seinen Hafen, wohnt auf einem Schiff und genießt das maritime Flair des städtebaulichen Vorzeigeviertels. Werner hat viel Geld investiert, um dort ein historisches Gebäude zu retten und aus ihm ein kleines Veranstaltungszentrum zu machen.

Harburger Innenstadt ist ein Weltdorf geworden

Walter und Werner sind sich noch nie begegnet. Wohl auch, weil der Alt-Harburger die Entwicklungen im Binnenhafen zum Technologie- und Wohnquartier eher mit Skepsis betrachtet.

In dem aufstrebenden Viertel ist viel Geld im Spiel. Geld, das Walter nie hatte und nie haben wird. Aber auch Walters Welt ist nicht mehr die alte. Die Harburger Innenstadt rund um das historische Rathaus ist ein Weltdorf geworden. Hier finden sich viele Kulturen, allen voran türkische Lebensart, die sich mit deutschen, portugiesischen, asiatischen und vielen anderen Einflüssen vermischt.

Laue Sommerabende in der „Fressgasse“ Lämmertwiete

Das Vielvölker-Viertel hat etwas. Hier gibt es Mittagstische, die an Urlaub erinnern, eine gute Schneiderin, preiswerte Friseure mit ausländischen Wurzeln und dazu alteingesessene Harburger Läden. Im Fotogeschäft an der Rathausstraße wird immer noch die Kurbel an der mechanischen Registrierkasse gedreht. Das passt im digitalen Zeitalter fast besser ins Stadtmuseum Harburg, das ein paar Straßen weiter residiert.

Wie in anderen Stadtteilen ist nicht immer ist alles rosig – mal grölen lautstark Jugendliche herum, mal sitzen Angetrunkene auf den Sitzbänken am Rathausplatz ihren Rausch aus. Aber es finden sich im Harburger Stadtkern viele attraktive Ecken wie die „Fressgasse“ namens Lämmertwiete mit ihren Kneipen und Restaurants in teils uralten, windschiefen Fachwerkhäusern. Im Sommer ist die Kopfsteinpflastergasse gefüllt mit Biertischgarnituren. Wer hier bei lauer Luft einen Abend verbringt, hält Harburg für den besten Stadtteil Hamburgs.

Die umgebauten Speicher Fleethaus (vorn) und Silo am Westlichen Bahnhofskanal sowie der Channel Tower im Hintergrund sind Charakter-Gebäude des Harburger Binnenhafens.
Die umgebauten Speicher Fleethaus (vorn) und Silo am Westlichen Bahnhofskanal sowie der Channel Tower im Hintergrund sind Charakter-Gebäude des Harburger Binnenhafens. © HA | Angelika Hillmer

Gerade in Kombination mit Werners Welt. Sie liegt nur eine Fußgängerunterführung entfernt. Im Binnenhafen. Der steht für Historie, vor allem für Harburgs goldenes Industriezeitalter um die Wende vom 19. ins 20. Jahrhundert. Damals wurde hier viel Pflanzenöl verarbeitet – einige der alten Industriegebäude sind heute noch erhalten und wurden architektonisch geschickt mit Neubauten und neuen Nutzungen verwoben. Heute steht der Binnenhafen vor allem für das junge, dynamische Harburg.

Harburg: Das sind die Fakten

  • Einwohner: 25.912
  • Davon unter 18: 4080
  • Über 65: 2807
  • Durchschnittseinkommen: 20.773 € (2013)
  • Fläche: 4,0 km²
  • Anzahl Kitas: 16
  • Anzahl Schulen: 1 Grundschule; 3 Stadtteilschulen
  • Wohngebäude: 1594
  • Wohnungen: 12.879
  • Niedergelassene Ärzte: 179
  • Straftaten im Jahr 2018: Erfasst: 6301; Aufgeklärt: 3626

Aus einem heruntergekommenen Hafen, in dem sich nur wenige Gewerbebetriebe halten konnten, wurde seit den 1990er-Jahren ein modernes Wohn- und Büroquartier. Ein Blick von der Fußgänger-Drehbrücke über den Hauptkanal des Hafens, den Lotsekanal, zeigt ein Ensemble aus Alt und Neu, das stadtweit wohl seinesgleichen sucht.

Technologie trifft im Binnenhafen maritimes Flair

Die Moderne entwickelt sich weiter. Derzeit sind vier 17- bis 19-stöckige Hochhäuser geplant: zwei Hotels, ein Wohnhaus und der zweite Bauabschnitt des Hamburg Innovation Ports. Das Technologiezentrum wird Institute der wachsenden Technischen Universität sowie Unternehmen mit Schwerpunkt Digitalisierung aufnehmen.

Werner und anderen Binnenhafen-Liebhabern wie mir wird ein bisschen mulmig bei dem Gedanken, was da alles noch kommen soll. Schließlich lebt das Quartier vom ausgewogenen Mix aus noch arbeitenden Hafenbetrieben (allein drei Werften sind hier aktiv) und den Neuansiedlern.

Noch gibt es jede Menge Hafenflair. Wunderschön ist es, in der Abendsonne am Lotsekai zu sitzen und auf die Schiffe des Museumshafens Harburg zu schauen. Oder auf der nördlichen Hafenseite über den Deich auf die Süderelbe zu blicken. Oder im Sommer auf einer der Restaurantterrassen am Wasser zu sitzen.

Fehlt noch der Beach Club am Wasser. Den gab es schon, doch er musste 2015 einem Hotelprojekt weichen (bis heute nicht gebaut). Eines hoffentlich nicht allzu fernen Tages soll er wiederkommen.

Harburg: Etwas zerzaust aber mit viel Charme

In Harburg ist nicht alles aus einem Guss. Der Stadtteil wirkt auf Außenstehende vielleicht etwas zerzaust, hat aber viel Charme. Und sogar eine eigene Hymne: den Harburg Song, vorgetragen vom Jugendchor Gospel Train.

2017 produzierte Anna Clarks, Studentin der Medical School Hamburg, das Video „Ich bin Harburg“ mit Gospel Train und lud es auf YouTube hoch. Es vermittelt den Eindruck, von Hamburgs buntestem, quirligstem, bestem Stadtteil zu erzählen. Mein bester ist er auf jeden Fall.

Harburg: Das sind die Highlights

Harburger Rathaus

Harburg - Rathaus

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    Das historische Rathaus, erbaut 1890, stammt aus der Zeit, als Harburg noch eine eigenständige stolze Industriestadt war. Inzwischen residiert dort das Bezirksamt Harburg. Das Gebäude bildet eine schöne Kulisse für Veranstaltungen, den Weihnachtsmarkt und für Trauungen. Vor allem freitags geben sich Hochzeitsgesellschaften die Klinke in die Hand.

    Binnenhafen

    Harburg - Binnenhafen

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      Einst verwahrlostes Hafenviertel, heute städtebauliches Vorzeigequartier: Anders als in der HafenCity ist im Harburger Binnenhafen noch viel historische Bausubstanz erhalten, und ein halbes Dutzend Hafenbetriebe sind weiterhin aktiv. Dazu gesellen sich Institute der Technischen Universität, Technologieunternehmen und seit einigen Jahren auch Wohnungen.

      Schwarzenberg

      Harburg - Schwarzenberg

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        Zum Schwarzenberg geht es mächtig bergauf. Hier liegt Harburgs älteste öffentliche Grünfläche. Als der Park 1835 entstand, bot er atemberaubende Aussichten Richtung Süderelbe – heute sind diese zugewachsen. Gegenüber steht das Hauptgebäude der Technischen Universität, ein historisches Kasernengebäude, kombiniert mit modernen Glasfassaden.