Bergedorf. Gestiegene Energiepreise, aber auch höhere Ausgaben für Personal und Material bereiten Unternehmern Sorgen. Wer besonders leidet.
Auch die Firmen in den Vier- und Marschlanden haben mit den extrem gestiegenen Energiepreisen zu kämpfen. Neben den hohen Kosten für Strom, Gas, Heizöl sowie Benzin und Diesel belasten die Unternehmen zudem die steigenden Personal- und Materialkosten. „Wir merken die Preissteigerungen deutlich in allen Bereichen“, sagt Simon Howitz, Betreiber der Gärtnerei Howitz am Süderquerweg 540 in Kirchwerder. In den Gewächshäusern des 36-Jährigen wachsen auf knapp 7500 Quadratmetern Blumen und Tomaten, die ab Hof und auf Wochenmärkten an den Endverbraucher verkauft werden.
Die Gewächshäuser werden mit Öl beheizt. „Der Preis hat sich gegenüber der Zeit vor Corona verdreifacht“, sagt Howitz. Auch seine gesamten (Mehr-)Kosten lägen in dieser Größenordnung. „Das geht in die Zehntausende – jedes Jahr.“ Denn auch für Substrate und andere Materialien zahle er deutlich mehr: So koste Isoliermaterial für die Abdeckung der Gewächshäuser das Doppelte. „Allein dafür zahle ich nun etwa 2000 Euro mehr.“ Bei Plastiktöpfen für die Blumen sei der Preis „um 50 bis 100 Prozent gestiegen“.
Gestiegene Energiepreise werden an Kunden weitergegeben
Die Preiserhöhungen werden an die Kunden weitergegeben: „Die meisten haben dafür Verständnis und sind uns bisher treu geblieben. Sie verstehen, dass es sonst nicht funktioniert.“ Doch ob die Kunden auch mitziehen, wenn die Preise auch im kommenden Jahr weiter kräftig nach oben gehen – und danach sieht es aus –, vermag er nicht abzuschätzen. Schon jetzt ist klar: „Wir werden die Preise leider nochmals erhöhen müssen.“ Die Preissteigerung, die sein Unternehmen belasten, seien in den vergangenen drei Jahren höher gewesen als in den 40 Jahren zuvor, betont Howitz.
Besonders bemerkbar macht sich die Energiekrise auch beim Bäckerhandwerk mit seinen energieintensiven Arbeitsprozessen. Viele Bäcker verschlanken daher die Auswahl an Backwaren, um die Abläufe optimieren zu können und Energie zu sparen. Der Preis für Mehl hat sich zum Beispiel fast verdreifacht. Die Folge: Brot und Brötchen werden teurer. Viele Bäcker haben bereits zum zweiten Mal in diesem Jahr die Preise angehoben.
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Etwa ein Viertel der Bäcker in Norddeutschland werde kurz- und mittelfristig aus alten Verträgen mit den Strom- und Gasanbietern herausfallen, auch weil mehrere Gasanbieter in Hamburg insolvent seien, sagt Verbandsgeschäftsführer Jan Loleit. „Für diese Bäcker werden sich die Energiekosten schnell verdreifachen.“ Deshalb sei vor allem für 2023 mit Insolvenzen in der Branche zu rechnen.
Angeschmiert sind auch Metallbaufirmen, die Stahl und Aluminium bei mehr als 400 Grad verzinken. Die Zinkbäder müssen täglich warmgehalten werden. Preiserhöhungen der Verzinker können schnell mehr als 150 Prozent betragen, berichtet der Betreiber eine Neuengammer Metallbaufirma, der seinen und den Namen seines Unternehmens nicht preisgeben möchte. Zudem, betont der Handwerker, sei Zink inzwischen schwer zu bekommen, weil die Vorräte aus der Ukraine nicht mehr zur Verfügung stünden. Auch die Preise für Stahl und Aluminium seien stark angestiegen. Natürlich müssten die Preiserhöhungen an die Kunden weitergegeben werden. Die gestiegenen Material- und Heizkosten machten sich vor allem bei größeren Bauprojekten bemerkbar, betont der Firmenchef.
Julius Bendschneider, Tischlermeister aus Kirchwerder, betreibt die Tischlerei Bendschneider am Süderquerweg 212. Der 62-Jährige ist froh, dass sein Ende 2021 zu vergleichsweise günstigen Konditionen abgeschlossener Ökostromvertrag mit Vattenfall noch ein weiteres Jahr gültig ist. Denn der Strombedarf sei hoch: Weil diverse energieintensive Maschinen elektrisch betrieben und lackierte Werkstücke getrocknet werden müssen, verbrauche die Tischlerei etwa 60.000 Kilowattstunden im Jahr, betont der Handwerker, „im Vergleich zu einem durchschnittlichen Einfamilienhaus mit rund 3000 kWh“.
Tanken und Materialeinkauf ist kein Vergnügen
Auch das Beheizen der drei großen Werkstatträume, des Ausstellungsraums und der Büros – insgesamt rund 2000 Quadratmeter – bereitet ihm keine Kopfschmerzen. „Wir heizen mit Holzresten, die zu Pellets gepresst werden.“ Der Gaskessel werde nur im Notfall angeschmissen, laufe drei- bis viermal im Jahr. „Die Gaskosten sind von 50 auf 80 Euro gestiegen, wobei die Grundgebühr den Löwenanteil ausmacht“, sagt Bendschneider. Deutlicher bemerkbar würden sich die Preissteigerungen in den anderen Bereichen machen: Weil etwa das Betanken der sechs Liefer- und Servicefahrzeuge eine kostspielige Angelegenheit ist, „mussten wir die Anfahrtspauschale leider um 60 Prozent anheben“.
Auch der Materialeinkauf sei kein Vergnügen: Holzwerkstoffe wie beispielsweise Spanplatten seien im Preis „um gut ein Drittel gestiegen“, Multiplexplatten (mehrfach verleimte Sperrholzplatten) seien sogar um 300 Prozent teurer geworden. „Sie kamen früher überwiegend aus Russland.“ Die Kostensteigerungen würden – alles zusammengerechnet – insgesamt ein gutes Drittel betragen. Sie würden zu einem Großteil auf die Preise für die Möbel aufgeschlagen.
Nicht nur die immensen Steigerungen bei den Materialpreisen sind problematisch
„Wir bleiben allerdings auf einem Teil der Kosten sitzen, können nicht alles weitergeben“, so Bendschneider. Schließlich müsse man sich im Markt gegenüber den Mitbewerbern behaupten. Die Tischlerei, „eine kleine Möbelmanufaktur“, ist auf den Bau von Möbeln spezialisiert – Unikate und kleine Serien. Doch nicht nur die immensen Steigerungen bei den Materialpreisen seien problematisch: „Es ist auch ein riesiger Aufwand, überhaupt an Material ranzukommen. Wir müssen deshalb ständig telefonieren und oft sehr lange auf Lieferungen warten – manchmal länger als ein halbes Jahr.“
In den vergangenen drei Jahren sei es, was die Aufträge betrifft, extrem auf- und abgegangen: „Am Anfang der Corona-Krise haben wir viele Aufträge verloren, doch nach etwa vier Monaten waren unsere Auftragsbücher besonders voll, weil die Menschen es zu Hause schön haben wollten.“ Nun, in der Energiekrise, werde allerdings wieder sehr auf den Geldbeutel geschaut, sei die Zahl der Aufträge wieder gesunken. Bendschneider möchte aber nicht jammern, weiß, dass Kollegen oder andere Branchen viel schlechter dran sind: „Außerdem wird es auch wieder aufwärts gehen.“
Zulieferer erhöhen vorsorglich die Preise zum Jahreswechsel
Bezirkshandwerksmeister Christian Hamburg aus Altengamme weiß, dass die Rohstoffknappheit viele Gewerke betrifft. Und was noch zu haben ist, sei oftmals teuer, besonders wenn die Produktion – wie etwa bei Kleber, Bauschaum und Spachtelmassen – energieintensiv ist. „Auch die Herstellung von Zement und Beton ist deutlich teurer geworden. Die Herstellung dieser Baustoffe braucht viel Wärme.“ Dasselbe gelte für gebrannte Steine, Ziegel und Dachpfannen. Die Holzpreise sind ebenfalls im Steigflug. Einige Zulieferer würden mehrmals im Monat die Preise erhöhen, andere haben täglich wechselnde Preise, die nur aktuell auf Anfrage genannt werden. Er kenne sogar Zulieferer, die „vorsorglich zum 1. Januar ihre Preise erhöhen und die Erhöhungen gegebenenfalls zurücknehmen wollen“.
Doch nicht alle Handwerksbetriebe könnten die Preiserhöhungen eins zu eins weitergeben, weiß Hamburg: „Oftmals sind sie an langfristige Verträge gebunden und nicht immer sind Anpassungen über sogenannte Preis-Leit-Klauseln möglich.“ Deshalb würden manche Betriebe nicht mehr kostendeckend arbeiten und im Extremfall sogar draufzahlen.
„Vermutlich werden die Löhne fast überall um rund acht Prozent steigen“
Christian Hamburg betreibt selbst eine Handwerksfirma mit Ladengeschäft am Altengammer Elbdeich 119. Seine Firma vereint Maler, Raumausstatter, Boden- und Parkettleger. Natürlich müsse auch sein Unternehmen die Preiserhöhungen an die Kunden weitergeben. Die Preisaufschläge seien aber sehr unterschiedlich: „Das hängt stark vom Material ab.“
Das Handwerk ächze auch unter stark steigenden Lohnkosten: „In allen Branchen laufen oder liefen Verhandlungen. Vermutlich werden die Löhne fast überall um rund acht Prozent steigen.“ Das treffe vor allem kleine Firmen, deren Auftragslage angespannt ist: „Die Aufträge sind abrupt weniger geworden, weil die Kunden zunächst die Erhöhung der Strom- und Gaspreise abwarten wollen.“
Was die Energiepreise angeht, sind wiederum die Gewerke im Vorteil, „die vor allem beim Kunden arbeiten“ und keine Werkstätten beheizen und großen Arbeitsgeräte mit Strom versorgen müssen, etwa Fliesenleger. „Sie sind von den hohen Energiepreisen nur indirekt betroffen, nur durch die gestiegenen Preise für ihre Arbeitsmaterialien“, sagt Hamburg.